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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Heinz Corpus wird 90

Im Förderkreis Ohlsdorfer Friedhof ist Heinz Corpus das Symbol scheinbar unverbrauchbarer Lebenskraft, von echtem Optimismus und Schaffensdrang.

Wenn wir Hilfe brauchen im Museum, am Verkaufsstand, bei Großveranstaltungen: Heinz Corpus ist da – fröhlich, diszipliniert, einsatzwillig. Man muss ihn einfach gern haben. Für sein hohes Lebensalter geht er sicher und zügig, fast elastisch. Nie ist ihm etwas zuviel.

Seit 1989, unserem Gründungsjahr, ist er mit uns verbunden. Hierher gehört eine Anekdote von unserem zehnten Förderkreis-Geburtstag: Heinz Corpus geht aus seinem Wohnhaus und trägt den uns versprochenen Geburtstagskuchen in den Händen. Nachbarn sprechen ihn an, wohin er denn mit dem schönen Kuchen wolle. Mit Ernst und Schalk in der Stimme sagt er wahrheitsgemäß: „Zum Ohlsdorfer Friedhof. Wir feiern dort eine Party.“ Die verwirrten Gesichtsausdrücke der Fragenden verrieten, dass sie „den Alten“ nun für übergeschnappt hielten.

Heinz Corpus
Heinz Corpus

Liest man den Lebenslauf dieses aufrechten Mannes, dann ist einem nach Lächeln nicht mehr zu Mute: Er wurde am 28. Mai 1915 in Hamburg als jüngstes von drei Kindern geboren. Als 13-Jähriger verstarb plötzlich die Mutter – ein furchtbarer Schlag für den Heranwachsenden. In Hamburg 1931 bis 1934 Absolvierung der Konditoreilehre, dann Gehilfenzeit, die durch Arbeits- und Soldatendienst unterbrochen wurde, so dass er erst nach Kriegsende die Meisterprüfung ablegen konnte. 1962 eigene Konditorei in Horn, später bis zur Berentung Konditor in einem Restaurant an der Elbchaussee und im Alsterpavillon. 1986 Tod der Ehefrau.

Vor-, Kriegs- und Nachkriegszeit überschatten Heinz Corpus‘ Leben in starkem Maße: 1937 zur Wehrmacht eingezogen, 1938 zur Besetzung des Sudetenlandes einberufen, er muss Soldat bleiben, 1939 Polenkrieg, 1940 schwere Kämpfe in Frankreich, 1941 nach Russland verlegt, Verwundung. Bei den Rückzügen ab 1943 vom Kaukasus unter schwersten Opfern nach Westen zurückgedrängt: Ukraine – Rumänien – Ungarn bis in die Steiermark nach Österreich. Auch hier noch schwerste Verluste. Für die Pflege der Gräber der hier Gefallenen sammelte er noch zu seinem 85. Geburtstag Geld!

Nach kurzer amerikanischer Gefangenschaft bereits 1945 wieder in Hamburg zu Wiederaufbauarbeiten, später Aufbau der eigenen Konditorei-Existenz. Nach so vielen schweren Belastungen ein so fröhlich-lebensbejahender Mensch geblieben zu sein, ist Kraft und Gnade.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Sterben und Tod um 1945 (Mai 2005).
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