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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Künstlerische "Gittergräber" auf dem jüdischen Friedhof an der Ilandkoppel

Gittergräber - dieser Begriff ist durchaus wörtlich zu nehmen. Er bezeichnet eine der Grabarten auf dem jüdischen Friedhof. Es sind die Gräber, die den Nutzungsberechtigten gegen Entgelt überlassen wurden. Dafür wurde ein Grabbrief ausgestellt, wie es auch für die sogenannten "Eigenen Gräber" auf dem kommunalen Friedhof üblich war. In diesem Dokument war genau festgehalten, wo das Grab lag und wer darin bestattet werden durfte.

Eine Änderung musste beantragt werden. Außerdem enthielt der Grabbrief diese besondere Formulierung: "... Überlassung als Gittergrab... nach dem Reglement für den jüdischen Begräbnisplatz ...". Und dieses Reglement sah vor, dass die Gräber eine Einfassung erhielten. Das konnte auch eine einfache Steineinfassung sein oder steinerne Pfeiler mit Ketten. Aber vielfach waren es richtige Metallgitter, von denen allerdings die meisten verschwunden sind. Sie wurden nach Beginn des Zweiten Weltkriegs abgebrochen, als zur "Reichsmetallspende" aufgerufen wurde. Nur wenn die Inschrifttafeln direkt am Gitter befestigt waren, blieb dies stehen.1

Die Gittergräber waren zunächst nur ein- bis zweistellig, also für Einzelpersonen bzw. Ehepaare. Nur eine zusätzliche dritte Grabstelle für ein Kind war noch zulässig. 1905 wurde diese Beschränkung aufgehoben, so dass auch größere Familiengräber entstanden, wie sie auf dem kommunalen Friedhof üblich waren.2 Bei seiner Planung des jüdischen Friedhofs hatte Wilhelm Cordes für Gittergräber den nördlichen
Bereich des Friedhofs vorgesehen, auf dem Planausschnitt also der Teil oberhalb der gestrichelten Linie. Auf dem Plan ist zu erkennen, dass es hier zwischen allen Grabreihen Wege gibt. Die Belegung ist damit nicht so dicht wie im südlich angrenzenden Feld der einfachen "Reihengräber", wo es keine Abstände zwischen den Grabreihen gibt.


Friedhofsplan mit Einzeichnung der Grenze zwischen den Feldern mit den sogenannten Gittergräbern und den Reihengräbern (1)

Als in den 1980er-Jahren auf dem kommunalen Ohlsdorfer Friedhof alle Grabmale auf Denkmalwürdigkeit überprüft wurden, untersuchte man auch den Bestand an der Ilandkoppel. Dabei wurde festgestellt, dass es auch hier Grabmale gibt, die von seinerzeit sehr bekannten Künstlern gestaltet wurden. Allerdings sind es im Vergleich zum kommunalen Friedhof nur wenige, für die sich das belegen lässt. Insgesamt wurden Arbeiten von sechs Bildhauern bzw. Steinmetzen und einem Architekten entdeckt, die - mit einer Ausnahme - im Bereich der Gittergräber zu finden sind. Außerdem gibt es noch das von Engelbert Peiffer geschaffene große Grabmal für den Juristen und Vorkämpfer für die Emanzipation der Juden Gabriel Riesser, das vom Grindel-Friedhof nach Ohlsdorf umgesetzt wurde. (siehe dazu den Beitrag von Eberhard Kändler).
Einige der Grabmale sollen hier vorgestellt werden, jeweils mit einigen Angaben zu den Künstlern und besonderszu den dort bestatteten Personen - ergänzend dazu auch mit Angaben zu den Schicksalen ihrer Angehörigen, soweit sie denn bekannt sind. Auf Grund des Umfangs der einzelnen Beschreibungen war nur eine Auswahl möglich. Die Entscheidung fiel auf die Werke der drei bekanntesten und - als Gegensatz dazu - die Arbeit eines unbekannten Künstlers.

Der Bildhauer Arthur Bock – die Grabstätten Cohn, Bleichröd

Arthur Bock (1875–1957) stammte aus Leipzig und war seit 1903 in Hamburg ansässig. Er war sehr produktiv. Für Ohlsdorf sind über 50 Arbeiten bekannt, und auch auf anderen Friedhöfen und in der Stadt sind Werke von ihm zu fin - den. Hier ist er mit drei Arbeiten vertreten, die man aber nicht unbedingt mit Bock in Verbindung bringen würde. Man denkt bei ihm doch vor allem an seine vollplastischen figürlichen Arbeiten oder Reliefs, die aber der jüdischen Tradition widersprechen.

Das Grabmal für Adolph und Clara Cohn (Grablage B10, 160–62) entstand ab 1907. Es hat die Form einer Ädikula und ist aus poliertem schwarzem Granit. Die flankierenden Säulen wirken durch die Entasis, die Schwellung, sehr wuchtig, darüber noch der schwere Giebel. So entsteht der Eindruck einer gedrungenen Monumentalität.3

Adolph Cohn (1828–1907) war Kaufmann und in der Textilbranche tätig. In den Hamburger Adressbüchern ist er über viele Jahre zu finden mit einem „Lager von Manufakturwaren und Artikel für Kleidermacher“ in der Bohnenstraße 6. Später kam eine Filiale dazu. Um 1880 zog er sich wohl aus dem Geschäft zurück und wohnte zuletzt in der Innocentiastraße. Verheiratet war er seit 1878 mit Clara geborene Rappaport (1859–1938), die aus Gleiwitz stammte. Das Paar hatte zwei Söhne, Alfred und James, die Juristen wurden. Sie nahmen um 1920 beide den Familiennamen Kauffmann an, ursprünglich der Familienname der Ehefrau von Alfred Cohn. Beide emigrierten mit ihren Familien nach England.4



Ädikula-Grabmal des Ehepaares Cohn von Arthur Bock, nach 1907 (Fotos, auch die folgenden in diesem Beitrag: P. Schmolinske) (2 und 3)

Das Grabmal für Berend Bleichröder (Grablage B11, 370-71) entstand etwa zwei Jahre später. Dieses Grabmal hat einen quadratischen Grundriss. Das Material ist wieder schwarzer Granit, und als Stilelement verwendete Bock ebenfalls die wuchtigen Säulen, aber die Wirkung ist nicht ganzso monumental wie beim Grabmal Cohn.
Die vier Säulen schließen einen kleinen Innenraum ein, in dem die Urne von Berend Bleichröder aufgestellt ist.5 In den ersten Jahren nach der Eröffnung des jüdischen Friedhofs wäre die Beisetzung von Urnen nicht möglich gewesen, da die Kremation nach jüdischem Verständnis verboten ist. Nach langem Streit wurde aber 1897 die Beisetzung von Aschen auf dem jüdischen Friedhof zugelassen, wenn auch unter Einschränkungen. Überliefert ist allerdings, dass die Urnen zur Beisetzung in einen Holzsarg zu stellen waren, der dann in die Erde bestattet wurde. Davon ist man hier ja bereits eindeutig abgegangen.6
Berend Bleichröder (1842-1909) war Versicherungsmakler. 1880 war er im Adressbuch eingetragen als "Assecur.-Makler u. Commiss.-Geschäft, ... Generalbevollmächtigter d. Scotsh Imperial Insurance Company, Feuer- u. Lebensversicherungs-Gesellsch. in Glasgow u. London". Später hatte er ein Geschäft zusammen mit seinem Bruder Adolph, der in dem großen Grab an der Kreuzung von Allee und
Hauptweg beigesetzt ist.



Architektonisches Grabmal für Behrend Bleichröder von Arthur Bock, um 1910 (4 und 5)

Beim Grabmal für Manfred und Cäcilie Cohen (Grablage A10, 157–58) wählte Bock eine Mischform zwischen Ädikula und Portalgrab, behielt aber Material und Säulen bei. Durch die etwas gestrecktere Form und die Öffnung nach oben wirkt dieses Grabmal eleganter. Auch dies ist ein Urnengrab, worauf die Flammen am Fuß der Säulen Bezug nehmen. Die Urne, die sich auf dem kleinen Postament in der Mitte befand, ist nicht mehr vorhanden. Der Verbleib ist unbekannt.7

Manfred Cohen (1832–1910) wurde in Altona als Moses Cohen geboren. In den Adressbüchern war er ab etwa 1870 zunächstzu finden als Teilhaber von „Cohen & Fränkel, Leinen u. Teppichlager“, dann ab etwa 1880 bis 1904 als Teilhaber von „Cohen & Hildesheim, Bank- und Wechselgeschäfte“. Die Ehefrau Cäcilie
geboren Levy (1844–1926) kam ebenfalls aus Altona. Das Ehepaar hatte mindestens drei Söhne. Ob nach 1935 noch Nachkommen lebten, war bisher nicht zu ermitteln.



Grabmal für Manfred und Cäcilie Cohen von Arthur Bock, nach 1910 (6 und 7)

Der Bildhauer Hans Dammann - die Gräber Friedmann und Isaac

Der aus Schlesien stammende Hans Dammann (1867–1942) hatte sich 1888 in Berlin niedergelassen und 1895 als Bildhauer selbstständig gemacht. Einer seiner Arbeitsschwerpunkte war die Sepulkralkunst.8 Besonders seine schönen Frauenplastiken waren sehr gefragt und sind auf zahlreichen Friedhöfen
zu finden. Er stand also vor demselben Problem wie Bock, ein repräsentatives Grabmal ohne figürlichen Schmuck zu schaffen und entwickelte dazu zwei völlig unterschiedliche Lösungen. Das Grabmal für Jérôme Friedmann (Grablage B9, 1–3) ist eine über drei Grabstellen gehende, mehr als drei Meter hohe Wand. Es gibt nur wenige Schmuckelemente - eine Rosengirlande und ein "Becken" am Mittelteil und an
den Seitenteilen Kränze, ebenfalls mit Rosen. Durch einen Aufsatz über dem Mittelteil wirkt die Wand noch gewaltiger. Die Grabbegrenzung ist als niedrige Mauer ausgeführt. Am Durchgang sind zwei kleine "behenkelte" Schalen aufgestellt, wie sie auch auf dem kommunalen Friedhof am Grabmal Sturm (Grablage O7, 89-98) von Dammann zu finden sind.

Jérôme Friedmann (1849-1913) hatte 1911 zunächst eine zweistellige Grabstätte in der Nähe erworben "für sich und seine Ehefrau Laura geb. Löwenstein", im Oktober 1912 aber wieder zurückgegeben, da an dieser Stelle keine Erweiterung mehr möglich war. Stattdessen wurde diese dreistellige Grabstätte erworben, denn zusätzlich sollte Julius Friedmann berechtigt sein, dort beigesetzt zu werden. Julius war
der 1881 geborene Sohn des Ehepaares. Dazu kam es aber nicht. Im Grabregister wurde 1923 eingetragen: "für den verschollenen Julius Friedmann ist die eine Grabstelle ... Johanna Friedmann überlassen worden.". Johanna war eine ledige Schwester von Jérôme Friedmann, die 1923 verstarb.
Im Grabregister war Friedmanns Beruf 1911 als Direktor eingetragen. 1883 nennt ihn das Adressbuch als Inhaber von "J. Friedmann, Bank- und Commissionsgesch.", 1884 dann als "Director der Nordd. Jute-Spinnerei u. Weberei". Neben seiner geschäftlichen Tätigkeit war Friedmann ein begeisterter Kunstsammler, der eine hochwertige Sammlung zeitgenössischer Malerei zusammentrug, die einige Jahre nach seinem Tod veräußert werden musste.9




Grabwand mit steinerner Einfassung für Familie Jérôme Friedmann von Hans Dammann, nach 1913 (8-10)

Das Grabmal für Fanny und Moses Isaac (Grablage B9, 169-74) ist als Exedra-Grabmal gestaltet mit Bänken und dem hohen Postament für die überdimensionale Schmuckurne in der Mitte, die hier tatsächlich nur dekoratives Element und kein Hinweis auf eine Urnenbestattung ist. Die Gestaltung der Seitenteile hat deutliche Parallelen zum Grabmal Klein / Reichel / Howoldt / Wenk (Grablage Y13, 9-16) auf dem kommunalen Friedhof, das allerdings durch die höheren Rückenlehnen in sich geschlossener wirkt. Moses Isaac hatte nach dem Tod seiner Frau Fanny geborene Langstadt (1867-1917) zunächst nur ein zweistelliges Grab erworben, konnte aber kurz darauf noch auf sechs Stellen erweitern, vorgesehen für seine beiden Söhne Arnold und Bruno und zwei noch nicht feststehende Personen. Soweit ersichtlich wurden diese vier zusätzlichen Stellen aber nie belegt. Moses Isaac (1865-1940), der aus Barmen stammte, nannte sich immer Max. Nur unter diesem Namen sind zu ihm weitere Informationen zu finden. Nach einer kaufmännischen Lehre und Aufenthalten in Brüssel und Paris war er 1893 an der Gründung der Hamburger Filiale des belgischen Bekleidungsunternehmens Hirsch & Cie. beteiligt, Adresse Reesendamm 1-3.10 1907 wurde er Teilhaber. Nach 1910 setzte er sich mit für die Gründung des Museums für Hamburgische Geschichte ein.
Mitglied der Bürgerschaft war er von 1919 bis 1921.

Die beiden Söhne traten nach beendeter Ausbildung in das Unternehmen ihres Vaters ein. Bis 1937 waren die Isaacs im Besitz des Gebäudes am Reesendamm, dann wurden sie durch obskure
Machenschaften der Nationalsozialisten gezwungen, das Geschäftshaus zu verkaufen. Nachfolger in dem Gebäude wurde damals Woolworth.11 Max Isaac erkrankte 1940 schwer und verstarb. Die Söhne überstanden die Zeit des Nationalsozialismus und konnten nach 1945 Ansprüche auf Entschädigung stellen.




Grabmal für die Familie Isaac von Hans Dammann, nach 1917 , mit großer Steinurne auf einem Sockel und seitlichen niedrigen Begrenzungen (11, 12/13)

Der Bildhauer Hugo Klugt - die Grabstätten Hecht und Hope

Der Bildhauer Hugo Klugt (1879–1939) hatte sich 1910 in Hamburg niedergelassen. Neben Grabmalen und Bauplastik umfasst sein Œuvre auch kunstgewerbliche Arbeiten aus Metall, sowie Grafik und Malerei. Auf dem Ohlsdorfer Friedhof ist Klugt mit mehreren Arbeiten vertreten, u. a. das Grabmal Gerstenkorn, jetzt Rübke (Grablage P8, 203-05) und das Familiengrab Klugt (Grablage Q7, 100-01/Q8, 386–87), wo er auch bestattet ist.12 Hugo Klugts erste Arbeit auf dem jüdischen Friedhof ist das Grabmal für Jacob und Hanna Hecht (Grablage C9, 151–52). Zwei glatte Pfeiler, die nur den Davidstern zeigen, fassen das Schriftfeld ein. Über dem ist als bildliche Darstellung ein kleines Relief eingefügt, ein siebenarmiger Leuchter, neben dem links und rechts ein Löwe kauert. Überspannt wird das Grabmal von einem mehrstufigen Gebälk, das mit kleinen Glocken behangen ist. An der Vorderseite der beiden oberen Schichten ist noch schwach eine Inschrift zu erkennen, die leider nicht mehr zu entziffern ist. Auch die wenig vertiefte Namensinschrift ist nicht mehr vollständig lesbar. Gut zu erkennen ist aber, dass nur die Inschrift von Jacob Hecht auch die vollständigen Lebensdaten angibt - 1853 bis 1918. Seine Frau Hanna geb. Calmann lebte von 1861 bis 1930. Diese Daten fehlen hier, sie ist aber auch auf der Grabstätte beerdigt.


Grabstätte Hecht, Grabmalwand mit dem Relief zweier Löwen unter einer Menora (s. a. Abb. 15) von Hugo Klugt, nach 1918 (14)

Jacob Hecht stammte aus Friedberg in Hessen. Er besaß zunächst seit 1882 ein Zigarrengeschäft am Neuen Wall, erweiterte aber sehr bald sein Sortiment und hatte schließlich ein renommiertes Kunst- und Antiquitätengeschäft in den Colonnaden. 1892 wurde er Hamburger Bürger. In den Jahren von 1883 bis 1895 wurden fünf Kinder geboren, Felix, Alice, Herbert, Helmuth und Edgar. Im Jahr nach Jacob Hechts Tod erhielt Hugo Klugt wahrscheinlich einen weiteren Auftrag von der Familie, denn Herbert, der zweite Sohn, verstarb im September 1919. Er hatte in der „Staatskrankenanstalt Friedrichsberg“ gelebt, die 1918 noch "Irrenanstalt Friedrichsberg" hieß. Sein Grab (Grablage C9, 238) liegt drei Reihen von dem der Eltern entfernt. Das Pfeilergrabmal zeigt auf der Vorderseite Namen und Lebensdaten, auf der rechten Seite das Relief einer Geige und auf der linken eine Leier. Auf der Rückseite steht "LEBEN IST TRÄUMEN, STERBEN IST WISSEN".


Relief des Grabmals für Jacob und Hanna Hecht (siehe Abb. 14) (15)

Pfeilergrabmal für Herbert Hecht von Hugo Klugt, nach 1919 (16)

Die anderen Geschwister liegen nicht hier auf dem Friedhof. Dr. jur. Felix Hecht kam 1944 in Auschwitz um13, 14, ebenso die Schwester Alice. Der Bruder Edgar konnte zwar nach Shanghai auswandern, kam dort aber 1945 beieinem amerikanischen Luftangriff ums Leben. Nur über das Schicksal des Bruders Helmuth ist nichts bekannt. Er wanderte frühzeitig nach Ecuador aus und ist verschollen.14

Als Klugt 1923 das Grabmal für Josef Hope gestaltete, griff er seinen Entwurf vom Grabmal Hecht noch einmal auf, veränderte aber die Proportionen. Die Seitenteile sind breiter, das Schriftfeld dafür schmaler. Das Gebälk ist hier nur zweistufig, hat aber auch die Glöckchen. Das kleine Relief, das trotz der eigentlich geschützten Lage recht mitgenommen wirkt, zeigt auch hier Leuchter und Löwen. Allerdings sind diese Löwen deutlich aggressiver als bei Hecht. Man kann sich das Relief gut von der Rückseite ansehen und erkennt, dass sie die Köpfe heben und ihre Rachen weit aufreißen.



Grabmalwand für Josef Hope von Hugo Klugt, 1923 (17 und 18)

Josef Hope stammte aus Bielefeld. Er war Mediziner und ab 1901 im Hamburger Adressbuch zu finden als "Specialarzt für Geschlechts-, Haut-u. Nervenkrankh.", Praxis "Gr. Theaterstr. 37, Sprechst. 8 -10, 12 -2 u. 5 -8, Sonnt. 8 -2". Verheiratet war er mit Fanny Falk, geboren 1875 in Tuchel / Pommern. Das Ehepaar hatte zwei Kinder, Fritz, der wie sein Vater ein renommierter Mediziner wurde, und Else, zu deren Schicksal zurzeit nichts Näheres bekannt ist. Hope hatte offenbar eine gut gehende Praxis. Er ließ sich ein Haus in Eppendorf am Trummersweg bauen, wo die Familie seit 1914 lebte.

Als Josef Hope 1923 starb, erwarb sein Sohn Fritz für ihn zunächst das einstellige Grab B8, 103, aber wenige Tage später kaufte Fanny Hope für sich das links daneben liegende Grab B8, 102 dazu, so dass es möglich war, ein Doppelgrabmal aufzustellen. Allerdings ist ihr Schriftfeld freigeblieben, da Fanny Hope nicht hier bestattet ist. Sie konnte zusammen mit ihrem Sohn und seiner Familie in die USA auswandern -nachdem sie von den Nationalsozialisten gründlich ausgeplündert worden war. Verstorben ist sie 1964 in Oakland.15

Die Steinhauer Alexander Samuel und Max Holländer -die Grabstätte Hesslein

Das Grab von Seligmann und RikeHesslein liegt etwas südlich der "Gittergräber" (Grablage A12, 389-90). Es ist ein einfaches Reihengrab, zu dem es also keinen Grabbrief gibt, nur die Eintragungen im Bestattungsregister. Diese Gräber wurden der Reihe nach belegt, so wie die Toten zum Friedhof kamen, aber die Reservierung eines Nachbargrabes für Angehörige war immerhin möglich, so dass das Ehepaar schließlich doch nebeneinander ruhen konnte.

Am Grabmal ist auf der Rückseite die Signatur "Holländer fec." zu erkennen -"fecit" lateinisch: "hat es gemacht". Diese Signaturist auch auf dem kommunalen Friedhof im Heckengartenmuseum zu finden an "Paul Pickenpack's Familiengrab", das von 1873 stammt.


Signatur des Steinbildhauers Holländer am Sockel des Grabmals Hesslein (19)

Beim Blick ins Adressbuch von 1873 ist eine passende Adresse zu finden: "Holländer, A. S., Steinhauerei u. Marmorwerkstatt, Jägerstr. d. Paulinenstr. gegenüb.". Beim weiteren Suchen in früheren Jahrgängen ergibt sich, dass er ein jüdischer Steinmetz war, der mit vollständigem Name Alexander Samuel Holländer hieß und ursprünglich in Altona in der Königstraße 169 ansässig war, im Adressbuch eingetragen als "israelit. Todtenbote und Steinhauer". Sicher wird so mancher Grabstein des dortigen Friedhofs in dieser Werkstatt gefertigt worden sein. 1870 siedelte man in die St. Pauli-Vorstadt über -die Jägerstraße heißt heute "Beim grünen Jäger". Hier trat der Sohn Max in das väterliche Unternehmen ein. Ob er schon das Pickenpack-Grabmal schuf, lässt sich nicht feststellen. Für das Grabmal Hesslein war er auf jeden Fall verantwortlich, da sich der Senior 1877 aus dem Geschäft zurückgezogen hatte.

Max Holländer führte den Betrieb weiter bis 1906/07. Er war mit Anna Flora Iklé verheiratet. Zwischen 1877 und 1883 wurden zwei Söhne und zwei Töchter geboren, aber die Söhne hatten kein Interesse an dem väterlichen Unternehmen. Albert, der ältere Sohn, wurde Jurist, der jüngere, Franz, wurde Kaufmann. Daher wurde das Geschäft aufgegeben, als sich Max Holländer zur Ruhe setzte. Er verstarb 1917, seine Frau 1923. Über das Schicksal der Kinder ist bekannt, dass nur der Sohn Franz und seine Familie die Zeit des Nationalsozialismus überlebt haben, da sie nach Kanada auswandern konnten. Die beiden Töchter Gertrud und Frida kamen 1941 in Minsk um16, der Bruder Albert zusammen mit seiner Frau Martha geb. Samson 1942 in Auschwitz.17, 18

Das Grabmal für Seligmann und Rike Hesslein besteht aus einem Postament mit quadratischer Grundfläche, auf dem eine hohe Säule steht. Obenauf befindet sich ein Gefäß in Form einesantiken Kraters, daszur Hälfte mit einem Tuch bedeckt ist. Das Grabmal ist trotz des dichten Standes relativ leicht zu entdecken, da es deutlich höher ist als die meisten Steine in der direkten Nachbarschaft.



Grabmal in Form einer Säule, auf der ein von einem Tuch halb überdeckter antiker Krater steht, für das Ehepaar Seligmann und Rike Hesslein (20, 21)

Seligmann Hesslein war am 22. Juni 1839 in Hamburg geboren als Sohn eines jüdischen Handelsmanns und selber ebenfalls kaufmännisch tätig. 1866 hatte er ein "Tuch-und Manufacturw.-Lager" am Großen Burstah. 1880 war es dann das "Tuch-, Bukskin-und Manufacturw.-Lager", Alterwall 61. Dies blieb seine Geschäftsadresse bis zu seinem Tod 1893. Die Wohnung war in der Grindelallee 53.

1873 hatte sich Seligmann mit RikeHorwitz verheiratet, die aus Rendsburg stammte. Das Paar hatte drei Söhne und zwei Töchter. Eine Tochter verstarb bereits mit einem Jahr. Der älteste Sohn, Mechel, wurde ein erfolgreicher Hausmakler. 1943 nahm er sich das Leben, als er den Deportationsbefehl erhielt19Über das Schicksal der anderen Geschwister ist zurzeit nichts bekannt.

Anmerkungen:

1 Wagner, Anke, S. 7-8
2 Wagner, Anke, S. 91
3 Schulze, Heiko, S. 132
4 Morisse, Heiko, S. 149
5 Schulze, Heiko, S. 133-34
6 Wagner, Anke, S. 10-13
7 Schulze, Heiko, S. 134
8 Samulat-Gaede, Martina: Der Bildhauer Hans Dammann (1867-1942) und sein künstlerisches Werk in Beispielen, Schriftenreihe des Förderkreises Ohlsdorfer Friedhof e.V., Band 9. 2003
9 Luckhardt / Schnede, S. 223-24
10 https://de.wikipedia.org/wiki/Hirsch &Cie, abgerufen 10.10.2023
11 Bajohr, Frank, S. 289-90
12 Bruhns, Maike, S. 234-35
13 Morisse, Heiko, S. 142
14 www.stolpersteine-hamburg.de, Biografie Dr. Felix Hecht, abgerufen 3.10.1923
15 Skrentny, Werner / Weidlich, Knuth, S. 64-67
16 www.stolpersteine-hamburg.de, Biografie Frida Holländer, Gertrud Holländer
17 Morisse, Heiko, S. 146
18 www.stolpersteine-hamburg.de, Biografie Dr. Albert Holländer
19 www.stolpersteine-hamburg.de, Biografie MechelHesslein

Quellen:

Bajohr, Frank: »Arisierung« in Hamburg, Die Verdrängung der jüdischen Unternehmer 1933-1945, Hamburg 1997.
Bruhns, Maike: Kunst in der Krise, Band 2 Künstlerlexikon Hamburg 1933-1945, Hamburg 2001.
Kopitzsch, Franklin / Brietzke, Dirk: Hamburgische Biografie Personenlexikon Band 7, Göttingen 2019.
Luckhardt, Ulrich / Schnede, Uwe M. (Hrsg.): Private Schätze, Über das Sammeln von Kunst in Hamburg bis 1933, Hamburg 2001.
Morisse, Heiko: Ausgrenzung und Verfolgung der Hamburger jüdische Juristen im Nationalsozialismus, Band 1 –Rechtsanwälte, Göttingen 2013.
Schulze, Heiko K. L.: Arthur Bock (1875-1957) Ein Hamburger Bildhauer, Kiel 2022.
Skrentny, Werner / Weidlich, Kurt (Hrsg.): Das Eppendorf Buch, Norderstedt 2013.
Wagner, Anke: Der jüdische Friedhof in Ohlsdorf –Die Geschichte und die Grabmale, Wissenschaftliche Hausarbeit zur Erlangung des akademischen Grades eines Magister Artium der Universität Hamburg, Hamburg 1986.

Das Ohlsdorfer Grabregister und die Hamburger Adressbücher sind in allen Fällen als Quellen herangezogen worden. Auf explizite Hinweise wurde verzichtet.

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