Anders als man es vielleicht vermutet, sind technische Motive keine Seltenheit auf Grabstätten; nach 1920 erscheinen sie, beispielhaft auf dem Ohlsdorfer Friedhof, immer öfter im Hamburger Raum und meist in der besonderen Form von Fahrzeugen.
Die schönsten Exemplare, unter anderem Schiffe und Flugzeuge, sind vor allem in den 1930er- und 1940er-Jahren entstanden – in einer Zeit, in der die klein- und mittelbürgerlichen Schichten mit großer Begeisterung dem Fortschritt entgegensahen. Aber auch später und bis heute noch finden sich Motive der Technik in der Grabmalkunst. War damals der Bezug hauptsächlich beruflich und militärisch, wird heute oft eher ein Lieblingsobjekt dargestellt, das besonders an den Verstorbenen erinnert.
I. Motorschiffe
Durch die unmittelbare Nähe der Stadt Hamburg zum Wasser – Alster und Elbe, Ostsee und Nordsee – kommt die Schiffsdarstellung unter den Fahrzeugreliefs auffallend häufig vor. Wenn das Schiff allgemein als eine Metapher für die Jenseitsreise zu verstehen ist, gilt dies überwiegend für das Segelschiff. Motorschiffe auf Grabsteinen sind insgesamt mehr berufsbezogen. Sie kennzeichnen hauptsächlich Grabstätten von Kapitänen, aber auch von Schiffbaumeistern, Schiffmaschineningenieuren, Hafenlotsen oder Schiffseignern. Die zunehmende Technisierung des Schiffbaus und -verkehrs lässt die Darstellung weniger romantisch, dafür nüchterner und realistischer werden. So erkennt man leicht große Ozeandampfer, Handels- oder Kriegsschiffe und, vor allem, kleine Frachtschiffe und Motorboote, Schleppkähne und Barkassen, Schlepper und nicht zuletzt auch Alsterdampfer.
- Schiffsdarstellungen auf den Grabmalen Hartje und Karstens (Foto: Behrens)
In Ohlsdorf begegnet man vielfach solchen Darstellungen: zum Beispiel einem Schlepper in barocker Einfassung auf dem Grabmal Hartje von 1937 (Grablage AF 33), einem Frachter auf den drei Grabstätten Karstens von 1940, Kehr von 1942 und Wilke von 1953 (jeweils Grablage Z 27, W 12 und Bw 61) oder einem großen Ozeandampfer für die Kapitäne Karl Lübbe (1938, S 22) und Bruno Majewski (1939, U 10) wie auch für den "Fähnrich zur See" Rudi Arndt (1940, W 15). Ein Grabstein mit einem schönen Hochseedampfer steht auch auf der Musealanlage direkt vor dem Ohlsdorfer Museum.
- Schiffsdarstellungen auf den Grabmalen Wilke und Lübbe (Foto: Behrens)
Oft detailgetreu bis zur Radaranlage werden einzelne Schiffe dargestellt, die mit Namen versehen sehr genau zu erkennen sind, wie der Alsterdampfer "Sielbek" beim Grabmal Heinsohn von 1953 (Bw 61), die Barkasse "Mien Lütten" für Heinrich Liepp (1955, AA 29) oder der Schlepper "Constant" für Theo Fromm, der wohl Hafenlotse gewesen ist (2003, V 15).
- Hafenfahrzeuge auf den Grabmalen Liepp und Fromm (Foto: Behrens)
Wie hier festzustellen ist, sind Motorschiffe heute nach wie vor beliebt. Bei den modernen Grabmälern werden sie seltener als Halbrelief aus dem Stein herausgearbeitet, sondern ihre Umrisse werden leicht hineingeritzt oder aus Metall angefertigt.
II. Flugzeuge
Das wohl älteste Bild eines Luftfahrzeuges auf dem Ohlsdorfer Friedhof befindet sich auf einem Grabmal von 1914, vermutlich von Wilhelm Cordes entworfen. Es stellt für den Kapitänleutnant Hanne, der das erste Marineluftschiff führte, einen Zeppelin dar, der auf die Insel Helgoland zufliegt. Übrigens ist auch ein modernes Exemplar beim Grabmal Puzicha von 1997 zu sehen (K 14). Dennoch sind es Flugzeuge, die in verschiedenen Formen am häufigsten anzutreffen sind – besonders innerhalb der nationalsozialistischen Ära zwischen 1935 und 1944, aber ab und zu auch später.
- Luftschiff bzw. Zeppelin auf den Grabmalen Hanne und Puzicha (Foto: Behrens)
Flugzeuge stehen auf Gräbern von Segelfliegern, die sich im Ersten Weltkrieg und danach selber als "Ritter der Lüfte" betrachteten, wie beim Grab Marwede von 1935 (W 10); von Fluglehrern, so bei den beiden Grabstätten Meyer von 1938 (G 12) und Nagel von 1937, hier mit der zusätzlichen Inschrift "Sein Ziel" (AD 6); von Flugzeugführern, wie beim Grabmal König von 1939 (V 15) und außerdem von Flugkapitänen und Angehörigen der Luftwaffe.
Dabei kommen die verschiedensten Flugzeugtypen vor: zum Beispiel die präzis skizzierte Junkers 52 eines Flugzeugführers beim Grabmal Leibrock von 1937 (O 8) – die "Tante Ju", die gerade am 6.4.2006 ihren 70. Geburtstag mit einem Flug über Hamburg feierte; oder die einmotorige Propellermaschine auf dem Grabmal Meyer von 1938 (G 12), der einmotorige Doppeldecker auf dem Grabmal Bergold, der 1940 "den Fliegertod starb" (W 16) oder der dreimotorige Heinkel-Bomber mit Hakenkreuz und Flugzeugnummer des "Kampf-Flieg.-Utffz." Curt Sommer von 1940 (U 11).
- Flugzeugdarstellungen auf den Grabmalen Sommer und Leibrock (Foto: Behrens)
Sehr gut lassen die moderneren Versionen Segelflugzeuge (Grabmäler Haschke von 1985 in S 14, und Zahlten, 1998 in Bo 70), Sportflugzeuge (Garbusinski, 1990 in W 34), einen großen Luftverkehrsflieger der heutigen Zeit wie einen Airbus beim Grab Gehrken von 1991 (AA 5) oder ein stilisiertes Düsenflugzeug mit vier Triebwerksgondeln auf dem Grabstein Pitzka von 2001 (AE 46) erkennen. Eine besondere Attraktion findet man in Form eines riesigen echten Propellers vor der Grabstätte Scheibner von 1975 (Bs 71).
- Flugzeugpropeller am Grabstein Scheibner (Foto: Behrens)
III. Landfahrzeuge
Die 1930er- und 1940er-Jahre bieten in dieser Sparte wenige, dafür wunderbare Darstellungen, speziell mit Eisenbahn- und Personenwagenmotiven. Mindestens fünf schöne Eisenbahnmotive zählt Ohlsdorf noch heute, so auf der musealen Anlage beim Friedhofsmuseum der Grabstein Menge von 1939 oder die spielzeugähnliche Lokomotive auf dem Grabmal Hinsch von 1941 (Bi 66). Meist ist ein beruflicher Bezug vorhanden wie zum Beispiel beim Grabmal des Lokführers Gervers von 1942 (PA 6).
- Eisenbahndarstellungen auf den Grabmalen Hinsch und Gervers (Foto: Behrens)
In den jüngeren Versionen wird die Parallele zum Schiff betont, sowohl durch das Dampfen der Lokomotive als auch mit Zusätzen wie "Die letzte Fahrt" beim Grabmal Fiege von 1969 (Bw 62) oder "Goode Fohrt!" auf Plattdeutsch beim Grabmal Gregun von 1984 (Z 8).
- Eisenbahndarstellungen auf den Grabmalen Fiege und Gregun (Foto: Behrens)
Bei den Personenwagen fängt die technische Note schon mit einem Lenkrad an, so auf dem Pfeiler Preisler von 1937 (U 5). Gelegentlich trifft man auch mit Freude auf wenige echte "Oldtimer" wie einen DKW – dem Deutschen Kraftwagen, aber auch übersetzt als "Des Knaben Wunsch" oder "Das Kleine Wunder", heute Audi – am Grabmal Schmädeke von 1939, das am Nordring bei Kapelle 7 in Ohlsdorf steht und heute ganz hinter Rhododendren versteckt ist (AG 24, 255). Liebhaber dürfen sich über die übriggebliebenen Exemplare freuen, über das schöne Fahrzeug auf dem Grabmal Steinert (1942, Y 17), ebenso wie auf den alten BMW 321 von Ruth Lohmann, geboren im Jahre 1936, auf dem Bergedorfer Waldfriedhof.
- PKW-Darstellungen auf den Grabmalen Schmädeke und Lohmann (Foto: Behrens)
Im Geist der Zeit sind solche "Oldies" wie der Opel beim Grabmal Müller von 1937 zum Beispiel mit dem Satz "Arbeit und Streben war dein Leben" eingerahmt, wiederum in Ohlsdorf (AE 33). Ebenfalls dort werden zwei andere Personenwagen der Firma Adler von vorne dargestellt und von einem Adler gekrönt, bei den Grabstätten Dorwerk von 1942 (V 12) und Meyer von 1938 (Bq 73) – hier mit einem Schraubenschlüssel, beides zusammen bildet das typische Symbol der um 1934 gegründeten Reichs-Kraftfahrzeug-Innung. Zu dieser Gruppe könnten auch der Panzer auf dem Grabmal Zaps von 1942 (AE 13) sowie der – wohl einmalige, auf unserem Titelblatt abgebildete – Motorradfahrer auf dem Pfeilergrab Kleve von 1939 (Bk 55) dazu gerechnet werden.
- Ein Motorrad auf dem Grabmal Hajek und ein Panzer beim Grabmal Zaps (Foto: Behrens)
Die Darstellungen sehen Jahrzehnte später etwas anders aus – etwa ein VW-Käfer (das erste ersehnte Auto nach dem Krieg?) beim Grab Elfers von 1980, ein Lastwagen beim Grab Strichow von 2002 (AA 44) oder ein Fahrrad beim Grab Quellmalz von 1993 (V 12). In Öjendorf erkennt man ein Motorrad (eine Harley Davidson?) auf dem Grab Hajek von 1997, etwas weiter auf dem Grab Stey einen kleinen Reisebus auf einer Weltkugel, die mit einem Band und der Inschrift "Die Welt ist unser Feld" umrundet ist – ein Motiv, das auf den Wahlspruch des großen Hamburger Reeders Ballin anspielt und übrigens ein zweites Mal in Uelzen zu sehen ist. Heutzutage sind oft echte Spielzeugautos auf Kindergräbern zu finden.
IV. Andere technische Themen
Es gibt außerdem auf hamburgischen Friedhöfen etliche andere Motive, die mit Technik zu tun haben. Eins der ältesten ist sicherlich die Mühle, ob nun mit Wind oder Wasser betrieben. Windmühlen finden sich zum Beispiel in Ohlsdorf, schlicht eingeritzt, schon auf der Grabstätte Brandt von 1918 (AC 35). Als Halbrelief erscheinen sie bei den Grabmälern Wilke von 1939 und Wittern von 1969, beide auf dem Bergstedter Friedhof. Der Reinbeker Friedhof besitzt die sehr schöne Darstellung einer Wassermühle bei der Grabstätte Neuhaus von 1938, in Ohlsdorf findet sich diese auf dem Grabmal Jürgens von 1934 (T 28). Ebenfalls dort hat sich die Familie Muehlbacher 1979 eine zu ihrem Namen passende Darstellung ausgedacht (Bo 60).
- Wassermühle auf dem Grabmal Neuhaus (Foto: Behrens)
Ferner sind in Ohlsdorf drei ältere Grabstätten mit besonderen Darstellungen zu nennen – die Grabmäler Dencker von 1934 mit dem Simplontunnel (K 14), Schomann von 1937 mit einem Kran (Bh 59) und Rosenthal von 1940 mit Elektrizitätssymbolen (D 17). In den 1980er-Jahren kommen andere Motive vor – 1982 etwa eine Brücke beim Grabmal Fulda (Bh 69), 1986 eine Kamera für den Reporter Pörtner (Z 4) oder 1988 das Karussell "FLYINGSWING" für den Schausteller Sodemann (Y 7). Neuerdings werden gerne Leuchttürme gewählt wie beim Grabmal Holtermann von 1990 (L 22) – in diesem Fall für einen Kapitän. Auch kann es geschehen, dass der Spaziergänger auf Schallplatten stößt wie auf dem Grab Weis von 1997 (J 17). Einen phantasievollen Einfall bietet die Ruhestätte der Gebrüder Jacoby von 2001, gekrönt von einem ganz besonderen Alpha-Omega-Zeichen – ein Zirkel steht für das A über einem als Ω entsprechend geformten Stück Fahrradkette, beides aus blitzblankem Metall (V 12).
- Alpha und Omaga auf dem Grabmal Jacoby (Foto: Behrens)
Zum Schluss stellt man fest, dass im Hamburger Raum die wertvollsten Objekte mit dem Thema Technik auf Grabmälern aus den 1930er- und 1940er-Jahren zu finden sind. Die heutigen Motive sind nicht so weit entfernt von den früheren, aber die Darstellungen sind oft weniger aufwändig verarbeitet. Das Thema bleibt aber beliebt und lässt noch viel Raum für Phantasie. Bis jetzt ist der Verfasserin in Ohlsdorf allerdings noch kein Mikrophon oder Handy auf einem Grabmal aufgefallen, wie Conny Böttger (in ihrem Buch "Mein letztes Wort - Der Grabstein als Visitenkarte" von 2003) sie auf zwei Grabmälern eines Gelsenkirchener Friedhofs photographierte. Laut einem Bericht des Hamburger Abendblattes vom 31.3.2006 lassen sich Briten und Südafrikaner immer häufiger mit Handy bestatten – aus Sorge, nicht wirklich tot zu sein. Ob sich die Hamburger, die oft den Blick nach England gerichtet haben, anstecken lassen werden?