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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Die Cholera 1892 in Hamburg – Massenhafter Tod und (k)ein Gedenkstein

Es war Mitte August im außergewöhnlich heißen Sommer 1892, als Erreger der Asiatischen Cholera elbaufwärts nach Rothenburgsort schwappten, um dort mittels Pumpen ins Hamburger Wasserleitungsnetz zu gelangen.

Im Nu breitete die Krankheit sich aus und steckte 16.596 Hamburger an, 8.605 starben. Davon wurden etwa 8.500 auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt. Betroffen waren vor allem die Menschen am Hafen in den Gängevierteln der Kirchspiele St. Michaelis und St. Jacobi, die dort unter mangelhaften hygienischen Verhältnissen lebten. Zunächst, auch aus Furcht vor handelsschädigenden Quarantänemaßnahmen, nahm der Senat in Bezug auf Maßnahmen gegen die beginnende Cholera eine abwartende Haltung ein. Erst sechs Tage nach Ausbruch wurde die Bevölkerung gewarnt und über nötige Verhaltensmaßregeln belehrt. Zehn Wochen lang wütete die Epidemie, bis zum 30. Oktober war die Grenze nach Altona gesperrt, und erst am 16. November wurde die Stadt amtlich als seuchenfrei erklärt.

Bereits 20 Jahre zuvor war die schlechte Qualität des Trinkwassers bemängelt worden. Das projektierte Filtrierwerk der Stadtwasserkunst war immer noch nicht vollendet. Als Sündenbock der Epidemie galt der Medizinalrat Kraus, der angeblich die Lage nicht früh genug erkannt hatte. Ein Gedenken an die vielen Opfer fand nicht statt. Nur die Gräber bei Kapelle 4 auf dem Ohlsdorfer Friedhof verblieben als Ort der Trauer und des Erinnerns. Nach Ablauf der 20jährigen Ruhezeit wurden sie jedoch eingeebnet und später wieder belegt. Nur zwei Jahrzehnte lang konnten sie in aller Deutlichkeit, und nur hier, die furchtbaren Folgen der Epidemie sichtbar halten. Nun gab es nichts mehr in Hamburg, das auf die Cholerazeit hinwies.

Nach 100 Jahren nahm sich dann die Patriotische Gesellschaft von 1765 des Themas an und stiftete einen Gedenkstein, der in unmittelbarer Nähe zu den ehemaligen Grabfeldern, direkt am Fußweg der Cordesallee aufgestellt wurde. Auf den Tag genau 100 Jahre nach dem Ausbruch der Epidemie, am 22. September 1992, übergab Senatorin Traute Müller den Gedenkstein an den Friedhof. Er besteht aus einem historischen Grabmal, das nachweislich mit einer Reliefplatte des damals auf dem Friedhof wirkenden Bildhauers Cäsar Scharff geschmückt war.

Cholera-Gedenkstein
Gedenkstein für die Opfer der Cholera-Epidemie an der Cordesallee auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Foto: P. Schulze

In Kooperation mit der Patriotischen Gesellschaft ließ der Förderkreis Ohlsdorfer Friedhof e. V. gleichzeitig an der nahegelegenen Gärtnermeisterei Ringstraße eine Erinnerungstafel anbringen. Der Vorgängerbau, die sogenannte "Schwarze Bude", war nämlich das Unterkunftsgebäude für die über 250 Friedhofsarbeiter, die in geteilter Tag- und Nachtschicht unentwegt die Toten ordnungsgemäß, neben einander und in Doppelreihen, bestatten mussten. Nur diesen beiden Privatinitiativen ist es zu verdanken, dass in Hamburg öffentlich an die Choleraopfer erinnert wird.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Memorials auf Friedhöfen (Oktober 2010).
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