Direkt zum Inhalt

OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Der Wettbewerb für das Linne-Denkmal

Idee und Vorbereitung
Vor ungefähr drei Jahren äußerte ich meine schon lange gehegte Idee, dem genialen Schöpfer des "neuen" Teiles des Ohlsdorfer Friedhofes, dem ersten Gartendirektor Hamburgs, Otto Linne, ein Denkmal setzen zu lassen.

Im Vorstand des Förderkreises Ohlsdorfer Friedhof e.V. wurde dieser Vorschlag begrüßt und Vorstandsmitglied Helmut Schoenfeld bot spontan seine Mitarbeit an. Wir hatten damals nichts außer der Idee. Wohin das Denkmal, in welcher Art es und das historische Umfeld zu gestalten sowie der Künstler zu ermitteln sei, wie der Friedhof überzeugt werden sollte und vor allen Dingen, wie das Ganze finanziert werden könnte: Fragen, die zu lösen waren. Eine erste Begehung mit dem damaligen Friedhofsleiter, Jan Gawryluk, brachte das erfreuliche Ergebnis – die Zustimmung der Geschäftsführung vorausgesetzt – dass der Friedhof diesem Projekt sehr positiv gegenüberstehe. Er werde es sogar im Rahmen seiner Möglichkeiten unterstützen, so zum Beispiel mit der Rekonstruktion der Bepflanzung am so genannten Z-Teich. Der Förderkreis hatte nämlich inzwischen eine gartendenkmalpflegerische Untersuchung der Linneschen Gartengestaltung im Bereich der Grabstätte Linne vorlegen können. Die Auswahl des genauen Standortes für das Denkmal sollte den Künstlern überlassen bleiben, eine ebenso kluge wie sinnvolle Haltung. Wir beide machten uns an die Arbeit und überlegten in vielen Gesprächen das weitere Vorgehen. Wir empfahlen, einen Wettbewerb zu veranstalten, nicht wissend, mit wieviel Arbeit ein solches Projekt verbunden sein würde.

Der Wettbewerb

Der Vorstand entschied sich daraufhin für einen so genannten zweistufigen Wettbewerb, und er sollte bundesweit ausgeschrieben werden. Zweistufig bedeutet, dass in der ersten Stufe der Entwerfer seine Idee lediglich in skizzierter Form darzustellen hätte. Erst die Gewinner dieser ersten Stufe – wir hatten uns auf fünf verständigt – sollten in der nun folgenden zweiten Stufe den Entwurf durch Modelle, Materialproben, Vorlagen zur Versetztechnik, gegebenenfalls statischen Nachweis, Kostenermittlung für Ausführung, Künstlerhonorar usw. detailliert darstellen. Gemeinsam mit dem Berufsverband bildender Künstler in Hamburg haben wir den Ausschreibungstext ausgearbeitet und sowohl im Internet als auch in Fachzeitschriften veröffentlicht. Wichtig war auch die Zusammensetzung der Jury, immerhin sollte der Wettbewerb durchaus professionellen Kriterien standhalten. Wir entschieden uns neben den Vorstandsmitgliedern Mauss, Schoenfeld und Hammond-Norden für den Friedhofsleiter, den Gartendenkmalpfleger in der Umweltbehörde, eine Vertreterin der Kulturbehörde und zwei freischaffende Künstler aus den Reihen des Bundesverbandes, eine sehr gute Mischung aus Fachleuten, interessierten und engagierten Laien, wie sich herausstellen sollte. Mit einiger Spannung erwarteten wir den Eingang der Wettbewerbsbeiträge. Insgesamt 25 Entwürfe gingen ein, unsere Erwartung war einigermaßen richtig.

Das Ergebnis – die Preisträger

Eine Jurierung ist ein durchaus spannendes Event, für den Auslober allemal, den Friedhofsträger sowieso und besonders für die Entwerfer. Pünktlich versammelt und konzentriert wurden die zuvor von uns aufgehängten Vorschläge besichtigt und begutachtet. Jeder Entwurf wurde einzeln bewertet, der Begleittext verlesen und danach grob diskutiert. Nach diesem ersten, der Orientierung dienenden Durchgang begann das eigentliche Auswahlverfahren. In mehreren Durchgängen konnten die besten Beiträge die meisten Stimmen der Juroren auf sich vereinigen, am Ende standen die fünf Teilnehmer für die zweite Stufe fest: Eine Dame, drei Herren und eine Gestaltergruppe konnten sich qualifizieren. Ein Teilnehmer aus Berlin, einer aus Stuttgart und drei aus Hamburg waren jetzt dabei. Die nächste Stufe der Jurierung wurde auf Anfang Dezember 2006 festgelegt, mit dem Ziel, einen ersten und einen zweiten Preis zu vergeben. Es kam jedoch anders. Die Mitglieder der Jury, bis auf zwei Teilnehmer in gleicher Besetzung wie bei der ersten Veranstaltung, machten es sich nicht leicht. Intensive Diskussionen um jeden Entwurf gingen den Abstimmungen voraus. Am Ende konnten zwei Entwürfe gleich viele Stimmen auf sich vereinigen. Auch ein letzter Durchgang ergab ein Patt, so dass die Jury einstimmig beschloss, zwei erste und keinen zweiten Preis zu verleihen. Die Preisträger sind nun, ohne Wertung und in alphabetischer Reihenfolge: Andreas Oldörp sowie tv-p.design.group, beide aus Hamburg.

Der Entwurf von Andreas Oldörp

Nur "Otto Linne zum Gedenken" betitelt der Künstler sein Werk. Genauso bescheiden, fast introvertiert gibt es sich, und es lässt tatsächlich auch eine philosophische Deutung zu. Zwei Bezugspunkte zu Otto Linne sind deutlich erkennbar: sowohl der Standort, der geschickt gewählt, sich genau in dem Schnittpunkt zweier Sichtachsen, der Nord-Süd-Achse – von der großen, abfallenden Wiese zum "T-Teich" – und der West-Ost-Achse zum Grabmal Linnes verläuft, nämlich genau im Wasser des T-Teichs. Zum anderen ist der auf dem Wasser "schwebende Stein" Oldörps, ein auf das Minimum reduziertes prismatisches Gebilde, ein steinerner, quadratischer Klotz beträchtlichen Ausmaßes, eine legitime Nachfolge Linnescher (Garten-)Architektur. 2,4 Meter im Quadrat soll er werden, der Stein, aus einem wetter- und frostfesten Naturstein bestehen und dabei 60 cm dick sein, fest ruhend auf einem im Wasser erstellten Fundament. In Nord, Ost, Süd und West liegen vier weitere quadratische Steine, mit gleichen Dimensionen, allerdings im Wasser, die Oberkante der Steine nur zwei Millimeter unter der Wasseroberfläche. Man soll sie betreten können, diese vier im Wasser fast versunkenen Steine, auf den schwebenden Stein zugehen können, möglicherweise nachsehen, ob und warum er "schwebt", in jedem Falle aber, um die in den mittleren Stein tief eingravierte Schrift "OTTO LINNE", die in Form seiner Unterschrift gezeichnet wurde, zu betrachten. Oldörp selbst sagt in seinem Begleittext unter anderem dazu: "... Der Gedanke dabei ist, die Gestaltungsarbeit Linnes in den charakteristischen Aspekten der Umgebung – und in diesem Zusammenhang auch sein Grab – auf den Sockel zu heben ..."

Ein stiller, ernst zu nehmender Entwurf, der es verdient, beachtet zu werden. Allerdings, das gilt auch für den nachfolgenden Entwurf, sollte für das interessierte Publikum an geeigneter Stelle, eine Tafel mit erklärendem Text installiert werden.

Der Entwurf von tv-p.design.group

Hinter diesem etwas sperrigen Namen verbergen sich natürlich Menschen: Sebastian Post, Johannes Weisser und Jan Hoffmann heißen die drei kreativen Köpfe, die sich die "attributlose" Skulptur ausgedacht haben. In der Tat wirkt die Arbeit auf den ersten Blick unnahbar, fast abweisend. Doch dieser Eindruck täuscht: viele Bezugspunkte lassen die Affinität zu Linne erkennen. Auf dem dammartigen Weg, der den T-Teich vom Z-Teich trennt, soll sie stehen, die Skulptur: Vier schmale, 2,8 Meter hohe Pfeiler aus Obernkirchner Sandstein (ein von Linne bevorzugtes Material) stehen hinter einer mit Sandstein ausgelegten Fläche. An der anderen Seite des Weges, liegt ein flacher Sandsteinriegel, (in ähnlicher Dimension wie einer der Pfeiler) der zum Sitzen und Sinnen einlädt. Sieht man durch die Pfeilerplastik hindurch, erkennt man im Fokus des mittleren Zwischenraumes in der Ferne das Grabmal Linnes. In den Natursteinboden wird der Name "Otto Linne" eingearbeitet. Um eine gewisse Leichtigkeit der recht mächtigen Pfeiler zu erzeugen, stehen sie auf einem umlaufenden Falz. Auch wird eine senkrecht verlaufende Nute in die breiteren Seiten der Pfeiler eingearbeitet.

Die detaillierte, äußerst beachtliche Objektbeschreibung der Entwerfer möchte ich auszugsweise zitieren – in tuto ist sie nachlesenswert, besonders was die Wechselwirkung zu dem Cordesdenkmal betrifft: "... Als moderner Gartenreformer bricht er (Linne) mit den Vorstellungen Cordes‘ und erweitert den Landschaftspark als ein rational angelegtes Areal mit eindeutigen Sichtachsen ... Ein Denkmal für Otto Linne darf als Erinnerungselement nicht seine Person in den Vordergrund stellen, sondern sein Werk ... Vier Sandsteinstelen, die den Friedhofskenner an das Portal im Rosengarten erinnern, stehen auf dem Übergang des Kanals. Anders als das Denkmal für Cordes besitzen die Stelen eine abstrahierte Form. Keine vegetabilen Reliefs, keine figürlichen Darstellungen sind vorhanden ... der Querbalken fehlt ..." Wir sehen hier einen sensibel konzipierten, klug durchdachten Entwurf, der uns einmal mehr das Werk Linnes deutlich macht.

Wie geht es weiter – was wird kommen?

Nach Abschluss der eigentlichen Wettbewerbsphase hat sich der Wettbewerbsausschreiber noch einmal zusammengesetzt, um den endgültigen Gewinner des Wettstreits zu ermitteln. Die Entscheidung fiel auf den Entwurf von tv-p.design.group. Obwohl der Entwurf von Oldörp mit seiner Lage im Schnittpunkt zweier Sichtachsen ein Höchstmaß an Aussagekraft eines Denkmals für Linne darstellt und eine Steigerung wohl kaum möglich ist, sprachen die Umsetzbarkeit, die Erlebbarkeit für den Friedhofsbesucher und die Verkehrssicherheit, aber auch die Kosten für den Entwurf von tv-p.design.group.

Unabhängig davon haben wir begonnen, mögliche Sponsoren anzuschreiben, um Spenden einzuwerben, denn eine Realisierung ohne Sponsorengelder ist uns als Förderkreis nicht möglich. Zunächst sind wir guter Hoffnung. Sofern ausreichend Gelder zusammen kommen, werden wir schnellstmöglich den Auftrag vergeben, mit dem Ziel, das Denkmal am "Tag des Friedhofs" im kommenden September einweihen zu können. Fest steht schon jetzt, dass an diesem Termin alle eingereichten Entwürfen in einer Ausstellung der Öffentlichkeit vorgestellt werden sollen.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Otto Linne der Reformer (Mai 2007).
Erkunden Sie auch die Inhalte der bisherigen Themenhefte (1999-2024).