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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Ökologische Bestattung international

2016 wurde in der "Zeitschrift für Trauerkultur" zum ersten Mal über ökologische Trends der Bestattungskultur im Ausland und speziell im englischsprachigen Raum berichtet.1 Seitdem sind fast acht Jahre vergangen und die Frage steht im Raum, ob und was sich in der Zwischenzeit auf diesem Gebiet getan bzw. verändert hat.

Zur Erinnerung: Naturfriedhöfe (engl. "green burials" oder "natural burials") kamen erstmals in England in den 1990er Jahren auf und sind dort in den vergangenen Jahren ständig mehr geworden. 1991 wurde das "Natural Death Centre" gegründet, zu dem die etwas jüngere "Association of Natural Burial Grounds" gehört. Auf deren Website heißt es, dass über 270 Friedhöfe der Vereinigung angehören. Allerdings wird die Site anscheinend schon seit 2018 nicht mehr auf einen neuen Stand gebracht.

Der Trend zur ökologischen Bestattung griff rasch nach Nordamerika über, wo 1998 der erste "grüne Friedhof" eröffnet wurde. Seit 2005 gibt es dort die gemeinnützige Organisation des "Green Burial Council (GBC)". Die Zahl der ihr zugehörigen 56 zertifizierten Bestattungsflächen im Jahr 2016 hat sich inzwischen auf 380 erhöht. Das ist zwar ein deutlicher Anstieg, doch hat die Idee der ökologischen Bestattung offensichtlich noch nicht den Mainstream erreicht. Im Gegenteil: Im Juli 2023 hat der Staat Minnesota wegen eines erbitterten Streits ein zweijähriges Moratorium für die Einrichtung "grüner Friedhöfe" angesetzt.2 Daneben existiert eine 2004 gegründete "Natural Burial Company", die hauptsächlich biologisch abbaubare und umweltfreundliche Särge und Urnen bewirbt. Auf ihrer Website sind noch dieselben 25 Friedhöfe aufgelistet wie 2016. Erst 2013 gründete sich eine entsprechende Organisation in Kanada ("Green Burial Society of Canada (GBSC)"). Ihr gehören zur Zeit 12 Friedhöfe an, während in Neuseeland schon 1999 die gemeinnützige "Natural Burial Organisation" entstand, ebenfalls mit 12 zertifizierten Friedhöfen.


Nur durch einen Stein bezeich-nete Grabstelle im Eloise Woods Community Natural Burial Park in Cedar Creek, Texas, United States (Bildnachweis: By Larry D. Moore, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=15696797) (1)

Auch in Europa gibt es natürlich spezielle Naturbegräbnisplätze, allerdings sind sie weitgehend auf die nordeuropäischen Länder beschränkt; genannt seien als Beispiele die "Natuurbegraafplaatsen" in den Niederlanden und Belgien, die teilweise den Bestattungswäldern in Deutschland ähneln.3
Daneben werden weitere Bestattungsvarianten als ökologisch angepriesen: Schon in den 1990er Jahren hatte die Biologin Susanne Wiigh-Mäsak in Schweden mit der Promession ein Verfahren entwickelt, das durch Gefriertrocknen und Granulieren die Kompostierung von Leichnamen beschleunigt. Dieses Verfahren wurde zwar patentiert, jedoch nicht weiterverbreitet. Seine Erfinderin ist inzwischen verstorben.4
Dagegen hat die Unterwasserbestattung von Aschen durch die Firma "eternal reefs" gerade ihr 25jähriges Bestehen gefeiert.

Die alkalische Hydrolyse wurde schon 1888 von Amos Herbert Hobson als Methode zur Verarbeitung von Tierkadavern zu pflanzlichen Nahrungsmitteln patentiert. Ein erstes System wurde 2005 in der Mayo Clinic im nordamerikanischen Bundesstaat Minnesota installiert.5 Es handelt sich dabei um einen Prozess, mit dem durch Lauge und Hitze tote Körper so verflüssigt werden, dass nur die Skelettreste übrigbleiben. Diese Methode wird unter vielen unterschiedlichen Namen gehandelt, die sie assoziativ mit der Kremation verbinden.6 In Nordamerika ist diese Bestattungsart in einer Reihe von Staaten zugelassen, außerdem in einigen Provinzen Kanadas, in Australien und Süd-Afrika.7


Hölzerne Grabmarkierung auf dem Natuurbegraafplaats Heidepol bei Arnhem in den Niederlanden (Bildnachweis: Door Wimzegt - Eigen werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=19311885) (2)

In Europa ist sie bisher kaum verbreitet. In Deutschland wurde 2023 in Schwäbisch Hall eine Pilotanlage gebaut. Eine gesetzliche Zulassung als Bestattungsart scheint allerdings in weiter Ferne zu liegen.8 In Irland9 und in den Niederlanden10 wurden im September 2023 die ersten Anlagen eingeweiht. Sie wurden
von der 2007 in Schottland gegründeten Firma Resomation Ltd entwickelt.11 Die Firma wirbt damit, dass eine "Bestattung mit Wassereinäscherung" einer Feuerbestattung ähnlich abläuft, nur dass "anstelle des Feuers ... bei der Wassereinäscherung eine Lösung auf Wasser- und Alkalibasis verwendet" wird. Der Vorgang wird als "sanfte Methode" beschrieben, die den natürlichen Prozess, den der Körper am Ende des Lebens durchläuft, beschleunigt. Nach durchschnittlich drei bis vier Stunden erhält die Familie "die reine weiße Knochenasche in einer Urne". Geworben wird damit, dass dieser Prozess "leiser und weniger umweltschädlich" ist als die Kremation.

Das "Urban Death Project" in den USA steckte 2016 noch in den Kinderschuhen. Die Idee dahinter ist - wie bei der Reerdigung -, dass ein toter Körper in der Natur innerhalb weniger Monate aufgrund der Aktivität von Mikroben zu nährstoffreichem Humus zersetzt wird. Hinter der inzwischen erfolgreichen Umsetzung steht die US-amerikanische Architektin und Anthropologin Katrina Spade, die dafür ein ausgereiftes Verfahren entwickelt und 2017 die gemeinnützige Gesellschaft "Recompose"12 mit Sitz in Seattle gegründet hat. Zwei Jahre später legalisierte der Staat Washington als erster das Verfahren als "natural organic reduction (NOR)". Seit der Eröffnung eines Firmensitzes im Jahr 2020 können in Seattle mehrere Verstorbene gleichzeitig in eine "neue Zusammensetzung", wie der Name der Gesellschaft zu übersetzen ist, übergehen.


Ausschnitt aus der Website der Firma Resomation Ltd. (Screenshot 08.01.2024) (3)

Parallel dazu wurde ein eigenes Abschiedsritual entwickelt: In den Räumen der Firma können Angehörige daran mitwirken den aufgebahrten Leichnam mit einem Tuch abzudecken und Holzspäne, Luzerne und Stroh darüber zu breiten. Der so bedeckte Körper kann mit Blumen oder anderem vergänglichen Material geschmückt werden, bevor er endgültig in einem zellenartigen Behälter verschwindet.


Internetauftritt der Firma Recompose in Seattle, USA (Screenshot 22.12.2023) (4)

Darstellung der Abschiedszeremonie mit Foto des Abschiedsraumes in der Firma Recompose (Screenshot 22.12.2023) (5)

Die Mischung der Abdeckung wird dabei auf den jeweiligen Körper abgestimmt. Dieser bleibt danach fünf bis sieben Wochen in dem Behälter, wo er durch Mikroben und Bakterien zersetzt wird. Während der Zersetzung entwickelt sich Hitze und es wird regelmäßig Frischluft zugeführt. Zusammen mit den Naturmaterialien entsteht so aus jedem Körper etwa ein Kubikmeter Humus, der nach seiner Aushärtung für Bäume und Pflanzen verwendet oder für Naturschutzmaßnahmen gespendet werden kann. Diese Bestattungstechnik ist in den USA inzwischen in einer Reihe von Staaten zugelassen13 und es wird eine sehr aktive Öffentlichkeitsarbeit betrieben.
Auch in Belgien und Frankreich gibt es Bestrebungen eine ähnliche Form der Bestattung einzuführen. In Belgien wurde 2022 die Kooperative "SCES HUMUSATION" gegründet. Nicht ganz verständlich ist, warum dort anscheinend die gleiche Forschung zur Verwesung von tierischen bzw. menschlichen Körpern wie in den USA gerade erst abgeschlossen wurde, obwohl man über die Aktivitäten in den USA informiert ist.14 In Frankreich vertritt die "association HUMUSATION France" ein etwas
länger dauerndes Vorgehen: Demzufolge soll der Leichnam oberirdisch in einem biologisch abbaubaren Leichentuch auf einer 20 cm dicken Pflanzenmischung aus feinen Holzspänen abgelegt und mit 2 m3 der gleichen Mischung bedeckt werden. Betont wird, dass vorher keine Konservierungsbehandlung (Thanatopraxie) stattgefunden hat. Der Humushügel erhält die Form eines pflanzlichen Grabhügels.
In einer ersten "Hygienisierungsphase" werden eventuell vorhandene Krankheitserreger neutralisiert und nach drei Monaten entfernen sogenannte ausgebildete "Humusbildner" die körperlichen Bestandteile, die nicht biologisch abbaubar sind (Prothesen u. Ä.). Wie bei der Einäscherung werden Knochen und Zähne zerkleinert und zu Pulver zermahlen. Diese wertvollen Mineralien werden wieder in den Grabhügel eingearbeitet. Nach zwölf Monaten soll von dem Leichnam keine Spur mehr zu sehen sein, da er vollständig in gesunden und fruchtbaren Humus umgewandelt wurde.15


Darstellung der "Humusation" von dem Flyer der "association HUMUSATION France" (6)

Sarg aus Pilzmyzel der Firma Loop-Biotech in den Niederlanden (Screenshot 22.12.2023) (7)

Eine weitere Möglichkeit ist in den Niederlanden mit dem "Loop Living Cocoon™" auf dem Markt. Es handelt sich um einen sogenannten lebenden Sarg, der in Delft in wenigen Tagen aus lokalen Pilzen und aufgewerteten Hanffasern hergestellt wird. Aus den tausenden Fasern des Pilzgeflechts entsteht dabei ein besonders leichtes und robustes Material. In der Natur verwandelt das Myzel totes organisches Material in wichtige Nährstoffe und hat die Kraft mit dem Waldboden zu interagieren und die Bodenqualität zu verbessern. Das Innere dieses "Kokons" ist mit einer Lage von Moos ausgekleidet. Versprochen wird, dass Bestattete in und mit diesem Behältnis in ca. eineinhalb Monaten "eins mit der Natur" werden und so die menschlichen "Nährstoffe auf die natürlichste Art und Weise an die Natur" zurückgeben.16 Auch wenn die Bestattungsform der "natural organic reduction (NOR)" in den USA bzw. der Reerdigung in Deutschland im Augenblick nur einen geringen Teil aller Bestattungen betrifft, so scheint sie und weitere Verfahren, mit denen Leichname relativ schnell in Humus verwandelt werden, besonders viel Potential für die Zukunft zu haben. Der immer deutlicher werdende Klimawandel bringt die Menschen dazu, über den eigenen ökologischen Fußabdruck nachzudenken, und die Frage, was mit dem eigenen Körper nach dem Tod geschieht und wie er der Natur schonend zurückgegeben werden kann, gehört unbedingt dazu. Anzumerken ist, dass die schonendste Bestattungsart in der auch in Deutschland eigentlich althergebrachten Weise bestehen dürfte, den Leichnam in einem Leichentuch aus Naturfasern in trockener Friedhofserde beizusetzen und die Verwesung der Natur zu überlassen. Diese Möglichkeit könnte eigentlich jeder Friedhof als Naturbestattung anbieten.


Ausschnitt aus dem Vergäng-lichkeitsbuch des Wilhelm Werner von Zimmer, 1540/50, Würt-tembergische Landesbib-liothek, Cod.Don.A.III.54, p 25r (8)

Anmerkungen:
1 Barbara Leisner, Naturfriedhöfe und der Trend zur "natürlichen" Bestattung, Nr. 135, IV, 2016 (Dezember 2016), https://www.fof-ohlsdorf.de/135s04_leisner. Alle angemerkten Links wurden zuletzt am 4.1.2024 aufgerufen.
2 Walker Orenstein, Minnesota paused 'green burials' because of a bitter fight over a cemetery in Carlton County. It has led to questions of religious freedom, in: MinnPost July 5, 2023, https://www.minnpost.com/greater-minnesota/2023/07/minnesota-paused-gre…
4 Vgl. https://promessa.se/zum-gedenken-susanne-wiigh-maesak/?lang=de.
5 https://en.wikipedia.org/wiki/Water_cremation : History
6 Namen sind z.B. im Englischen "biocremation", "resomation", "flameless cremation", "aquamation", "water cremation", "green cremation" oder im Deutschen der latinisierte Begriff "Lavation".
7 Georgina M. Robinson, Alkaline hydrolysis in the United Kingdom. In: Ruth McManus (Hrsg.), The Sustainable Dead. Searchin fort he Intolerable, Cambridge Scholars Publishing 2023, S. 76.
8 Marcus Weingärtner, Zurück zum Ursprung: Eine Lavation ist die nachhaltigste Form der Bestattung,
in: Berliner Zeitung, 03.05.2023, https://www.berliner-zeitung.de/panorama/zurueck-zum-ursprung-eine-lava….
9 https://resomation.com/news/ireland-opens-resomation-facility-first-to-….
10 Uitvaartcentrum & Resomatorium 't Vijfde Seizoen, https://tvijfdeseizoen.nl/.
11 https://resomation.com/about/.
12 https://recompose.life/.
13 Vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/Human_composting.
14 Ezio Gandin, L'Humusation: enfin des essais concluants, in: Revue Valériane, Nr. 164, 2023, https://
www.humusation.org/wp-content/uploads/2023/11/NP_revue_Valeriane-164_ar….
15 Zitiert nach: https://drive.google.com/file/d/113PchtbryjYH1dd0lA01Xrn2ULnG8wE-/view, von der
Website http://humusationfrance.org/nos-objectifs.
16 https://loop-biotech.com/nl/living-cocoon/.

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