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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Vom Friedhof Norderreihe zum Wohlerspark

Der Friedhof Norderreihe war der dritte Altonaer Friedhof, wobei hier das ursprüngliche Altona gemeint ist (Karte 1). Dessen historisches Zentrum befand sich im Bereich um die Hauptkirche St. Trinitatis (1) und das etwa 200 Meter östlich davon gelegene alte Rathaus (2) und wurde 1943 während der schweren Bombenangriffe der Operation Gomorrha weitgehend zerstört.


Karte 1 1 - St. Trinitatis-Kirche; 2 - Altes Rathaus; 3 - Heiligengeist-Kirchhof; 4 - Friedhof Norderreihe

Die beiden früheren Friedhöfe waren der seit der Mitte des 17. Jahrhunderts belegte Begräbnisplatz neben der Kirche und ab 1741 der Heiliggeist-Kirchhof, etwas weiter westlich an der Königstraße (3). Beide Plätze wurden geschlossen, als 1831 der Friedhof Norderreihe eröffnet wurde. Während von dem alten Begräbnisplatz bei der Kirche oberirdisch nichts mehr vorhanden ist, blieben auf dem ehemaligen Heiliggeist-Kirchhof Gräber erhalten, obwohl die Bomben 1943 hier ebenfalls schwerste Schäden verursacht hatten. Heute heißt der Friedhof Schleepark und liegt direkt neben der S-Bahn-Station Königstraße. Der größere Teil ist Spielplatz, aber in einem schmalen Grünstreifen an der Struenseestraße wurden zwei Gruftanlagen und mehrere Grabsteine zusammengefasst, als in den 1970er Jahren die City-S-Bahn gebaut wurde (Abb. 1).


Alte Gräber an der Struenseestraße (1)

Bei der Eröffnung 1831 lag der Friedhof Norderreihe (4) noch deutlich außerhalb des alten Altonaer Stadtkerns. Die Gliederung dieses neuen Friedhofs ist auf dem Stadtplan von 1895 zu erkennen: Zwei breite Lindenalleen, die sich im Mittelpunkt des Friedhofs in einem großen Rondell kreuzen, teilen den Friedhof in vier fast quadratische Felder. Eingefasst wird die Anlage von einer weiteren breiten Allee (Karte 2).


Karte 2 Plan des Friedhofs mit den Lindenalleen

In den Folgejahren wuchs die Stadt rasant, und der neue Friedhof war schneller belegt als erwartet. 1868 wurde daher noch deutlich weiter nördlich der Diebsteich-Friedhof eröffnet, und ab 1879 durften Bestattungen an der Norderreihe nur noch in Gräbern mit bestehenden Nutzungsrechten erfolgen. Von denen gab es 1931 immerhin noch etwa 400.1

Bereits 1923 war nach der Eröffnung des Hauptfriedhofs Altona klar, dass die Tage des Friedhofs Norderreihe gezählt waren, und schon die Jahre ab 1933 hätten das Aus für den Friedhof bedeuten können, denn es gab erhebliche Zerstörungen. Bei verschiedenen Baumaßnahmen wie der Aufstellung einer Baracke für ein Kindertagesheim durch die NSDAP, Erstellung eines Zugangs zur Wohlersallee und Anlegung eines Feuerlöschteichs wurde keine Rücksicht auf vorhandene Gräber genommen. Die schlimmsten Schäden verursachten dann natürlich auch hier die Bomben während der Operation Gomorrha. Das Mauerwerk der ausgebrannten Häuser an der Westseite stürzte auf den Friedhof und türmte sich dort mehrere Meter hoch. Große Teile der eisernen Einfriedung waren umgelegt. Es gab Bombentrichter und schließlich wurden noch 1945 in den letzten Kriegswochen viele Grabsteine abgeräumt für den Bau einer Panzersperre.

Direkt nach Kriegsende hatte man verständlicherweise zunächst andere Sorgen, als einen Friedhof wiederherzustellen. Man kam nicht umhin, einen Teil des Geländes für Schrebergärten zur Verfügung zu stellen. In dem besonders kalten Winter 1945/46 wurden viele der alten Linden verheizt, und es kam auch sonst zu weiteren Zerstörungen. Aber bald mehrten sich Stimmen, die eine Sicherung dieses wesentlichen Zeugnisses der Altonaer Geschichte forderten. Im September 1947 verfügte die Kulturbehörde die Wiederherstellung des Friedhofs und kündigte den Kleingärtnern zum Ende 1948. Als erste Maßnahmen wurden die Schuttmassen beseitigt und die gefällten Linden durch Neuanpflanzungen ersetzt. Später wurden die Wege zwischen den Grabfeldern wiederhergestellt, umgeworfene Grabsteine wieder aufgerichtet und Hecken erneuert, so dass der Friedhof weitgehend wieder seine frühere Gestalt bekam (Abb. 2).2


Blick in eine wiederhergestellte Lindenallee (2)

Über die zukünftige Nutzung bestand zunächst keine Einigkeit. Bereits Anfang der sechziger Jahre hatten die Behörden die Fläche, allerdings ohne Rücksprache mit der Kirche, in ihre Planung einbezogen, die die Umwandlung in eine Grünanlage mit Kinderspielplätzen vorsah.3 1977 wurde schließlich ein Leihvertrag zwischen dem Ev.-Luth. Kirchengemeindeverband und dem Bezirk Altona geschlossen, somit war nun die Einbeziehung der Fläche in die Planung des Bezirks möglich. Da der Friedhof unter Denkmalschutz steht, folgte daraus aber auch, dass nicht nur der Charakter des Friedhofes zu erhalten war, sondern auch die historischen Grabmale. Natürlich gab es Veränderungen im Vergleich zum ursprünglichen Zustand. Die umlaufenden Lindenalleen wurden nicht wiederhergestellt. Einige kleine Stichwege wurden aufgehoben, dafür diagonal vom Rondell ausgehende Wege angelegt, die zu kleineren Rondells führen, die mit Rankwänden ausgestattet sind.4

Auf den noch sehr umfangreichen Grabmalbestand an dieser Stelle näher einzugehen, würde bei weitem den Rahmen dieses Beitrages sprengen. Bei einer Bestandaufnahme in den 1950er Jahren wurden 232 Grabanlagen mit 291 Steinen festgestellt, darunter 22 Grabgewölbe.5 Von denen sind mehrere in offenbar bevorzugter Lage am Rondell zu finden (Abb. 3).


Gruftgräber am Rondell (3)

Von den vielen für Altona bedeutenden Personen, die an der Norderreihe bestattet wurden, sollen hier wenigstens zwei kurz vorgestellt werden, die offenbar in jedem Text zur Geschichte des Friedhofs erwähnt werden. Das ist zum einen Matthäus Friedrich Chemnitz (1850-1870), der Dichter des Liedes "Schleswig-Holstein meerumschlungen" (Abb. 4). Und besonders ausführlich wird immer Graf Conrad Daniel von Blücher-Altona (1764-1845) gewürdigt: " ... er war ein Neffe des Marschalls "Vorwärts". Dänischer Geheimer Konferenzrat, wirkte er hier 1808-1845 als Oberpräsident; besonders machte er sich 1813-1814 verdient und wußte eine zweite Einäscherung der Stadt durch den französischen Marschall Davoust zu verhüten. Die am Weihnachtsabend 1813 vertriebenen Einwohner im benachbarten Hamburg nahm er liebevoll auf."6 Hamburger Ehrenbürger wurde Blücher-Altona 1843 für seine Unterstützung nach dem Großen Brand 1842. Außerdem war er Träger des Elefanten-Ordens, des höchsten und ältesten dänischen Ritterordens. Seine ausgemauerte Hügelgruft ist die aufwändigste Grabanlage auf dem Friedhof (Abb. 5 und 6) .


Grabmal Matthäus Friedrich Chemnitz (4)


Die Grabanlage des Grafen Conrad Daniel von Blücher-Altona und seiner Frau (5/6)

Der Friedhof Norderreihe ist heute als Wohlerspark ein Teil des Grünzugs Neu-Altona, der oberhalb des Altonaer Fischmarkts mit dem Kapitän-Schröder-Park beginnt und sich über Walter-Möller-Park, Emil-Wendt-Park, Wohlerspark und Bertha-von-Suttner-Park bis zum Bahnhof Holstenstraße hinzieht. Im Internet auf den Seiten von hamburg.de ist dazu zu lesen: "Einige Altonaer würden ihren Lieblingsplatz in Hamburg vermutlich gern in Wohlfühlpark umbenennen lassen. Der ehemalige Friedhof Norderreihe, aufgrund seiner Lage an der Wohlersallee heute Wohlerspark genannt, ist trotz seiner früheren Nutzung eine der beliebtesten öffentlichen Grünflächen der Hansestadt."

Unabhängig von Jahreszeit und Wochentag sind bei einigermaßen gutem Wetter Spaziergänger im Park anzutreffen. Offenbar wird die Parkanlage tatsächlich vielfältig genutzt. Man kann alleine "abhängen" oder trifft sich zum Tai Chi oder auch zum Grillen. Und wozu braucht man für sein Picknick eine Bank, wenn eine passende Gruftanlage in der Nähe ist (Abb. 7).


Auch ein Picknick-Platz (7)

Anmerkungen

1 Der Friedhof Norderreihe in Altona, Beiträge zu seiner Geschichte und Gegenwart, Verein zur Pflege der Natur- und Landeskunde in Schleswig-Holstein und Hamburg Hrsg., Schleswig 1979, S. 17.
2 Ebd., S. 18f.
3 Die Welt, 22.
4.19754 Wie Anm. 1, S. 41.
5 Wie Anm. 1, S. 20.
6 Hamburgischer Correspondent, 9.12.1930

Fotos: P. Schmolinske; Karte und Kartenausschnitt: Vermessungsbureau der Bau Deputation 1895, Archiv Schmolinske

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