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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

KZ-Opfer auf dem Jüdischen Friedhof Lübeck-Moisling

Die jüngste deutsche Geschichte hat auch auf diesem Friedhof ihre Spuren hinterlassen.

Am einprägsamsten wird dem Besucher das einheitlich gestaltete Grabfeld, auf dem die Opfer des Konzentrationslagers Bergen-Belsen ruhen, und deren Steine meist die Inschrift "KZ" tragen, auffallen. Bei Kenntnisnahme der Sterbedaten – alle nach dem 2. Mai 1945, dem Tag, an dem in Lübeck die Engländer einrückten – stellt sich die Frage nach der Ursache dafür.

Unter den vielen Verschleppten und Zwangsarbeitern, die nach 1945 in Lübeck waren oder dorthin kamen, befanden sich auch etwa 3 000 Überlebende des Konzentrationslagers Bergen-Belsen. Sie waren zur Genesung nach Schweden eingeladen worden. Viele von ihnen waren aber so geschwächt, daß sie sich zur Überfahrt erst in einem Lazarett in der Cambrai-Kaserne (Schwartauer Allee) erholen sollten. Doch mindestens 80 von ihnen hatten in dem Lager so schwere Gesundheitsschäden erlitten, daß sie in Lübeck starben und in Moisling bestattet wurden.

In diesem Gräberfeld sind drei Steine mit der Aufschrift "Exodus-Kind ohne Namen" zu finden. Im Herbst 1947 verwehrten die Engländer 4500 Juden – Überlebende der Konzentrationslager –, die mit dem ehemaligen amerikanischen Passagierdampfer "Exodus" Palästina zu erreichen hofften, die Einreise. Unter dem Decknamen "Operation Oase" verfrachtete die britische Mandatsmacht die Flüchtlinge auf drei englische Schiffe und brachte sie zunächst nach Hamburg und von dort weiter per Bahn in die Lübecker Lager Am Stau und Pöppendorf. Das alles geschah unter heftigstem Widerstand und entsprechend massivem Vorgehen des Militärs.

Während der Zeit des zwangsweisen Aufenthalts dieser Menschen – vom 7. September bis 29. Oktober 1947 – kamen jene drei Kinder zur Welt, die kurz nach ihrer Geburt starben und bei den Opfern des Konzentrationslager Bergen-Belsen bestattet wurden.

In unmittelbarer Nähe dieses Feldes befindet sich das Ehrenmal der Jüdischen Gemeinde Lübeck zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus. "Hier fanden 38 unbekannte jüdische Häftlinge aus dem KZ Neuengamme ihre letzte Ruhestätte" ist auf einem mit der Menorah versehenen großen Stein zu lesen. Diese Häftlinge befanden sich Anfang Mai 1945 in einem Bahntransport Richtung Neustadt, wo sie an Bord des Passgierdampfers "Cap Arkona" beziehungsweise der Frachter "Thielbek" und "Athen" gebracht werden sollten. Auf ihnen waren am 3. Mai 1945 mehr als 9000 Häftlinge des genannten Konzentrationslagers. Da die Engländer die Schiffe als deutsche Kriegsschiffe einstuften, griff die britische Luftwaffe sie an und versenkte die "Cap Arkona" und die "Thielbek". Dabei wurde etwa 7000 Häftlinge getötet.

Die in Lübeck bestatteten namenlosen Opfer hatten ihr Leben jedoch schon zuvor bei einem Tieffliegerangriff der Engländer auf den Zug, in dem sie sich befanden, verloren. Zunächst wurden sie nahe Eutin längs des Bahndamms in unmittelbarer Nähe der Angriffstelle bestattet. In den 50er Jahren erfolgte ihre Umbettung nach Moisling. Die Gräber erhielten kleine Stelen, die lediglich eine Nummer tragen.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft In der Fremde begraben (Februar 2000).
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