Direkt zum Inhalt

OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Otto Linne, ein Gartenkünstler und Funktionalist

Linne und die neue Gartenkunst
Vor 70 Jahren, am 4. Juni 1937 verstarb Otto Linne, der erste Garten- und Friedhofsdirektor Hamburgs und Schöpfer der östlichen Erweiterung des Friedhofs Ohlsdorf, des sogenannten Linneteils.

Linne war einer der zeitgenössischen Gartenkünstler, die sich an der Wende zum 20. Jahrhundert mit den Reformbestrebungen in der Gartenkunst auseinandersetzten. So äußerte er sich als junger Gartendirektor von Erfurt zur Umgestaltung des Vereins deutscher Gartenkünstler VdG in die Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst DGfG 1903 vereinsintern erstmals kritisch zur vorherrschenden Gartenkunst. Seinem Vortrag "Unsere Stellung zur heutigen Gartenkunstbewegung" folgten weitere in der Öffentlichkeit. Mit Linne wuchs eine Generation von Gartenkünstlern heran, die sich der neuen Gartenkunst öffneten und sie auch in der Gestaltung von Friedhöfen umsetzten. Linne war wie Erwin Barth und Harry Maasz aus Lübeck, um zwei bekannte Namen aus Norddeutschland zu nennen, in der Gärtnerlehranstalt Wildpark-Postdam Schüler von Fritz Encke, des späteren in der Fachwelt weithin bekannten Gartendirektors von Köln.

Linne, der Anwalt des sozialen Grüns

Linne, am 2. Dezember 1869 in Bremen geboren, wirkte nach seiner Ausbildung von 1894 bis 1899 als Stadtobergärtner in Magdeburg, wo er sich beruflich jedoch unterfordert fühlte. Daraufhin bewarb Linne sich für die ausgeschriebene Stelle des Stadt-Gartendirektors in Erfurt. Die Zeit von 1899 bis 1908 wurde für sein berufliches Schaffen eine erfolgreiche. Für sein neues Tätigkeitsfeld musste er zunächst einen eignen Verwaltungsapparat für die neueingerichtete Gartenverwaltung aufbauen. Auf seinen Vorschlag hin wurden die Friedhöfe in städtische Regie überführt.

Auch in seiner Zeit von 1908 bis 1913 als Gartendirektor in Essen baute Linne für das Gartenwesen in kurzer Zeit einen eigenständigen Verwaltungsapparat nach seinen Vorstellungen auf. Intensiv befasste er sich mit Friedhofsplanung und entwickelte Gestaltungsgrundsätze, die er später auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg im großen Stil verwirklichen konnte. In den wenigen Essener Jahren schuf er im Zusammenwirken mit dem Beigeordneten der Stadt, Robert Schmidt, die "Bausteine" einer grünen Stadt, auf die sein Nachfolger im Amt mit Erfolg bauen konnte.

Als eine der letzten Städte in Deutschland beschloss im April 1913 die Stadt Hamburg, ein eigenständiges Amt für das Gartenwesen einzurichten. Unter den 55 Bewerbern war auch Linne, der sich in seiner Bewerbung insbesondere auf seine Tätigkeit in Essen berief und folgende Gesichtspunkte in den Vordergrund stellte: "... die allgemeine Bildung, den technischen Bildungsgang, die praktische Tätigkeit und die Leistungen des Bewerbers auf gartenkünstlerischem Gebiete. Besonderer Wert werde darauf zu legen sein, dass der Bewerber Gelegenheit gehabt habe, sich verwaltungstechnische Kenntnisse anzueignen und ein größeres Personal zu leiten." Die Fachwelt hatte ein großes Interesse zur Gewinnung einer geeigneten Person, so schrieb die Bau-Rundschau: "Es wird darum im erhöhten Maße darauf ankommen, für die Stellung eine allgemein künstlerisch gebildete Persönlichkeit zu finden, die über die Grenzen des engen Fachgebietes hinaus die Aufgaben des modernen Städtebaues, wie wir sie in diesem Blatte pflegen und weiter pflegen werden, zu erfüllen vermag."

Die Wahl fiel auf Linne, der am 1. Januar 1914 seine Tätigkeit als Gartendirektor aufnahm. Wiederum war die Schaffung einer selbstständigen Dienststelle des Gartenwesens zu organisieren. Gartenkünstlerisch befasste er sich zunächst mit der gärtnerischen Gestaltung von Sondergärten im fast fertig gestellten Winterhuder Stadtpark. Dann erfolgte eine Unterbrechung durch seinen Kriegsdienst, in dem er jedoch brieflichen Kontakt zu seiner fachlichen Heimat pflegte.

Die eigentliche Schaffensperiode Linnes begann damit erst 1918. In der nachfolgenden Zeit erarbeitete Linne die planerischen Voraussetzungen für die Umgestaltung und Neuanlage einer Vielzahl von öffentlichen Grün- und Freiflächen und setzte diese anschließend mit dem von ihm aufgebauten Verwaltungsapparat "Gartenwesen" um. Die Schaffung von "sozialem Grün" und "benutzbaren Einrichtungen" – insbesondere für die minderbemittelten Bevölkerungsschichten – waren erklärte Planungsziele. Zu jener Zeit urteilte Fritz Encke, Gartendirektor von Köln und Linnes ehemaliger Lehrer an der Gärtner-Lehranstalt: "Es gibt wohl keine Großstadt in Deutschland, die nicht bemüht wäre, ihre Grünanlagen den neuzeitlichen Bedürfnissen anzupassen. Ich kenne jedoch keine, die beim Ausbau ihres öffentlichen Grüns den sozialen Erfordernissen besser gerecht wird, als die Stadt Hamburg." In der Dissertation aus dem Jahr 2000 von Elke von Kuick-Frenz zum Thema "Otto Linne – Anwalt des sozialen Grüns" wird zusammengefasst: "Mit der Pensionierung Otto Linnes 1933 endete eine fruchtbare Phase der Gestaltung von Grünanlagen, die immerhin 250 ha neue Grünflächen hinterließ." Ein Großteil der Anlagen besteht heute noch und erfüllt die ihnen einst zugedachten Bestimmungen.

Linne und die Friedhofsreform

Zu den Leistungen Linnes in Hamburg gehört auch die 200 ha große Erweiterung des Friedhofs Ohlsdorf nach dem Ersten Weltkrieg. Der neue Gartendirektor war ein unnachgiebiger Verfechter der Friedhofs(kultur)-Reformbewegung am Anfang des 20. Jahrhunderts, die bestrebt war, eine grundlegende Reform der Friedhofsgestaltung im Sinne der neuen Gartenkunst einzuleiten und sich dabei von der Ästhetisierung der Friedhöfe in Form künstlich geschaffener, landschaftsparkähnlicher Friedhöfe abwandte.

Prökelmoor
Entwurfsplan Prökelmoor / Inselteich (Foto: Archiv Förderkreis)

Nachdem Linne 1919, zunächst kommissarisch, auch die Funktion eines Friedhofsdirektors übernahm, erfolgte eine gewaltige Zäsur in der gartenkünstlerischen Entwicklung dieses bedeutenden Friedhofs. Linne schuf einen architektonischen Friedhof, der gekennzeichnet ist durch ein strenges, barockes Achsensystem, durch imponierende Perspektiven und Raumfolgen und durch die Einfügung boskettartiger Grabfelder in diesem Rahmen.

Bereich Kapelle 12
Entwurfsplan für den Bereich der Kapelle 12 (Foto: Archiv Förderkreis)

Das Leitprinzip seiner Planung, das ganz und gar den Friedhofsreformbestrebungen und der neuen Gartenkunst entsprach, hat Linne später in einem Aufsatz der Zeitschrift Friedhofskunst wie folgt zusammengefasst:

  1. Eine Anlage in regelmäßiger Orientierung der einzelnen Grabfelder und Reihen in Ost-West- bzw. Nord-Südrichtung, wobei besondere Gebiete Ausnahmen bilden.
  2. Aufteilung des Gebietes in eine Anzahl kleiner Friedhofsgruppen, die wiederum in einzelne Räume gegliedert werden.
  3. Schaffung von kleinen Gartenfriedhöfen und Friedhofsgärten mit reichem Blumenschmuck und blühenden Bäumen. Berücksichtigung von altem Baumbestand und Knickbepflanzungen.
  4. Abschottung der Grabquartiere gegen die Verkehrsstraßen.
  5. Der Friedhof ist zur Aufnahme von Gräbern bestimmt. Das einzelne Grab ist also die Einzelzelle, und aus der Zusammensetzung dieser Einzelzellen muss notwendig der Friedhof gebildet werden. So ergibt sich die Grabreihe, das Grabquartier.
  6. Räumliche Begrenzung, leichte Auffindbarkeit und Gestaltung in übersichtliche Räume sind Bedingungen für die Anlage der Grabquartiere.
  7. Möglichst guter, ruhiger und friedlicher Platz für das Einzelgrab.
  8. Vermeidung von öden und langen Grabreihen und massigen Grabfeldern wie im Cordesteil.
  9. Bildung von Grabgemeinschaften durch Beschränkung der Anzahl von Gräbern durch Zwischenpflanzungen von Hecken und blühenden Sträuchern. Vermeidung trostlos wirkender Gräberfelder.
  10. Entweder "Kopf-an-Kopf"-Bestattungen mit Hinterpflanzungen der Grabsteine oder "Kopf-an-Fuß"- Bestattungen in kleinen Feldern oder kurzen Wegstücken.
  11. Identifizierung der Einzelfriedhöfe und der Grabquartiere durch bestimmte einheitliche Bepflanzungen.
  12. Unterbringung von größeren Familiengräbern in den für die Schaffung sogenannter Raumwände notwendigen Bepflanzungen und Durchmischung der Einzelfriedhöfe mit verschiedenen Arten von Gräbern.
  13. Schaffung von Orientierungspunkten vor allem durch markante Brunnenanlagen mit Ruheplätzen, zum Teil größere Schöpfbrunnen.
  14. Anlage von Aschengrabgärten mit eigenen Brunnenanlagen anstelle der früher angelegten Urnenhaine.
  15. Gewichtung der Grabquartiere, der Einzelfriedhöfe und vor allem des Einzelgrabmals und dadurch bedingte Einflussnahme auf die Grabmale in Größe, Form und Farbe.
  16. Durchführung einer Grabmalreform.

Linne und die Grabmalreform

Gleichzeitig beschäftigte sich Linne eingehend mit der Reform der Grabmalkultur nicht nur auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Sein Wirken reichte weit über die Grenzen Hamburgs hinaus, wurde aber anfänglich von Handwerk und Industrie abgelehnt.

Vorbildliche Grabsteine
Vorschläge des Friedhofskulturdienstes für vorbildliche Grabsteine, 1927 (Foto: Archiv Förderkreis)

Er hat dabei um seine Ziele derartig gekämpft, dass es zu einem von ihm selbst beantragten Disziplinarverfahren kam, das zu seinen Gunsten entschieden wurde. "Bereits 1923", so seine Worte "trat der Künstlerrat in einer Eingabe an den Senat warm für meine Arbeit ein." Er fand nicht nur Unterstützung durch den Künstlerrat Hamburg, auch der Bund deutscher Architekten und der Verein Heimatschutz im Hamburgischen Staatsgebiet, drei einflussreiche Vereinigungen in dieser Zeit, unterstützten sein Vorhaben. Im Ergebnis wurde eine Grabmalberatungsstelle eingerichtet, aber auch Gestaltungsvorschriften erlassen. Beispiele aus jener Zeit finden sich auf dem Friedhof noch zahlreich, einige sind vor dem Friedhofsmuseum zur Schau gestellt. Wie einem Zeitungsbeitrag aus der Zeit um 1925/26 zu entnehmen ist, würdigte der Verfasser "...Linnes Vorschriften als Kulturtat ..." und schließt mit den Worten "Jedenfalls darf man zu dem jetzigen kommissarischen Friedhofsdirektor Linne, der die Verdienste seines großartigen Vorgängers neidlos anerkennt, das Vertrauen haben, dass er der Cordes’schen Schöpfung eine gleichwertige gegenüberstellt."

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Otto Linne der Reformer (Mai 2007).
Erkunden Sie auch die Inhalte der bisherigen Themenhefte (1999-2024).