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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Im Garden of Reflection

Das Totenbuch des KZ Neuengamme in Hamburg nennt mehr als 22 000 Namen von den 56 000 dort Ermordeten.

Einer lautet James Houillebecq, ergänzt mit der Häftlingsnummer 37 354. Der ehemalige Kochlehrling wurde 1944 als 17-Jähriger von seiner Heimatinsel Jersey nach Neuengamme deportiert und starb hier am 20. Januar 1945. Die Todesursache ist unbekannt, eine Häftlingsakte gibt es nicht mehr. Vermutlich wurde seine Leiche im lagereigenen Krematorium verbrannt. Mehr ist in Deutschland über das Schicksal des jungen Mannes nicht bekannt. Auch der kürzlich im Bundesarchiv Berlin entdeckten Karteikarte vom Herbst 1944 konnte die Gedenkstätte Neuengamme keine weiteren Angaben entnehmen.

Karteikarte
Karteikarte des KZ Neuengamme (Foto: Gedenkstätte Neuengamme)

Auch wenn dem Urlauber auf der Insel Jersey in der Kürze der Zeit keine Nachforschungen möglich waren, so beeindruckt doch das dortige Gedenken an diesen Jersey-Mann und weitere verschleppte und in deutschen Konzentrationslagern gestorbene Inselbewohner. Die Kanalinsel gehört zu Großbritannien und war von 1940 bis 1945 von deutschen Soldaten besetzt. In dieser Zeit errichteten sie in einem bewaldeten Tal ein unterirdisches Militärkrankenhaus. Es ist heute ein Museum zum Gedenken an die Zeit der Okkupation. Ihm angegliedert ist u.a. ein Garden of Reflection.

Terrassenförmig eingefügt in den Fels über dem Café wurden die Stützmauern mit Stellagen versehen, die lange schmale Schrifttafeln tragen, weiß und kupfern. Stichwortartig wird auf ihnen an Ereignisse aus der Zeit der Besetzung und des Widerstandes erinnert. Im Rasen eingelassen sind runde gleichförmige Betonwerksteine, in die ebenfalls runde und kupferne Namenstafeln eingefügt sind. Sie erscheinen wie Urnen, sind aber Gedenkplatten.

Grabplatte
Grabplatte im Garden of Reflection (Foto: Schoenfeld)

Hier fand ich unter etwa 55 Tafeln auch die von JAMES HOUILLEBECQ, 1927-1945, NEUENGAMME IMPRISONED, in Neuengamme der einzige Brite, der dort ermordet wurde. Dieser Garten der Besinnung, der Erinnerung war wenig begangen. Um so mehr beeindruckt seine landschaftliche Gestaltung, die Ruhe ausstrahlt und damit das Reflektieren erst möglich macht.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Trauer und Musik (August 2003).
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