Drei Stichworte bildeten den Tagungstitel, die ein breites Areal menschlicher Existenz umfassen. Landschaft bildet eine Folie, in der sich Formen des Gedächtnisses ebenso abbilden wie die Haltung angesichts des Todes. Die Kulturgeschichte des Todes ist in die Landschaft gleichsam eingeschrieben. So wird Landschaft verstanden als zugleich naturgegebener und kulturell geprägter Raum, der unter dem Interesse einer besonderen Formation und Gestaltung reflektiert wird, Ausdruck der menschlichen Existenz mit einer großen Bandbreite an Hoffnungen, Einstellungen, Wünschen und Utopien.
Die Referate der Konferenz skizzierten unterschiedlichste Formen von Begräbnisorten und -landschaften, unter anderem spätantike und frühchristliche Sarkophage, die im Mittelalter entstandenen Klosterfriedhöfe ebenso wie die neuzeitlichen Landschaftsgärten und später aufkommenden Parkfriedhöfe oder neue Formen des Totengedenkens wie beispielsweise Friedwälder und Baumspenden. Thematisiert wurden darüber hinaus Orte, an denen Menschen in der Landschaft gewaltsam zu Tode gekommen sind, so zum Beispiel in den Gebieten des amerikanischen Bürgerkrieges, sowie Gedächtnisorte, die auf immer mit Sterben und Tod verbunden sind, wie die ehemaligen Konzentrationslager. In chronologischer Darstellung zeichnete die Konferenz den Weg von der religiösen zur säkularen Gedächtnislandschaft ebenso nach wie in neuerer Zeit die Auflösung der Einzelgrabstätte.
Wie die Begriffe 'Erinnerung' und 'Gedächtnis' seit den 1990er Jahren zu Leitbegriffen der Geschichts- und Kulturwissenschaften wurden und sich mit Landschafts- und Friedhofskonzeptionen verbanden, arbeitete Norbert Fischer (Universität Hamburg) in seiner Einführung zur Konferenz heraus. Landschaft erweist sich immer als vom Menschen wahrgenommene und gestaltete Natur, die mit Tod, Trauer und Gedächtnis eine Symbiose eingehen kann. Gräber im Landschaftsgarten, Parkfriedhöfe und die gegenwärtig immer beliebteren Praktiken der Naturbestattung im Allgemeinen und Baumbestattung im Besonderen bilden dabei einen vorläufigen Endpunkt in einer Entwicklung von der religiösen zur säkularen Gedächtnislandschaft.
Dass Landschaft erst entstehen konnte, als sich der Mensch von der Natur emanzipiert hatte, betonte Adriana Kapsreiter (Berlin) in ihrem Vortrag über Landschaftsdarstellungen auf den Reliefs von spätantiken und frühchristlichen Sarkophagen. In der Fülle der Bilder von Mythen oder jahreszeitlichen Motiven bildete die Landschaft einen räumlichen Kontext für die Darstellung der Tugenden des Verstorbenen. Damit formulieren diese Bilder einen moralischen Appell an die Betrachter. Christliche Sarkophage bedienten sich häufig bei paganen Traditionen und gaben ihnen einen neuen Sinn. Häufig waren Friedhöfe als Grabgärten gestaltet, die den Stadtbewohnern eine Oase der Erholung boten, nicht zuletzt deshalb, weil dort Obst und Blumen angebaut wurden – zur Erquickung der Toten und der Lebenden.
Geert Robberechts (City Councel for Culture of the City of Leuven) stellte am Beispiel der Abtei Vlierbeck die Hypothese auf, dass der dortige Friedhof für die gewöhnlichen Mönche in unmittelbarer Nähe zum Klostergarten lag, in Geländen, auf denen Obst und Gemüse angepflanzt und geerntet wurden. Obwohl direkte Belege für diese Vermutung bisher noch fehlen, bezieht sie ihre Plausibilität aus zahlreichen Vergleichsbeispielen anderer benediktinischer Klosteranlagen, unter anderem aus dem "Idealplan" von St. Gallen aus dem Jahr 832. Die Einheit von Begräbnisort und Obstgarten in Klosteranlagen resultierte nicht zuletzt auch aus platzökonomischen Gründen. Leider konnte der Mitverfasser des Vortrags, Robrecht Janssen (University of Leuven), nicht auf der Konferenz anwesend sein.
Die Entwicklung vom Scheingrabmal im absolutistischen Garten über das private bürgerliche Grabmal hin zum Grabmal als nationale Ikone, zeichnete Anna Marie Päfflin (Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz) anhand württembergischer Beispiele nach. In diesem Kontext entwickelten sich Landschaftsgärten, die insbesondere der Trauer um verstorbene Freunde galten, zu touristischen Attraktionen, die einen regelrechten Grabtourismus förderten.
Einen Blick auf eine außereuropäische Kultur an indischen Beispielen bot Geert Robberechts (Indian National Trust for Art and Cultural Heritage, INTACH). Anhand des Mughal Tomb Garden in Aurangabad zeigte der Referent ein Paradebeispiel für einen Begräbnisplatz in einem Garten, der in der Gestalt des Paradieses angelegt ist – mit vielen Grünpflanzen und Bäumen sowie Wasser, was im Nordwesten Indiens ebenso kostbar wie knapp ist.
Um echte Grabmäler in frühen Landschaftsgärten zu errichten, war im 18. Jahrhundert eine Genehmigung erforderlich. Dies stellte eine Neuerung in der Bestattungskultur dar, so Annette Dorgerloh (Humboldt-Universität zu Berlin). Mit dieser Form der Bestattung organisierte der Verstorbene noch zu Lebzeiten sein Gedächtnis selbst. Zwar seien aus dieser Zeit auch viele "Scheingräber" bekannt. Ein echtes Grab indes wurde anders wahrgenommen und beispielsweise in Reiseführern und Berichten erwähnt. Wer ein Gartengrab errichtete, verstand sich als Erbe der Antike. Der Naturkreislauf von Werden und Vergehen versinnbildlichte hier ein Angebot des Trostes, dem eine materialistische Haltung zu Grunde liegt, die auf Lukrez verweist, der den Tod als Reintegration auch der Seele in die Natur deutete.
Eine Führung von Markwart Herzog (Schwabenakademie Irsee) zu den Euthanasie-Gedenkstätten und dem Gedenkhain auf dem Gelände von Kloster Irsee, führte den an der Konferenz Teilnehmenden vor Augen, wie ein Gelände des Tagungsorts als Erinnerungslandschaft fungiert. Das Kloster diente von 1849 bis 1972 als psychiatrische Klinik. Von 1939 bis 1945 wurden ungefähr 2000 Patienten Opfer der nationalsozialistischen Euthanasie. Um die Massen an Toten zu bewältigen, wurde 1944 ein eigener Anstaltsfriedhof eröffnet, der 1972 aufgelassen wurde und mit einem 1981 errichteten Bronzemahnmal als Gedächtnislandschaft dient.
Was niemals mehr geschehen darf, reflektieren ehemalige Konzentrationslager, die als Erinnerungslandschaften zugleich Lernorte sind. Dabei hat sich das Bild in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt: Welche Bereiche eines ehemaligen Lagers werden als der Erinnerung wert oder symbolisch bedeutsam erachtet? Jörg Skriebeleit (KZ-Gedenkstätte Flossenbürg) rekonstruierte den Weg vom KZ als authentischem Tatort (Schädelstätte) hin zu einer friedlichen, sakralen Erinnerungslandschaft, die im Lauf der Jahrzehnte von fast allen konkreten historischen Relikten "gereinigt" wurde.
Anhand italienischer Anlagen des 19. Jahrhunderts erläuterte Hannah Malone (St. John‘s College, University of Cambridge) die Popularität der landschaftlichen Parkfriedhöfe im 19. Jahrhundert in Europa. Sie wies besonders auf die Dichotomie zwischen den malerisch als Landschaft gestalteten Begräbnisstätten nördlich der Alpen und den monumentalen urbanen Friedhöfen des Südens hin. Die Resistenz italienischer Friedhöfe gegen landschaftliche Gestaltung führte die Referentin auf den Einfluss der französischen Gesetzgebung zur Zeit der französischen Besatzung im 19. Jahrhundert zurück. Nur die protestantischen Friedhöfe wurden in Italien nach englischem Vorbild gartenarchitektonisch angelegt. Am ausgewählten Fokus Italien zeigte sich gerade im Vergleich mit Staaten nördlich der Alpen, dass die Friedhofsgestaltung abhängig war von sozialen und konfessionellen, politischen und kulturellen Faktoren, die von Land zu Land differieren und deshalb keinerlei Generalisierungen erlauben.
Weiblichkeit und Natur zu verknüpfen war ein Akzent der Erinnerungskultur auf Parkfriedhöfen im 19. Jahrhundert. "Dies deshalb, obwohl oder gerade weil Weiblichkeit und Tod Gegensätzliches symbolisieren", schilderte Anna Maria Götz (Universität Hamburg). Der Parkfriedhof, wie er im 19. Jahrhundert entstand, ermöglichte es, beide Aspekte in Szene zu setzen. In der beispielhaft analysierten Grabplastik der Trauernden repräsentierte das abstrakt Weibliche die Hoffnung auf Überwindung der Endlichkeit, mithin eine säkularisierte Jenseitsvorstellung. Der Parkfriedhof mit seinen verschlungenen Wegen, Wasserläufen und reichhaltigen Bepflanzungen bot eine landschaftliche Kulisse für diese Form von Pathos und Emotionalität der weiblichen Grabplastiken, gestaltet für ein auf dem Friedhof flanierendes bürgerliches Publikum.
Das Grabmal in der Landschaft als politisches Denkmal in der Epoche der Napoleonischen Kriege thematisierte Ulrich Knufinke (Technische Universität Braunschweig). Der Beitrag untersuchte die damals entstehende Funktionalisierung des Grabmals in der Landschaft als politisches Denkmal in vergleichender Perspektive: Zum einen wurde dessen Grundlegung in den französischen Revolutions- und Kriegsdenkmalen und deren "Vorgeschichte" in der so genannten Revolutionsarchitektur dargestellt. Zum anderen wurde die Verknüpfung von konkretem historischem Ereignis, individueller Verehrung des Verstorbenen und (territorial-)politischer Instrumentalisierung als Aspekt der Grab- und Denkmalkultur seit der Zeit um 1800 beschrieben: das Schlachtfeld-Denkmal als Grabmal, als Ort der Heldenverehrung und der politischen, emotional grundierten Legitimation und Identifikation, in dem Tod, Gedächtnis und Landschaft im weiteren 19. Jahrhundert eine neue Verbindung eingehen sollten. Eine zentrale Rolle wies der Referent dem Grabdenkmal zu, das dem 1797 gestorbenen französischen General Lazare Hoche in Weißenthurm bei Koblenz errichtet wurde, der von dieser Stelle aus den Übergang der napoleonischen Truppen über den Rhein geleitet hatte.
Wie unter den Medien des Totengedenkens die Fotografie in Konkurrenz zur Malerei und ihren Schönheitsidealen treten konnte, analysierte der Beitrag von Anna Krüger (Ludwig-Maximilians-Universität München). Hatten die Fotografen den Krimkrieg noch ganz "malerisch" als "Picknick War" festgehalten, so führten sie die Schlachtfelder des amerikanischen Sezessionskrieges in brutaler Nüchternheit vor Augen. Sie prägten mit unzähligen Ansichten der auf dem Feld Gefallenen sowohl die Kriegsfotografie als auch das Bild des modernen Krieges selbst. Besondere Beachtung fand Alexander Gardners "Photographic Sketch Book", das einen versöhnlichen Rückblick des wieder geeinten Staates auf das Trauma des Bruderkrieges bot: Die letzte Aufnahme zeigt die Enthüllung eines Denkmals für die Gefallenen auf dem längst von sichtbaren Verwüstungen "genesenen" Schlachtfeld – der "locus terribilis" wandelt sich zum Monument. Natur verspricht Katharsis und der Tod verliert seine Schrecken.
"Distant – but not too distant" – in diesen Worten komme die Ambivalenz von Tod, Gedächtnis und Landschaft zum Ausdruck, so Gerlinde Gehrig (Goethe Universität Frankfurt a.M.) über die "inszenierte Fotografie" Jeff Walls. Der Friedhof als Ort der Toten und angrenzende Neubaugebiete als Orte der Lebenden in Walls Landschaftsfotografie trügen der zunehmenden Nutzung der Landschaft durch den Menschen Rechnung und zugleich dem Wunsch, auch der Toten zu gedenken – mit dem Resultat, dass der Friedhof Teil der städtischen Topografie wurde.
In der Baumspende als "grünes" Kenotaph manifestiere sich eine neue Form des Totengedenkens, auf die Markus Walz (Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig) anhand von Beispielen aus unterschiedlichen Orten, jedoch mit Schwerpunkt auf Leipzig, einging. Der Baum, der mit einer Gedächtnistafel aus Messing oder Plastik ausgezeichnet wird, dient im Unterschied zur Baumbestattung ausschließlich der Erinnerung. Darin zeichnen sich mehrere gesellschaftliche Entwicklungen ab. Einerseits die Bereitschaft, sich gemeinnützig zu engagieren. Andererseits bieten Baumspenden Einnahmequellen für die Kommunen. Darüber hinaus ereignet sich diese Form des Totengedenkens abseits der traditionellen Friedhöfe, ohne deren Nutzung auszuschließen, an öffentlichen Orten. Ebenso wie die Gräber bieten Gedenkbäume Orte des "postmortalen Dialogs" der Familien über ihre Verstorbenen.
In der Abschlussdiskussion wurden die vielfältigen Bezüge zwischen Tod, Landschaft und Gedächtnis gebündelt und zusammengefasst. Durchgängige Bezugspunkte der Vorträge und Diskussionen boten die Themen der Landschaft als vom Menschen gestalteter Natur, der Kommunikation zwischen Lebenden und Toten und der Hinterbliebenen untereinander, die Vorstellung von Park und Garten als einer paradiesischen Zone und säkularisierten Jenseitsvorstellung. Die gesellschaftliche und politische Funktionalisierung von Tod, Landschaft und Gedächtnis bot ebenso Anknüpfungspunkte für weitere Forschungen wie die Nutzung von Landschaftsfriedhöfen und Gartengräbern als touristischen Attraktionen.
Konzeption und Leitung der Konferenz lagen in den Händen von Norbert Fischer (Universität Hamburg) und Markwart Herzog (Schwabenakademie Irsee). Gefördert und unterstützt wurde die Konferenz dankenswerterweise von hülswitt druck & medien (Marl), mo van de kamp (Paderborn) und dem Verband der Friedhofsverwalter Deutschlands (Magdeburg).