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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Friedhöfe in Grönland

Das Flugzeug landet nördlich des Polarkreises in Kangerlussuaq. Wenige Kilometer westlich liegt auf dem gleichnamigen Fjord das 1200 BRT große Exkursionsschiff „Disco II“.

Die Fahrtroute führt entlang der Westküste nach Norden zur Baffin-Bucht. Dort liegen die Orte in weitem Abstand auf dem nur im Sommer mit Tundra bewachsenen Grünstreifen. Diese Siedlungen sind klein, 200 bis 300, manchmal auch 500 Einwohner leben hier in aus Dänemark importierten, buntfarbigen Holzhäusern. Diese Gebäude ducken sich in Felsmulden und gruppieren sich stets um die Friedhöfe, in dem sie diese in ihre Mitte nehmen oder in dem die Gräber auf einem Plateau unmittelbar über den Häusern liegen. Dabei ist es den Grönländern, Inuit genannt, wichtig, dass man von der Friedhofsanlage entweder über die Häuser hinweg oder durch eine freigelassene Schneise direkt auf das offene Eismeer sehen kann.

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(Foto: Mauss)

Jede der Anlagen ist mit einem weißen Holzzaun umgeben – obwohl auf Grönland kein Baum größer als zwei Zentimeter (!) wird. Auch die Grabkreuze sind aus weiß gestrichenem Holz. Sämtliches Holz stiftet Dänemark. Grabsteine sind selten, allgemein trägt ein Aluminiumschildchen Namen und Lebensdaten.

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(Foto: Mauss)

Stets sind die Friedhofsareale sehr sauber und ein Blickfang im Dorfbereich. Der Dauerfrost hält den Boden ständig hartgefroren, nur in den vier Sommermonaten taut eine Schale bis zu 30 cm Tiefe auf. In dieser Zeit von Mai bis August werden Flachgräber bis zur Dauerfrostzone in gut Handspannentiefe ausgehoben, damit man in der restlichen Jahreszeit die Toten bestatten kann.

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(Foto: Mauss)

Ein Flachsarg ragt dann immer über die Erdoberfläche hinaus. Um diesen Sarg abdecken zu können, legt man Grasplacken und Hochmoorsoden in Form einer Flachpyramide darüber und bildet eine Art „Hochgrab“.

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(Foto: Mauss)

Natürlich können solche Toten und Särge in den vier Sommermonaten nicht zerfallen, weil ja höchstens für kurze Tage Temperaturen über 10°C erreicht werden, dann herrscht wieder Permafrost. Deshalb sind alle Friedhöfe unberührbar: man lässt sie unangetastet überwuchern und legt bei Bedarf neue an. Da Land genug vorhanden ist und die Siedlungen klein, lässt sich dieses Problem auch heute noch lösen.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Begraben im Abseits (November 2004).
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