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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Bestattungsriten der Neandertaler

Nachträgliche Gedanken zur Vortragsveranstaltung
des Förderkreises am 12. Dezember 2007

Dr. Orschiedt
Bei einer Vortragsveranstaltung des Förderkreises Ohlsdorfer Friedhof am 14. Dezember 2007 referierte Dr. Jörg Orschiedt vom Historischen Zentrum Hagen über Bestattungsriten der Neandertaler. (Foto: H.-J. Mauss)

Der Vortragende, PD Dr. Orschiedt vom Historischen Zentrum in Hagen, ist einer der führenden Neandertalerforscher in Deutschland. Er war langjährig am bedeutenden Neanderthal-Museum in Mettmann bei Düsseldorf tätig und hat sich zwischenzeitlich an der Universität Hamburg über das Thema "Bestattungsriten der Neandertaler" habilitiert. Dr. Orschiedt belegte in seinem wissenschaftlichen Vortrag, dass die vor etwa 23.000 Jahren ausgestorbene Nebenlinie unseres heutigen Menschen mit Sicherheit ein "homo neanderthaliensis sapiens", also ein denkender, planender Mensch war. Eindeutig bestattete er seine Toten. Ein Zeichen dafür, dass er einen intensiven Sozialkontakt im Stammesverband hatte, beweisen Knochenfunde ausgeheilter Schwerverletzter, die lange gepflegt wurden, obwohl sie nicht mehr jagen oder schwer arbeiten konnten. Auch die Kindergräber beweisen Bindungen der Eltern zu ihren Kindern.

Aber warum starb diese Gattung Mensch aus? Vermischung oder Ausrottung durch unsere eigentlichen Vorfahren? Die neueste These von Jan Gilligan hat Überzeugendes festgestellt: Die letzte Würm-Eiszeit (120.000 - 10.000 v. Ch.) hatte Warm- und Kälteperioden. Die intensivste Kälteperiode war vor 30.000 bis 20.000 Jahren, also in der Zeit des Aussterbens des homo neanderthaliensis sapiens. Während der wendigere, parallel lebende jetzige Menschentyp schon in der Lage war, sich durch Steinklingen und Stichel aus Knochennadeln Felle zuzuschneiden und zu Kleidungsstücken zu vernähen, hatten die Neandertaler diese Fähigkeiten nicht erworben. Sie waren von Natur aus zwar viel kälteresistenter und hielten somit den bisherigen kalten Temperaturen ohne Kleidung stand, aber nicht jenen, mit denen sie nun zum Ende der Würm-Eiszeit überrascht wurden. Sie erfroren schlechthin und starben damit aus.

Zur unterschiedlichen Schreibweise Neanderthal oder Neandertal sei angemerkt: Je nachdem, ob man die wissenschaftliche Bezeichnung "homo neanderthaliensis", benannt 1856, oder die allgemeinsprachliche verwendet, wird das "t" mit oder ohne "h" geschrieben. Letztere ist gültig seit der Rechtschreibreform von 1900.

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