Abschiednehmen und unmittelbar nach der Feier zur Einäscherung im selben Gebäude Kaffee oder einen Imbiss in familiärer Atmosphäre: Was in Deutschland bislang höchstens Gegenstand von Überlegungen ist, gehört in den Niederlanden zu den Selbstverständlichkeiten.
Mit einem – auch von zahlreichen deutschen Besuchern aus Ostfriesland und dem Emsland – lebhaft in Anspruch genommenen Tag der offenen Tür stellte das privat betriebene Bestattungszentrum/Krematorium Ost Groningen in Winschoten/Niederlande seine Einrichtung vor. Der sich harmonisch in die Gartenlandschaft einfügende halbrundgezogene Flachbau in Weiß mit viel Glas und reichlich Grün im Außenbereich besteht seit 1985, ist kürzlich renoviert und anspruchsvoll ausgestattet worden und beschäftigt zehn Mitarbeiter.
Sein Mittelpunkt ist eine geräumige Feierhalle (Aula) mit im Halbkreis angeordneter Bestuhlung. Direkt daneben befindet sich ein Wartezimmer für die Hinterbliebenen, ausgestattet mit einer Teeküche und einer behindertengerechten Sanitärzelle. Soll zuvor, wie in Holland meist üblich, von dem Verstorbenen am offenen Sarg Abschied genommen werden, so stehen dafür sieben mit Kühlmöglichkeiten versehene Aufbahrungszimmer zur Verfügung. Sowohl hier als auch in der Aula fehlen religiöse Symbole.
Zum Angebot des Krematoriums gehört ein umfangreiches Musikprogramm. Die Bestattungsunternehmer im Einzugsbereich verfügen über eine Liste zur Auswahl der musikalischen Gestaltung der Trauerfeier: Religiös, gregorianisch oder klassisch, auch sozialistisch; es werden Kinderlieder und Lieder im Groninger Dialekt angeboten, ebenso instrumentaler Pop. Die Familien können aber auch Tonträger eigener Wahl mitbringen und die Zeremonie zur Erinnerung aufnehmen lassen.
Nach Ende der Beisetzungsfeier wartet eine – ebenso wie die Aula mit modernen Möbeln in einem zurückhaltenden Rot ausgestattete – „Koffiekamer“ auf die Gäste. Hier bietet das Uitvaartcentrum, wie es niederländisch heißt, auf Wunsch warme und kalte Getränke, Gebäck, belegte Brote oder einen Imbiss nach Wahl an (pro Person etwa fünf Euro). Die Bewirtung kann aber auch von der Familie in Eigenarbeit übernommen werden.
- Koffiekamer im Bestattungszentrum Winschoten (Foto: Schreiber)
Die Einäscherung selbst (545 Euro) geschieht in unmittelbarer räumlicher Nähe im selben Gebäude. In zwei Öfen werden jährlich an die 900 Verbrennungen vorgenommen – darunter im zunehmenden Maße von Verstorbenen aus Deutschland. Den Besuchern wurde bei der Besichtigung deutlich gemacht, dass oft nicht nur ein Häuflein Asche zurückbleibt – in Form von zwei mit metallenen Hüftgelenken gefüllten Zinkwannen. Darüber hinaus finden dort jährlich bis zu 50 Trauerfeiern mit anschließenden Erdbestattungen auf dem unmittelbar benachbarten Gemeindefriedhof statt.
Für den Verbleib der Aschen gibt es mehrere Möglichkeiten. Die Urnen können im am Krematorium anschließenden Garten beigesetzt werden. Sie können aber auch in einem offenen, überdachten Kolumbarium ihren Platz finden, wo sie, für Deutsche verblüffend, in nicht abgeschlossenen, für jedermann also zugänglichen Nischen stehen. Das, was nachgeblieben ist, kann auf einem Rasen verstreut werden – oder im nahen Wattenmeer. Es ist möglich, die Gefäße in einem würdigen Privatgrund beizusetzen – oder sie mit nach Hause zu nehmen, zum Beispiel in Zier-Behältnissen aus farbigem Glas nach eigenen Wünschen, in dem Teile der Asche eingeschmolzen sind. In diesen Fällen ist auch die Anfertigung einer zweiten, kleinen Urne möglich: Diese für zu Hause, die größere für den Friedhof. Und schließlich gibt es ein umfangreiches Angebot von Schmuckstücken, die einen winzigen Teil dessen, was von dem Verstorbenen nachgeblieben ist, enthalten können.
- Kolumbarium im Bestattungszentrum Winschoten (Foto: Schreiber)
In der Nähe der Verbrennungskammern stehen Regale mit stattlichen Reihen von verschlossenen Metallkanistern in Form von Aktenordnern, gefüllt mit noch nicht beigesetzten menschlichen Resten. Die Angehörigen haben nämlich die Möglichkeit, bis zu einem halben Jahr über die Art der letzten Ruhe nachzudenken. Oder, gegen Gebühr, die Aschen auch länger auf diese Weise zu verwahren, zum Beispiel seit 1998. Das wird vor allem von hinterbliebenen Partnern mit dem Wunsch, nach ihrem Tode gemeinsam beigesetzt zu werden, gewünscht. Es kann aber auch vorkommen, dass sich niemand mehr dafür interessiert. Dann ist das Krematorium verpflichtet, das Nachgebliebene für zwanzig Jahre zu verwahren, um es dann verstreuen zu können.
Der Service rund um den Abschied ist beispielhaft. Das Uitvaartcentrum verfügt über einen Raum zur Ablage von Blumen und einen weiteren zur Herstellung von Gebinden, eine komfortable Aufenthaltskammer für Fahrer und Chauffeure und ein Sanitätszimmer, sämtlich ausgestattet mit Sanitärseparées bis hin zur Dusche. Am Eingang abgelegte Garderobe findet der Trauergast schließlich am Ausgang wieder.
Im grenznahen Bestattungsgewerbe der Niederlande hat sich herumgesprochen, dass Trauerfeiern im benachbarten Deutschland zumeist von einer Atmosphäre der Unpersönlichkeit und Routine geprägt sind. In der Tat: Man wird hierzulande lange suchen müssen, um einen niederländischen Standard zu finden.