Direkt zum Inhalt

OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Geschichte und Gedenkstätten der Cap-Arcona-Tragödie: Ein neues Forschungsprojekt

Mit Unterstützung aus Bundes- und Landesmitteln und durch die Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten plant die Stadt Neustadt in Holstein die Errichtung eines Cap-Arcona-Dokumentationszentrums (Arbeitstitel) in Nachbarschaft zum zeiTTor-Museum in der Neustädter Innenstadt. Am 2.11.2023 fand der Auftaktworkshop zu dem von der Stadt Neustadt in Holstein vergebenen und von der genannten Bürgerstiftung finanzierten Forschungsauftrag zu Themenkomplexen der Häftlingstransporte nach Schleswig-Holstein und der Cap-Arcona-Katastrophe Anfang Mai 1945 statt.

Die Cap Arcona - ein früheres Passagierschiff und Flaggschiff der Hamburg-Südamerika-Linie - diente den Nationalsozialisten kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs zur Internierung von KZ-Häftlingen in der Lübecker Bucht vor Neustadt (Ostsee). Die genaueren Umstände sind noch nicht ausreichend geklärt. Die Cap Arcona wurde zusammen mit einem weiteren Schiff am 3. Mai 1945 durch britische Flugzeuge versenkt, wobei viele tausend Internierte ums Leben kamen. Schiffbrüchige, die sich an Land retten konnten, wurden teilweise von der SS ermordet. Die Toten wurden zunächst nur provisorisch am Strand verscharrt.


Cap-Arcona-Ehrenfriedhof Neustadt (Foto: N. Fischer) (1)

Aufgabe des Dokumentationszentrums wird es sein, die hier nur sehr knapp dargestellten, komplexen Ereignisse in Neustadt im Kontext der Häftlingsdeportationen ("Todesmärsche") in der Endphase des Zweiten Weltkriegs darzustellen. Diese sog. Evakuierungstransporte aus den in Auflösung befindlichen Konzentrationslagern führten zu einem Großteil nach Schleswig-Holstein. Das nun gestartete Forschungsprojekt soll vorhandene Lücken in der wissenschaftlichen Erforschung dieser Themenkomplexe soweit möglich schließen helfen und eine wichtige Grundlage für die Ausgestaltung des Dokumentationszentrums bilden.
Der Forschungsauftrag gliedert sich in insgesamt vier Teile und soll bis zum Jahresende 2024 abgeschlossen sein. Für die Bearbeitung der Forschungslose "Häftlingstransporte, Opferzahlen, Begräbnisstätten und Umbettungen" und "Recherche nach Archivbeständen zu strafrechtlichen Ermittlungen in SBZ/DDR" konnte der ehemalige Leiter des Archivs der KZ-Gedenkstätte Neuengamme Dr. Reimer Möller gewonnen werden.


Teilnehmer*innen des Auftaktworkshops. Oben von links: Dr. Verena Buser, Berlin; Jim G. Tobias; Nürnberg. Unten von links: Julia Werner, Kuratorin Cap-Arcona-Dokumentationszentrum; Dr. Stephan Linck, Evangelische Akademie der Nordkirche; Dr. Reimer Möller, ehemaliger Leiter des Archivs der KZ Gedenkstätte Neuengamme; Stefan Nies, Kurator Cap-Arcona-Dokumentationszentrum; Dr. Harald Schmid, Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten; Melanie Zühlke, pädagogische Mitarbeiterin Museum Cap Arcona; Prof. Dr. Norbert Fischer, Hamburg; Mirco Schlippes, Kulturabteilungsleiter der Stadt Neustadt in Holstein und Projektleiter Cap-Arcona-Dokumentationszentrum (© Stadt Neustadt in Holstein) (2)

Das Forschungslos zum Thema "Jüdisches Leben im DP-Lager Neustadt in Holstein" bearbeiten mit Dr. Verena Buser und Jim G. Tobias zwei bundesweit bekannte Historiker mit großer Erfahrung im Bereich der Displaced-Person-Forschung.
Das Los mit der Überschrift "Geschichte der Erinnerungskultur" wird durch den Hamburger Sozial- und Kulturhistoriker Prof. Dr. Norbert Fischer, der unter anderem an der Universtität Hamburg zu Gedächtnis- und Erinnerungskultur und Landschaftgeschichte forscht, bearbeitet. Eine detaillierte Darstellung zur Geschichte der regionalen und lokalen Gedenkkultur entlang der Ostseeküste zu den Häftlingstransporten, den Schiffskatastrophen und den Morden an den Stutthof-Häftlingen liegt bisher nicht vor. Diese könnte herausarbeiten, wer die Friedhöfe und Gedenkstätten plante und errichtete, welche Rolle Organisationen der Opfer und Überlebenden, die lokale Politik/Verwaltung, die Landes-/Bundespolitik, die Bevölkerung vor Ort, Initiativen aus der Zivilgesellschaft dabei spielten. Welche Formen der Gedenk- und Erinnerungskultur waren damit verbunden und wie kam es zur Gestalt der Friedhöfe und Gedenkstätten? Gab es hier Veränderungen, Entwicklungen, lokale Unterschiede, Konflikte um den Erhalt und die Pflege? Inwieweit wurde auf religiöse, weltanschauliche Unterschiede Rücksicht genommen? Wessen wird gedacht? Ein gutes Beispiel ist hier der Friedhof Neukoppel, auf den auf Dauer sehr unterschiedliche Opfergruppen verlegt wurden, ohne dass dies für Besucher*innen klar zu unterscheiden ist. Schließlich: Wie wurde die Geschichte der Cap-Arcona-Katastrophe und der Morde an den Häftlingen der Transporte aus Stutthof inhaltlich erinnert, wie Fragen von Schuld und Verantwortung thematisiert?

Mirco Schlippes, Stadt Neustadt in Holstein (red. ergänzt)

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Bestattung - alles öko? (März 2024).
Erkunden Sie auch die Inhalte der bisherigen Themenhefte (1999-2024).