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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Der Leise-Park und der Friedhofspark Pappelallee in Berlin

Der Leise-Park

Der ehemalige, heute nur noch zu einem kleinen Teil vorhandene "Neue Friedhof St. Marien und St. Nikolai II" liegt im dicht bebauten Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg inmitten gründerzeitlicher Wohnbebauung. Seine Fläche ist hinter der Häuserreihe der Prenzlauer Allee und einer Mauer entlang der Heinrich-Roller-Straße versteckt. Im Südosten grenzt er direkt an den Friedhof I der Georgen-Parochialgemeinde an. 1857 war dieser Friedhof als zweiter Friedhof der beiden namengebenden Kirchengemeinden eröffnet worden. Ab 1970 wurde er geschlossen und 1991 nach dem Fall der Mauer wieder eröffnet. Allerdings verwilderte er im Laufe der Jahre immer mehr (Abb. 1).


Gräber auf dem Neuen Friedhof St- Marien und St. Nikolai II, Zustand 2005 (1)

Im Frühjahr 2007 wurde bekannt, dass die damals zuständige evangelische Kirchengemeinde den Verkauf von Teilen dieses Friedhofes als Bauland vorbereitete. Für die Bewohner der angrenzenden Wohngebiete wären damit wertvolle Grünflächen verloren gegangen. Es bildete sich eine Bürgerinitiative, die den langfristigen Erhalt des Gebiets als Friedhofs- und Grünfläche forderte. Sie führte zahlreiche öffentlichkeitswirksame Aktionen durch, wie z.B Briefe an die Verantwortlichen, Unterschriftenlisten und eine Petition im Abgeordnetenhaus, aber auch Martinsumzüge auf dem Friedhof mit Laterne tragenden Kindern.

Die Proteste führten dazu, dass der zuständige Bezirk Pankow ein Bauleitplanverfahren einleitete, in dem die umstrittene Fläche als Grünfläche ausgewiesen wurde. Damit war das Land nicht mehr als Bauland zu verkaufen. Ab 2009 wurde der neu gebildete Evangelische Friedhofsverband Berlin Stadtmitte für die Verwaltung der Anlage zuständig. Ende des folgenden Jahres zog sich die Bürgerinitiative aus der Öffentlichkeit zurück.1 Es war zu einem Kompromiss gekommen: Das Grundstück Prenzlauer Straße Nummer 7, auf dem der Friedhofseingang lag, konnte der Friedhofsverband zusammen mit etwa einem Drittel des Friedhofsgeländes an eine Wohnungsbaugesellschaft verkaufen (Abb. 2).


Der ehemalige Friedhofseingang an der Prenzlauer Allee, der einem Gebäude Platz gemacht hat (2)

An Stelle des ehemaligen Eingangs befindet sich inzwischen ein Wohnhaus, das zurzeit u.a. eine Galerie und die Grüne Liga Berlin beherbergt. Das zweite Drittel der Fläche, das an die Rollerstraße angrenzt, wurde vom Berliner Senat gekauft, mit dem Ziel es in einen Park umzuwandeln. Diese Fläche wurde eingezäunt. Die seitdem noch übrige Friedhofsfläche ist dadurch nur über den Friedhof der Georgen-Parochialgemeinde zu erreichen. Auf ihr finden Nachbeisetzungen statt. Eine Neugestaltung ist für spätere Zeiten vorgesehen. Anzumerken ist, dass ein Teil dieser Restfläche, der weiterhin gewidmeter Friedhof ist, zurzeit an Bewohner der Randbebauung der Prenzlauer Allee verpachtet ist.2

Die an den Senat verkaufte Fläche wurde 2012 als Leise-Park neu eröffnet. Dieser ist nur durch den ehemaligen Friedhofeingang an der Heinrich-Roller-Straße aus zu betreten. Mit der Umgestaltung wurde das Landschaftsarchitekturbüro "gruppe f - Freiraum für alle" in Berlin beauftragt. Die Finanzierung erfolgte aus dem Förderprogramm "Zukunftsinitiative Stadtteil, Teilprogramm Stadterneuerung" des angrenzenden Sanierungsgebiets, verbunden mit Geldern des Bezirks. Der Flächenerwerb hatte das Land Berlin 1,9 Millionen Euro gekostet; die Herrichtung erforderte weitere 371.000 Euro. Als Entwicklungsziel war vorgegeben, dass eine extensiv gestaltete Parkanlage mit Spielangeboten entstehen sollte. Anwohner, zu denen auch zwei Schulen gehören, wurden an der Planung beteiligt. Ergebnisse aus dieser Beteiligung wurden umgesetzt.

Etwa 40 Grabsteine und ein Großteil der vorhandenen Friedhofsvegetation sind erhalten geblieben. Im nördlichen Teil wurden an verschiedenen Stellen Bänke, Hängematten, Holzpodeste und ein kleiner Aussichtsturm errichtet. Umgelegte Grabsteine wurden teilweise in Sitzgelegenheiten und Balanciermöglichkeiten umgewandelt. In den südlichen Teil wurde dagegen kaum eingegriffen, so dass die Natur dort weiter wuchert (Abb. 3, 4 und 5).



Aussichtsturm und Balancierbalken im Leise-Park, 2023 (3/4)

Beschilderung im Leise-Park - im Hintergrund ist die ehemalige Friedhofsmauer als Graffitti-Fläche erkennbar, 2023 (5)

Der für einen ehemaligen Friedhof sehr passende Name des neuen Parks stammt von den benachbarten Schulkindern und weist darauf hin, dass es sich um einen Ort der stillen Erholung handelt. Dementsprechend fordert die Parkordnung von den Besuchern Rücksichtnahme, weil die neuen Spielgeräte zwischen alten Grabsteinen stehen, die noch "Orte der Andacht und Trauer" sind. Unter anderem ist das Kriegerdenkmal für die Gefallenen der Marien-Gemeinde, das 1927 von Robert Saake geschaffen wurde, am Ort seiner Aufstellung erhalten (Abb. 6).


Denkmal für die Gefallenen der Mariengemeinde von Robert Saake, 1927 (6)

So sind Grillen und Partys ebenso wie das Ausführen von Hunden im Leise-Park nicht erlaubt. Nachts sind die Tore verschlossen. Es gibt kleine Schilder, die Pflanzen und Tiere beschreiben. Besonders Füchse und Eichhörnchen haben das wilde Grün anscheinend schon lange als Refugium für sich entdeckt.

Der Friedhofspark an der Pappelallee

Den sehr viel kleineren ehemaligen Friedhof an der Pappelallee trennt ebenfalls eine Backsteinmauer mit Gittertor von der namensgebenden Wohnstraße. Die Inschrift auf der Innenseite des Tores "Schafft hier das Leben gut und schön/kein Jenseits ist, kein Aufersteh'n" weist darauf hin, dass keine christliche Auferstehungshoffnung mit diesem Ort verbunden war, obwohl der 1847 eröffnete Begräbnisplatz ursprünglich der Deutsch-katholischen Gemeinde gehörte, die später zur Freireligiösen Gemeinde wurde (Abb. 7). Noch heute ist die 1905 bis 1907 erbaute Feierhalle erhalten, die sowohl für Abschiedsfeiern wie als Versammlungsraum genutzt wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg errichtete die Gemeinde hinter ihr angrenzend ein Verwaltungsgebäude.


Friedhofseingang an der Pappelallee von innen (7)

Die Nationalsozialisten verboten 1934 die gesamte Freigeistige Bewegung "wegen kommunistischer Umtriebe" und beschlagnahmten das Vermögen. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es nur in Westberlin zu einer Wiedergründung im Jahr 1955. Der Friedhof im damaligen Ostberlin wurde wenig später verstaatlicht. Nach seiner Schließung wurde er 1977 unter Denkmalschutz gestellt. Nach der Wende forderte ein Bürgerkomitee seine Erhaltung und eine Umgestaltung, die auf das historische Erbe Rücksicht nehmen und an die Freireligiöse Gemeinde erinnern sollte. Der zu einem öffentlichen Park mit Spielplatz umgestaltete Friedhof wurde 1995 der Öffentlichkeit übergeben. Einige Grabmale historischer Persönlichkeiten hatte man dabei nach gestalterischen Gesichtspunkten umgesetzt. Die Anlage wurde im selben Jahr 1995 mit dem Gustav-Meyer-Preis gewürdigt (Abb. 8).


Grabmal Roller auf dem Friedhofspark Pappelallee (8)

1998 erhielt die Freireligiöse Gemeinde ihren alten Grundbesitz zurück und wurde damit zur Eigentümerin des Parks und der zugehörigen Gebäude. Etwa zwei Jahre später verkaufte sie ihre Häuser auf dem Grundstück Pappelallee 15 einschließlich der ehemaligen Feierhalle. Sie erlaubte auch, dass im östlichen Bereich des Geländes durch den Bezirk ein Spielplatz angelegt wurde.

Wie der Leise-Park wird auch der Friedhofspark Pappelallee abends abgeschlossen. Allerdings kam es 2015 zu Auseinandersetzungen, weil das Gelände sich zur Freizeitanlage entwickelt hatte, auf der Kinder Ball spielten und Picknicks veranstaltet wurden. Diese Nutzung gefiel der Gemeinde nicht. Der Abbau des Spielplatzes wurde gefordert.3 Drei Jahre später gab es wieder Auseinandersetzungen, weil ein Teil der Anlage bebaut werden sollte; Anfang 1922 wurde der Friedhofspark monatelang geschlossen, da der Nutzungsvertrag zwischen der Gemeinde und dem Bezirk Pankow ausgelaufen war. Dadurch war die Frage der Haftpflicht offen, so dass man nur den drei Kitas, die den Park als Erholungsfläche nutzten und selbst versichert waren, ein Nutzungsrecht auf eigene Gefahr einräumte.4 Nach der Einigung mit dem Bezirk wurde gemeinsam eine Parkordnung erarbeitet, die u. a. auch auf das Mitnahmeverbot von Hunden enthält.5

Darauf hinzuweisen ist zum Schluss, dass in der Innenstadt Berlins inzwischen mehr als ein Drittel aller Friedhofsflächen nicht mehr zum Beerdigen genutzt wird. Damit steigt der wirtschaftliche Druck auf diese Flächen an und es entsteht offenbar immer wieder die Gefahr, dass sie in Teilen verkauft und überbaut werden.

Anmerkungen

1 Die Aktionen und den Einfallsreichtum der Bürgerinitiative kann man noch heute im Internet unter der Adresse http://bi-rollerfriedhof.blogspot.com/ nachvollziehen.
2 Ich danke Herrn Bartenstein, Ev. Friedhofsverband Berlin Stadtmitte, für diese telefonische Auskunft vom 17.3.2023
3 "Kuriose Debatte - Spielplatz auf Friedhof gebaut, jetzt Ärger um spielende Kinder", BZ vom 19.09.2015 https://www.bz-berlin.de/archiv-artikel/spielplatz-auf-friedhof-gebaut-…
4 Julia Schmitz, Keine Pause im Pappelpark, in: Prenzlauer Berg Nachrichten von 25. April 2022, https://www.prenzlauerberg-nachrichten.de/2022/04/25/keine-pause-im-pap…
5 Pressemitteilung des Bezirksamtes Pankow vom 12.07.2022 https://www.berlin.de/ba-pankow/aktuelles/pressemitteilungen/2022/press…

Fotos: 1: Stephan Hadraschek; 2: Mutter Erde - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=63135170; 3-5: © iJulia Michael; 6: Mutter Erde - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=63138137; 7: Dan Pelleg - Eigenes Werk, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3735592; 8: Von A. Savin, Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1176357)

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Vom Friedhof zum Park (Juni 2023).
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