Am Südhang des 173 Meter hohen Montjuïc in Barcelona liegt der große städtische Friedhof gleichen Namens, auf dem unter anderem das Grab des berühmten Malers Joan Miró zu finden ist. Der ganze Berg ist aufgrund seiner Sehenswürdigkeiten ein Anziehungspunkt für Touristen, die allerdings bei weitem nicht alle auch den Weg zum Friedhof finden.
Die Bedeutung des Namens "Montjuïc" ist nicht genau bekannt: Sie lässt sich sowohl als "Berg des Jupiter" (von lat. Mons Jovis), als auch als "Berg der Juden" (vom mittelalterlichen Katalanisch Mont juïc = "Jüdischer Berg") interpretieren. Diese Bezeichnung bezieht sich darauf, dass sich auf der Ostseite einst ein jüdischer Friedhof befand, von dem noch ein Grabmal in der Sammlung der historischen Festung auf dem Berg zu finden ist.
Von dieser Festung aus führt ein Fußweg zu dem rückwärtigen (Fußgänger-)Ein-gang des 1883 eingeweihten Friedhofs der Stadt. Allerdings sollte man sich für diesen Weg mit Proviant und Getränken versorgen, denn unterwegs gibt es keine Möglichkeit zur Einkehr. Besser also ist es, wenn man sich mit dem Bus oder einem Taxi - in Barcelona ein sehr preiswertes und häufiges Verkehrsmittel, das man überall anhalten kann - zum Haupteingang fahren lässt (und auch vorher dafür sorgt, wie man wieder zurückkommt, denn dort fahren nur sehr selten Taxis vorbei und auch die Buslinie verkehrt nicht oft).
Nimmt man den Fußweg über den Berg, wie ich es gemacht habe, dann kommt man nach etwa einer dreiviertel Stunde zu einem modernen Friedhofseingang, der im Tal liegt. Tritt man dort ein, führen einen lange Straßenzüge - sie sind mit dem Auto befahrbar - wieder bergan. Beidseitig sind sie mit hohen Bauten eingefasst, die dicht nebeneinander und in mehreren Reihen übereinander Gruftzellen enthalten.
Von der Straße aus sind nur ihre quadratischen Abdeckungen am Fußende sichtbar. Für Angehörige stehen Leitern bereit, damit sie auch die oberen Gräber erreichen und schmücken können. Allerdings machen viele der kleinen Quadrate mit ihren Namenstafeln einen verlassenen und desolaten Eindruck und die schiere Menge dieser Gruftbauten, die einem ganzen Stadtteil gleichen, hat auf mich bedrückend gewirkt.
Erst wenn man über die Bergkuppe hinüber gewandert ist und langsam zum Meer hinabsteigt, verlässt man nach einer Weile den Bereich der Gruftstraßen und kommt dort, wo der Berg steil zum Meer hin abfällt, zu dem ältesten Teil des Friedhofs. Auf Terrassenstufen finden sich hier unzählige Grabbauten und Gruften, die teilweise direkt in die Bergwand hineingehauen worden sind. Verbunden sind sie durch schmale Treppen und schräge Wege.
Für Touristen sind die bedeutendsten Gräber und Grabmale in zwei unterschiedlichen Routen - einer künstlerischen und einer historischen - ausgeschildert. Beide gehen vom Haupteingang aus. Eine dritte Route ist eine Mischung der beiden Vorgenannten. Am Haupteingang des Friedhofs und an verschiedenen Schildern an den Grabstätten sind QR-Codes angebracht, über die man in vier Sprachen (Katalanisch, Spanisch, Englisch und Französisch) kurze Erklärungen zur Geschichte des jeweiligen Ortes sowie Daten über Bildhauer und Baustil abrufen können soll, so denn der Server in Betrieb ist. Bisher ist mir allerdings nicht gelungen, die Seiten über die Codes aufzurufen. Aber auch ohne diese Informationen beeindrucken die aufwendig gestalteten Fassaden der kleinen Grabkapellen, die oft historisierend in gotischem oder romanischem Stil ausgeführt sind.
Zudem trifft man in diesem Friedhofsbereich auf zahlreiche Jugendstilbauten und lebensgroße Jugendstilskulpturen, oft aus weißem Marmor; so zum Beispiel den kleinen Tempel der Família Tort y Martorell - Francesc Xavier Tort y Martorell (1854-1912) war ein katalanischer Geschäftsmann und Politiker - und den benachbarten Engel, der ein Wappenschild hält.
Daneben stehen Grabsteine neueren Datums, auch sie teilweise mit Skulpturen geschmückt, wie das Grab für Jose Maria Izquierdo Moretones aus dem Jahr 2003, auf dem zwei ländlich gekleidete Kinder ohne Schuhe mit Blumenschalen in den Händen stehen. Das Grab daneben ist zeitgenössisch mit dem Brautfoto der Verstorbenen und einem Foto ihres Hundes ausgestaltet, wobei unten in eine mit Glas verschlossene Nische ein Plüschhund und Nippfiguren eingestellt sind.
Das Grabmal für Nicolau Juncosa (1865-1932) gilt als eine der beliebtesten und am häufigsten reproduzierten Skulpturen auf dem Friedhof. Juncosa war ein bedeutender Industrieller und Politiker. Aus seinem Heimatdorf ging er sehr jung nach Barcelona, wo er sich bis zum Teilhaber des renommierten Weinhauses Vendrell y Compañía hocharbeitete und die Tochter des Besitzers heiratete. Er verkehrte schon früh in republikanischen Kreisen und wurde 1909 zum Mitglied des neuen Stadtrats von Barcelona gewählt und mit einem der Bürgermeisterämter betraut, verzichtete allerdings vier Jahre später auf seine Wiederwahl, um sich auf den Weinexport zu konzentrieren. 1917 kehrte er in die Politik zurück und wurde Provinzabgeordneter. Die Familie lebte in einem außerordentlich luxuriösen Lebensstil. Er selbst beauftragte den Bildhauer Antoni Pujol mit der Anfertigung seines Grabmals, das den Titel "La solució" ("Die Lösung") trägt. Die Arbeiten wurden zwischen 1913 und 1914 ausführt. Das Grabmal wurde jedoch erst nach Juncosas Tod fertiggestellt, da Pu-jol eine Totenmaske verwendete, um die Gesichtszüge des Auftraggebers wiederzugeben.1 Dargestellt ist der Verstorbene, der mit dem Arm auf ein Buch aufgestützt an einem Tisch sitzt. Die Wand hinter ihm zeigt das Bild eines Gebäudes. Hinter ihm steht der Tod in Gestalt eines Skeletts und umhüllt ihn mit einem Schleier.
Auch wenn der Maler Miró für moderne und abstrakte Kunst steht, so unterscheidet sich seine Familiengrabstätte nicht besonders von den übrigen Grabkapellen: Auch sie ist in den Berghang eingearbeitet und zeigt eine für die Jahrhundertwende typische Gestaltung.
Der Friedhof Montjuïc in Barcelona ist berühmt für seine plastischen und architektonischen Grabmale, von denen viele aus der Zeit des Historismus und des Jugendstils stammen. Wie auf allen historischen Friedhöfen erzählen sie auch hier viel über die Bewohner und die Geschichte der Stadt, so dass ein Besuch sehr zu empfehlen ist.
1 Weitere Informationen sind zu finden unter: https://www.diputatsmancomunitat.cat/els-diputats/juncosa-i-sabate-nico….