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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Holzkreuze auf Hamburgs Friedhöfen

Holzgrabmäler sind auf dem Friedhof Ohlsdorf relativ selten – solche jüngeren Datums bilden insgesamt eine Minderheit, ältere sind kaum noch vorhanden; alle müssen bewusst mit Dach und Zink bzw. Kupfer geschützt und ihr Material sorgfältig und regelmäßig gegen das Eindringen von Feuchtigkeit behandelt werden – sonst beginnt der Verfall nach wenigen Jahren.

Unter dem norddeutschen Klima findet sich dennoch eine erstaunliche Menge Holzkreuze: Erinnerungen an Kriegsgefallene abseits der großen Gräberfelder, imposante Gemeinschaftskreuze, unzählige kleine, aber auch manche große Kreuze, wenige sehr fein geschnitzte, dagegen viele schlichte oder einfache – und dazu hin und wieder einzelne bewusst moderne Holzgrabmäler.

I. Holzkreuze für Kriegstote

Die meisten der auf hamburgischen Friedhöfen beigesetzten 62.427 Kriegstoten sind auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Sammelgräbern und Gemeinschaftsanlagen bestattet worden, viele jedoch sind auch vereinzelt in Familiengräbern zu finden. Aufgrund der Vergänglichkeit des Materials hat sich kein Holzgrabmal aus Reihengräbern des ersten Weltkrieges erhalten können (4.103 Opfer in Ohlsdorf); geblieben sind dafür wenige, meist als Nebengrabmal für Kriegsgefallene errichtete und vorwiegend erneuerte Holzkreuze. Hinter dem Mausoleum Riedemann steht – ähnlich wie eines der so genannten Totenbretter in Süddeutschland – eine Holzstele für den Gardefüsilier Willy beim Familiengrab Stratmann, Grablage AD 12; er starb 1915 „den Tod fürs Vaterland in den Gefechten bei Stryj, Galizien“, wie es ebenfalls im Stein eingraviert heißt.

Stratmann
Grabmal Stratmann (Foto: Behrens)

Noch ein Beispiel ist beim Grabmal Ordnung an der Südallee (N 27, Katalog Nr. 799) das kleine überdachte Holzkreuz für den 1916 gefallenen „Musk. Richard Ordnung, J.R. 394“.

Ordnung
Grabmal Ordnung (Foto: Behrens)

Ebenso steht abseits der großen und repräsentativen Familienanlage Versmann von 1833, aufgestellt 1889 (AB 13, Kat. 87), ein – hier sehr bescheidenes – Holzkreuz für einen 1918 gefallenen Nachkommen.

Auch bei den 48.032 Kriegstoten aus der Zeit von 1933 bis 1945, die ihre letzte Ruhe in Ohlsdorf gefunden haben, findet man neben den Gemeinschaftsanlagen eine beachtliche Zahl von einzelnen kleinen Holzkreuzen – oft nur Zutat zu größeren Familiengrabmälern, und leider auch oft nur Erinnerung für Gefallene des Zweiten Weltkrieges. Beispielhaft hierzu ist das kleine beschädigte Kreuz für den Feldwebel Reinhard Schläger rechts der großen, 1916 aufgestellten Sandstein-Urne der Familien Reiche und Schläger aus der ersten Hälfte des 19. Jh. (P 19, Kat. 44); weiter, auf der großen Anlage Wirths von 1918 (P 28, Kat. 851), das gepflegte Holzkreuz mit Eichenlaub für den 1945 im Wienerwald gefallenen Fahnenjunker Franz Wirths; oder das schlichte Kreuz rechts des marmornen Grabmals Röthig von 1940 (R 7, Kat.1209).

Schläger
Grabmal Schläger (Foto: Behrens)

Es sind hauptsächlich hölzerne Erinnerungszeichen für nicht in Ohlsdorf bestattete Soldaten, die auch wegen der geringen Kosten im Krieg aufgestellt wurden; so heißt es oft „in Memoriam“ oder „zum Gedenken“ wie auf dem Holzbrett mit dachartigem Abschluss für den Flieger Peltzer (Bl 59, Kat.1264); manchmal noch genauer: „Er ruht in Tarnow im Osten“, „in Tatewo/Russland“, „vor Leningrad“, „gefallen im Osten“, „im Westen“, „auf dem Balkan“ oder „gefallen in den letzten Tagen bei Berlin“ wie beim Grabkreuz Eckler (AA 6, Kat. 1278). Die Tragödie der einzelnen Situationen ist dem Betrachter dabei besonders nah, wie auch bei der Pastorenfamilie Junge (BV 60, Kat.1234): 1941, 1944 und 1945 verlor sie nacheinander drei Männer, wie die drei anrührenden Holzkreuze es bezeugen.

Junge
Grabmal Junge (Foto: Behrens)

Die Holzkreuze zeigen meist schlichte Formen. Die Kreuzarme weichen nur selten und wenn dann geringfügig von der Grundform ab. Eichenlaub und Eisernes Kreuz sind oft darauf zu sehen – eingeritzt, gemalt oder geschnitzt. Gelegentlich sind die Holzkreuze selber in Form des Eisernen Kreuzes, manchmal mit einem Stahlhelm dazu.

Bluhm
Holzkreuz in Form eines Eisernen Kreuzes (Foto: Behrens)

Eine Besonderheit ist ein Grabmal in Form eines großen germanischen Runenzeichens mit eingeritztem Stahlhelm, Runen- und SS-Zeichen für den Sturmmann Fritz Schledt und den Hauptsturmführer Rudolf Schledt, die 1941 und 42 im Osten fielen (E 14, Kat. 1235).

Schledt
Holzgrabmal in Form einer germanischen Rune (Foto: Behrens)

Auf Holz eingearbeitet sind Adler und Hakenkreuze auch mehrfach vertreten, wie das noch gut erhaltene kleine Kreuz für den 1942 in Prag gefallenen Fluglehrer und Feldwebel der Luftwaffe Franz Stahmer (AC 32).

Stahmer
Grabmal Stahmer (Foto: Behrens)

Große Holzkreuze kennzeichnen meistens Gemeinschaftsanlagen, so wie das 1931 aufgestellte Denkmal des Vereins Garde-Korps Hamburg für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Regimentskameraden – „denen, die für uns starben“ (AF 23, Kat. 19); oder das sechs Meter hohe Kreuz der deutschen Seemannsmission in Hamburg (Bi 58, Kat.1113), das 1936 aufgestellt wurde.

Altona
Hochkreuz der Ehrenanlage auf dem Friedhof Altona (Foto: Behrens)

Imposante Holzkreuze charakterisieren oft Hamburger Ehrenfriedhöfe, darunter zwei hier besonders beeindruckende Anlagen: Der Ehrenfriedhof im Norden des Altonaer Hauptfriedhofs mit seinem riesigen schlanken hölzernen Kreuz; und der russische Ehrenfriedhof im Bergedorfer Waldfriedhof, der von einem großen orthodoxen Holzkreuz mit drei Querbalken gekrönt ist.

Orthodox
Orthodoxes Holzkreuz (Foto: Behrens)

Im Ohlsdorfer Friedhof kann man auch im übertragenen Sinne die gigantische kreuzförmige Anlage von 1948–52 (Bo 66, Kat. 29) für die Opfer des Bombenkrieges mit ihren großen Balken dazurechnen: Die Eichenholzbalken des Bildhauers Ludwig Kunstmann auf den vier Massengrabhügeln nennen die Hamburger Stadtteile, aus denen die 36.918 Leichen der Bombennächte vom 25.7. – 3.8.1943 nach Ohlsdorf überführt wurden. Entlang der vierflügeligen Anlage haben mehrfach Angehörige der Anonymität des Massengrabes durch kleine, vielfach hölzerne, persönliche Gedenkkreuze und Täfelchen entgegengewirkt. Kein einziges davon lässt den Betrachter unberührt – besonders jene geschnitzte Holzstele von 1993, die im Ostflügel zum 50. Jahrestag aufgestellt wurde und die fünf am 27. Juli 1943 brennenden Nachbarhäuser vom Wikingerweg 1–9 darstellt (1998 waren die rot bemalten Flammen noch gut zu erkennen).

Wikingerweg
Holzstele Winkingerweg (Foto: Behrens)

II. Andere Holzgrabmäler

Neben den vielen, vor allem kleinen Grabkreuzen, die bis jetzt besprochen wurden, trifft man in Ohlsdorf hin und wieder auf größere private Holzkreuze, bevorzugt im oder am Waldgürtel. Bis zum Ersten Weltkrieg sind Kreuze aus Holz von über drei Metern Höhe nur vereinzelt anstelle der großen Steinkreuze errichtet worden. Dies war der Fall bei den bekannten Familien Warburg (T 23) – mit einem besonders hohen und von weitem sichtbaren Kreuz – oder Beckmann (Q 24), wo eine der dazu gehörigen Grabplatten, die der Oberschulrätin Emmy Beckmann, jetzt im Garten der Frauen liegt.

Warburg
Grabstätte Warburg (Foto: Behrens)

Wichtig ist heute zu wissen, dass das Holzgrabmal in den Jahren 1921–1925 besonders propagiert wurde; südlich der Mittelallee wurden im Musterfriedhof von 1923 mehrere Reihen ausdrücklich für Holzgrabmäler reserviert. Davon ist nichts mehr erhalten – zumal sich in den 1920/30er-Jahren das repräsentativere Steingrabmal durchsetzte. Auch nicht mehr auffindbar sind einzelne Kreuze, die im Ohlsdorf-Katalog von 1990 noch beschrieben wurden (Nr. 951, Pöppelmann von 1923 und 1925, sowie Nr. 1003, Fahle von 1926). Einige seltene Beispiele mit individueller Gestaltung und reichem Schnitzwerk zeugen jedoch noch von der damaligen Politik und der erreichten Kunstfertigkeit - so die aus Ohlsdorf stammenden und im Friedhof Öjendorf museal aufgestellten Holzgrabmäler Hammerschmidt (1921) und Schmidt (für die kleine achtjährige Ursula, 1938-1946), mit erkennbarem Einfluss aus Süddeutschland.

Öjendorf
Museal aufgestelltes Holzkreuz (Foto: Behrens)

Auf dem Ohlsdorfer Friedhof sind zudem noch einige schöne Holzkreuze aus den 40er-Jahren erwähnenswert:

Für Oswald Hermann Hartmeyer, gestorben am 27.2.1946 – und wohl nicht 1918, wie es im Katalog, Band 1, S. 93, steht – wurde nördlich der Kapelle 1, Grablage X 10, ein aufwändiges Kreuz mit reich geschnitztem Kranz aufgestellt, seit mehreren Jahren leider ohne Querbalken. Weiter: Das schlichte kleine Grabkreuz Klüver von 1947, mit einer oben fein eingeschnitzten Rose (AG 42); oder das 150 cm hohe Grabkreuz Manecke von 1948, mit Eichenlaubrelief auf dem Hauptpfahl (R 13, Kat. 1300).

Klüver
Rosenmotiv auf dem Holzkreuz Klüver (Foto: Behrens)

Das Holzkreuz Nitz von 1944 südlich der Kapelle 12, einfach und doch mit schönem hochrankenden Efeumotiv, verschwand bedauerlicherweise in den letzten Jahren. Gleichfalls sind nur wenige Holzgrabmäler aus den Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs der 50er-Jahre erhalten.

Allerdings finden sich heute noch auf den einfachen Grabfeldern eine ganze Menge bescheidener Grabmäler, die als typisches Grabzeichen der armen Bevölkerung anzusehen sind; manchmal nur aus zwei zusammengenagelten Holzlatten gemacht, verfallen diese leicht und oft schon nach wenigen Jahren, wenn sie nicht mit Metall und Fundament gut verankert wurden. Die Beschriftungen auf den Kreuzen bzw. Balken sind sehr unterschiedlich – von häufig handschriftlich eingeritzten Namen mit und ohne Zahlen, von einzeln mit Folie aufgeklebten Buchstaben bis zu Messingschildern. Oft steht dort gar kein Name, dafür nur „R.I.P.“ (Requiescat in Pace, d. h. er ruhe in Frieden) oder „Jesus lebt“, mal nur „Oma“ oder ein Photo, und einmal die auf der Rückseite des Kreuzes auf englisch handgeschriebenen Wörter „let’s stick together“...

Ein gekreuzigter Christus ist ein häufig anzutreffendes Motiv auf katholischen Holzkreuzen, vor allem in der Nähe der Kapelle 13 im Osten des Ohlsdorfer Friedhofs. Wenn von der Vielfalt der Religionen die Rede ist, soll kurz an eine islamische Tradition erinnert werden, die bereits vor zwei Jahren in dieser Zeitschrift besprochen wurde (Christine Behrens, „Islamische Bestattungskultur zwischen Tradition und Anpassung“, Ohlsdorf, Heft Nr. 81): Oft wird die für Muslime wichtige Ausrichtung der Grabanlage nach Mekka mit einfachen Brettern am Kopf und Fuß markiert – wie es auch manchmal auf den islamischen Grabfeldern in Öjendorf oder, seltener, in Ohlsdorf zu sehen ist.

Weitere ansonsten kaum vertretene Kreuzformen sind zum Beispiel ein kleines orthodoxes Kreuz, gesehen auf dem alten Friedhof an der Kirchhofstraße in Wandsbek, oder ein Henkelkreuz mit einer Lilie in Ohlsdorf (Fochler, 1997, Grablage Q 13)...

Henkelkreuz
Henkelkreuz auf dem Grabmal Fochler (Foto: Behrens)

Damit handelt es sich oft um künstlerisch anspruchvollere und moderne Grabmäler, für die das Material Holz doch bewusst lieber als Stein gewählt wurde. Einige Beispiele können hier erwähnt werden: Eine hölzerne Stele in Nienstedten (Familiengrab Blohm mit Wappen, aus dem Jahr 1943), in Ohlsdorf eine von 1946 mit der erhabenen Inschrift „Min lev Modding Lisbeth Oellerich“ (AC 36), oder die helle Holzstele Barthmann von 1950 mit Steuerrad auf dunklerem Hintergrund (Bh 54). Die Auswahl des Holzes wie zum Beispiel Mahagoni oder andere tropische Holzarten ist genauso wichtig wie die der Form des Grabmals. So wirkt die asymmetrische rötliche Stele Lotze (1991, P 33) sehr edel und genauso apart der hohe quadratische Pfeiler aus massivem Mahagoni für Marg-Sommerer (2001, AG 18). Wirkungsvoll ebenfalls ist die individuelle Gestaltung des Kreuzes mit Kranz beim Holzgrabmal Hower (1999, M 12).

Hower
Grabmal Hower (Foto: Behrens)

Schließlich ist noch eine letzte Gruppe zu erwähnen: Kleine Holzkreuze sind beliebt bei Kindergräbern, allein stehend oder zusätzlich zu kleinen Steinkissen. Wer würde auch einen schweren Stein auf das Grab eines Säuglings oder eines Kleinkindes stellen – ist ein weißes Holzkreuz mit vielen kleinen bunt bemalten Steinen rund herum nicht tröstlicher?

Anmerkung und Literatur:
Die im Text genannten Buchstaben mit Zahlen sind Hinweise auf die Grablage der zitierten Grabmale auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Die Katalog-Nummer weist ihrerseits auf die zweibändige Arbeit von Barbara Leisner, Heiko K. L. Schulze und Ellen Thormann hin, herausgegeben von der Kulturbehörde und dem Denkmalschutz: Der Hamburger Hauptfriedhof Ohlsdorf, Geschichte und Grabmäler, Hans Christians Verlag, Hamburg, 1990. Hilfreich waren außerdem: Barbara Leisner/Norbert Fischer: Der Friedhofsführer. Hamburg, 1994 sowie Helmut Schoenfeld: Der Friedhof Ohlsdorf. Hamburg, 2000.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Sterben und Tod um 1945 (Mai 2005).
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