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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Traueranzeige am Straßenrand

Autor/in: Peter Schulze
Ausgabe Nr. 112, I, 2011 - Februar 2011

Die "Via dei Fori Imperiali", also die Straße der Kaiser-Foren in Rom ist eine breite, viel befahrene Straße, die schnurgerade auf das berühmte Kolosseum zu führt.

Viele Autos fahren hier rücksichtslos und oft viel zu schnell, vor allem im morgendlichen und abendlichen Berufsverkehr. An einem Laternenpfahl am Rand dieser Straße erinnert ein bemerkenswertes Ensemble aus Blumen und Schriftstücken sowie einem verbeultem Fahrradrahmen an ein Opfer des nicht nur an dieser Stelle hektischen Verkehrs in der italienischen Hauptstadt.

Rom 1
Hier verunglückte ein Jahr zuvor Eva, eine 28 Jahre alte Radfahrerin
auf dem Weg zur Arbeit. Foto: P. Schulze

Bemerkenswert an diesem Trauergesteck ist, dass es zur Erinnerung an die Verstorbene ein Jahr nach dem tödlichen Verkehrsunfall an dieser Stelle von ihren Freunden errichtet wurde und neben der Trauerbezeugung zugleich für einen Appell an die Autofahrer, langsamer und vorsichtiger zu fahren, und an die Behörden, mehr für die Sicherheit der schwächeren Verkehrsteilnehmer zu tun, genutzt wurde. Vieles, was dort geschrieben steht, ließe sich ohne große Änderungen auch für Aufrufe in deutschen Städten übernehmen.

Rom 3
Traueranzeige zur Erinnerung an die abgebildete junge Frau.
Foto: P. Schulze

Auf der oberen Tafel heißt es neben dem Foto der hier zu Tode gekommenen jungen Frau namens Eva: "Wenn du mit 28 Jahren mit dem Fahrrad zur Arbeit fährst und am Abend über die Via dei Fori Imperiali zurück fährst, um nach Hause zu kommen, glaubst du nicht, dass plötzlich ein Taxi von hinten auf dich zu kommt wie ein Geschoss und dich platt macht. Denn seit vielen Jahren warst du mit dem Fahrrad unterwegs in dieser verrückten und doch so herrlichen Stadt.

Mehrmals hast du gemerkt, dass du dich zwischen lauter Autos und Motorrädern in Gefahr befindest. Du hast Leuten in die Augen gesehen, die sich am Steuer brutal und rabiat verhalten. Normalerweise sind das ganz akzeptable Mitbürger, aber sowie sie hinterm Lenkrad sitzen, sind sie wie ausgewechselt. Sie beachten nicht die Vorfahrt, nicht das Rot der Ampeln und nicht die Fußgänger-Übergänge. Sie nutzen freie Straßen für überhöhte Geschwindigkeiten, achten nicht genügend auf den übrigen Verkehr beim Öffnen der Autotüren. Und das alles nur, um ein paar Minuten früher am Ziel zu sein.

Oft warst du gezwungen, deine Rechte mit Klauen und Zähnen zu verteidigen, um dich auf der Straße durchzusetzen mit deinem Fahrrad ohne anderen Antrieb als deine Muskelkraft. Aber die Gemeinheit, von hinten überfahren zu werden, hast du nicht erwartet. Auch wir hätten nicht geglaubt, dass du unter die Räder eines Autos kommst auf der Via dei Fori Imperiali. Wir wollen die Wahrheit und Gerechtigkeit für Eva!"

Rom 4
Appelle an Autofahrer und Behörden. Foto: P. Schulze

Der Text des zweiten kleinen Plakats wendet sich direkt an die Autofahrer mit der Überschrift "Rallenta!!" Das heißt soviel wie "Fahr langsamer!!" und weiter heißt es:"Fast jeden Tag stirbt ein Mensch, der von einem Auto erfasst wurde. Ein Zusammenstoß bei 50 km/h ist für Fußgänger oder Radfahrer immer tödlich. Durch dein Tempo kannst du ein Leben zerstören und dein Leben für immer ruinieren. Wenn du langsamer fährst, kann das den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen. Wenn du unachtsam am Steuer bist, kannst du zum Mörder oder zur Mörderin werden. Du kannst einem Menschen Schaden zufügen, ohne es zu wollen." Dann heißt es noch einmal: "Langsamer fahren!!" und weiter: "Eva war 28 Jahre alt und ist ums Leben gekommen auf der Via dei Fori Imperiali in der Nacht vom 29. zum 30. Oktober 2009. Sie fuhr mit dem Rad. Sie wurde von einem Auto überfahren. Das passiert oft. Es müsste aber nie passieren. Er darf einfach nicht mehr passieren. Ein Jahr ist jetzt vergangen. Weitere Fußgänger und Radfahrer sind uns Leben gekommen. Das Versagen der Behörden ist offenkundig: Keinerlei Vorsorge, dass grundlegende Regeln eingehalten werden wie Geschwindigkeitsbegrenzungen an Fußgänger-Übergängen. Auch auf neuen Straßen fehlen Radwege, wie sie vom Gesetz vorgeschrieben sind. Nichts wurde zugunsten der Radfahrer im Verkehr unternommen. Keinerlei Maßnahmen, um den Individualverkehr mit Kraftfahrzeugen zu drosseln."

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Traueranzeigen (Februar 2011).
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