Der Alte Niendorfer Friedhof hat seinen Ursprung auf dem Kirchhof rund um die 1770 eingeweihte Niendorfer Barockkirche. So, wie er sich heute präsentiert, entstand er nachweislich erst im Jahre 1847. In einigen Publikationen, insbesondere auf Internetseiten, die sich mit den Niendorfer Friedhöfen beschäftigen, wird fälschlicherweise das Jahr 1840 genannt.
Am 14. November 1770 wurde die neu errichtete Kirche auf dem Theebarg in Niendorf eingeweiht und damit zugleich ein neues Kirchspiel, bestehend aus den Dörfern Lokstedt, Niendorf, Schnelsen, Eidelstedt, Stellingen-Langenfelde und Hummelsbüttel gegründet. Die Dörfer gehörten bisher zum Kirchspiel Eppendorf, auf dessen Kirchhof auch ihre Verstorbenen beigesetzt wurden.
Rund um die Kirche, begrenzt durch 72 im Quadrat angeordnete Linden und einer Natursteinmauer (Abb. 1 und 2) entstand der Friedhof des neuen Kirchspiels. Die Verstorbenen wurden jetzt innerhalb des Lindenkranzes "kirchenfensterorientiert" beigesetzt - dicht an dicht, einer neben dem anderen, ohne Grab-mal oder Platz des Gedenkens. Die Beisetzungen wurden im Todten-Register des Kirchspiels Niendorf dokumentiert und lediglich durchnummeriert. Am Anfang jeden Jahres begann die Nummerierung wieder von vorne. Die erste dokumentierte Beisetzung in Niendorf fand am 2. Dezember 1770 statt: Maria Laurentia, Tochter des Schustergesellen John Kobat aus Lokstedt. 12 Monate alt.
War der Kirchhof voll belegt, begann die Platzierung von Neuem. Das war in den ersten Jahrzehnten möglich, da die damals vorgeschriebene Ruhezeit von 25 Jahren eingehalten werden konnte. Im Laufe der Jahre wuchs die Anzahl der Gemeindemitglieder, die Anzahl der jährlichen Bestattungen nahm zu, die bereits belegten Plätze wurden wieder benötigt, bevor die vorgeschriebene Ruhezeit abgelaufen war. Es entstand Bedarf an mehr Platz für die Verstorbenen - der Kirchhof musste erweitert werden.
Die erste Erweiterung des Kirchhofs 1847
Am 25. August 1846 schrieb Pastor Wilhelm Friedrich Bartelsen (1779-1857) einen Brief an die Hohe Königliche Kirchenvisitation der Propstei Pinneberg mit Argumenten für eine dringend erforderliche Erweiterung des Kirchhofs (Abb. 3):
"a) Im Durchschnitt sterben in diesem Kirchsp. im Jahr 96 Personen.
b) Erbbegräbnisse gibt es gar nicht. Die meisten Leichen werden auf dem gemeinschaftlichen Kirchhof bestattet (....) weshalb hier von Hügeln oder Denkmälern keine Rede ist.
c) Auf dem südlich vom Kirchhof gelegenem Pastorenland ist bereits ein kleiner Streifen abgetrennt für Beisetzungen mit Grabmal und Gedenkstätte. Dieser Platz ist jetzt voll belegt.
d) (...)
e) Durch die Überfüllung des gemeinschaftlichen Kirchhofs ist die vorgeschriebene Ruhezeit von 25 Jahren nicht mehr einzuhalten. Die Ausweitung auf das Pastorenland um 260 Q-Ruthen [gemeint ist die preußische Quadratruthe. Eine Q-Ruthe = 14,1845827 qm] wird für die nächsten 100 Jahre ausreichend sein.
Niendorf, den 25. Aug. 1846
gez. Pastor Bartelsen"
Im letzten Punkt seines Briefes irrt Pastor Bartelsen gewaltig. Bereits 20 Jahre nach der ersten war die nächste Erweiterung erforderlich. Im Punkt c) seines Briefes beschreibt er, dass ein kleiner Streifen des Pastorenlands bereits für Ruhestätten mit Grabmal als Gedenkstätte angelegt war. Heute wird das dokumentiert durch das älteste, noch vorhandene Grabmal aus dem Jahre 1806 - also lange vor der ersten, offiziellen Erweiterung im Jahre 1847. Es ist das Grabmal von Christine Louise Claussen, die am 15. Juli 1806 im Alter von 27 Jahren an einem Lungenleiden in Lokstedt starb. Sie war die Frau eines Hamburger Kaufmannes, der sich durch den Umzug von Hamburg in die saubere Landluft nach Lokstedt die Genesung seiner Frau erhoffte.
Dem Wunsch des Kirchspiels Niendorf wurde stattgegeben und, nachdem alle Ausgleichszahlungen für die Übernahme des Grundstücks, also des Pastorenlands, das in Richtung Süden an den Kirchhof anschloss, durch die Kirche geregelt waren, konnten ab 1847 außerhalb des Lindenkranzes die Verstorbenen beigesetzt werden.
Das Pastorenland wurde dem jeweiligen Pastor der Niendorfer Kirche für die Selbstversorgung oder zur Verpachtung an die Bauern überlassen. Durch die Erweiterung des Kirchhofs wurde es entsprechend kleiner und für die dadurch verlorenen Erträge, sei es Obst oder Gemüse aus Eigenanbau oder die verringerte Pacht der Bauern, musste ein finanzieller Ausgleich an die Pastoren gezahlt werden.
Da jetzt auch größere Ruhestätten, angelegt als große Gruft, Familiengrab oder Erbgrabstätte, möglich wurden, musste eine Friedhofsordnung erarbeitet werden, die alle Details der Bestattungen und die Gestaltung der Ruhestätten regelte. Am 7. Juli 1847 wurde dieses "Regulativ" mit zwölf Paragraphen von der Königlich Schleswig Holsteinischen Regierung auf Gottorp genehmigt und in Kraft gesetzt.
Das 1. Regulativ vom 7. Juli 1947
Im Regulativ wurde auf "eine der Weihe des Ortes und dem christlichen Charakter angemessene Nutzung sowie Rücksicht auf andere Gräber" hingewiesen, sowie die genaue Aufgabe des Totengräbers beschrieben. Für die Beisetzung war der jeweilige Küster zuständig. Die "Kuhle" wurde vom "Totengräber", einer Hilfskraft des Küsters, gegraben, der auch als "Kirchenknecht" für das Treten des Blasebalgs der Orgel, das Läuten der Glocke und das Anzünden der Kerzen verantwortlich war.
"Der Totengräber muss, mit einem langen schwarzen Rock und einem schwarzen Hut bekleidet, jede Leiche an der Kirchhofspforte in Empfang nehmen und die Abladung der angefahrenen Leiche leiten. Er muss sodann vor der Leiche hergehen und den Leichenzug nach dem Grabe hinführen. Alsdann hat er bei der Beerdigung die notwendigen Anweisungen zu geben und hülfreiche Hand zu leisten, wo solches not thut; namentlich soll es ihm obliegen, die Grabhölzer wegzuziehen."
Die zur Beisetzung benötigten Utensilien wurden von der Kirche bereitgestellt.
"Der Totengräber hat für deren sorgfältige Aufbewahrung zu sorgen, sowie auch dar-auf zu sehen, dass sich dieselben bei Beerdigungen in gutem Zustand befinden."
Der Totengräber hatte auch für Ordnung auf dem Kirchhof zu sorgen: "Der Totengräber hat darauf zu achten, dass auf dem Kirchhof keine Unordnung vorkommt, insbesondere dass die Monumente, Einfassungen, Sträucher, etc. nicht beschädigt werden, dass keine anstößigen Denkmäler und Inschriften errichtet und gesetzt werden, sowie dass der Kirchhof nicht zum Spielplatz von der Jugend oder zum Bleichen und zur Trockenstelle von Wäsche benutzt werde."
Vorausgesetzt wurde, dass der Totengräber die aufgeführten Aufgaben nur erfüllen konnte, wenn er in unmittelbarer Nähe des Kirchhofs wohnte. 1794 kam der Schneider Johann Jochim Jürs aus Ohlstedt nach Niendorf und erwarb am 26. Nov. 1803 eine Hofstelle auf der Flur Johann Ehsch, direkt neben der Kirche und erfüllte somit diese Voraussetzung. Er übernahm das Amt als "Kuhlengräber und Kirchenknecht" im Dienste von Küster Cord Dreyer und legte somit den Grundstein für die, bis heute andauernde, Verbindung der Familie Jürs mit den Niendorfer Friedhöfen. Die Friedhofsverwaltung wurde 189 Jahre in ununterbrochener Folge in sechs Generationen der Familie Jürs bis 1992 betrieben. Der Bereich "Jürs-Bestattungen" besteht bereits seit 219 Jahren, wurde aber ab 1930 als selbständiges Unternehmen geführt und ist noch heute als Bestattungsunternehmen Erwin Jürs Stiftung der wichtigste Bestatter auf den Niendorfer Friedhöfen.
Die zweite Erweiterung des Kirchhofs 1867
Wie bereits erwähnt, war die nächste Kirchhofserweiterung bereits nach 20 Jahren erforderlich und wurde im Jahre 1867 durch den amtierenden Niendorfer Pastor Christian Heinrich Sörensen (1808–1880) beantragt. Ein weiteres Stück des Pastorenlands auf dem Thees-Stück, im Anschluss an die erste Erweiterung 1847 in Richtung Süden, wurde für Begräbnisse freigegeben.
Bei dieser Erweiterung wurde in Abstimmung mit der Hohen Königlichen Kirchenvisitation der Propstei Pinneberg in "Allgemeine Begräbnisstätten" und "Erbbegräbnisstätten" unterschieden. Für allgemeine Gräber waren 65 Q-Ruthen (921,7 qm) und für die Erbbegräbnisse 160 Q-Ruthen (2268,8 qm) vorgegeben - gesamt also 225 Q-Ruthen, bzw. 3190,5 qm. Der erheblich größere Anteil der Erweiterung an Erbbegräbnisstellen ist mit der großen Nachfrage wohlhabender Hamburger zu erklären, die auf diesem schönen Parkfriedhof, mit Blick auf "ihre" Stadt Hamburg, beigesetzt werden wollten.
Die dritte Erweiterung des Kirchhofs 1882
Da seit der Erweiterung von 1867 keine Begräbnisse mehr auf dem ursprünglichen Kirchhof um die Kirche herum stattfanden, standen für die Beisetzung der Bürger des gesamten Kirchspiels und die immer zahlreicher werdenden Erbbestattungen der wohlhabenden Hamburger gerade mal 485 Q-Ruthen (6877,5 qm) zur Verfügung. Die Hamburger kauften sich Flächen für große Grüfte, die überdurchschnittlich viel Platz auf dem Friedhof beanspruchten. Das führte dazu, dass 15 Jahre nach der zweiten Erweiterung, am 4. Mai 1882, vom Kirchenvorstand, unter Vorsitz von Pastor Detlev Joachim Gustav Rode (1849-1895) ein neuer Antrag auf Erweiterung des Kirchhofs beim Synodalausschuss zu Uetersen gestellt wurde. Ein Gutachten des Herrn Kreis-physikus Dr. Wenck ergab, dass in den letzten sieben Jahre durchschnittlich pro Jahr 88 Kinderleichen und 61 Erwachsenenleichen beigesetzt wurden, sodass die vorhandene Fläche in Kürze nicht mehr ausreichen würde. Diesmal wurde der Kirchhof auf dem Thees-Stück um 1 ha, 56 Ar und 69 qm erweitert, wiederum im südlichen Anschluss an den bestehenden Kirchhof. Er endete jetzt an der Lindenallee, welche die Zufahrt zu Villa und Sommerhaus der Familie von Berenberg-Gossler bildete. Damit bekam der Kirchhof eine Gesamtgröße von 2 ha, 25 Ar und 48 qm.
Wegen der Begräbnisgebühren kam es zwischen der Kirchengemeinde Niendorf und dem Synodalausschuss der Propstei Pinneberg zu Diskussionen bezüglich der vielen "Fremdleichen". Die Bürger des Kirchspiels beschwerten sich darüber, dass sie die gleichen Begräbnispreise bezahlen mussten wie die "Fremden", obwohl sie selbst ihre Kirchenkollekte im Kirchspiel entrichteten, die "Fremden" aber nicht. Am 16. April 1892 bewilligte Das Königlich evangelisch lutherische Consistorium in Kiel die Preise für Erbbegräbnisse, getrennt nach "Eingesessenen des Kirchspiels" und "Fremdleichen" - mit großen Preisunterschieden.
Das hielt die betuchten Hamburger aber nicht davon ab weiterhin in Niendorf Gräber zu erwerben - eine gute Einnahmequelle für die Kirchengemeinde Niendorf, sehr zum Nachteil der Gemeinde, der der Erwerber angehörte. Die großen Grüfte der Hamburger sind überwiegend auf der Erweiterungsfläche des Friedhofs von 1882, in den Abteilungen IV und V zu finden.
Auch diese Erweiterung des Kirchhofs war bald nicht mehr ausreichend, obwohl die Gemeinden Eidelstedt und Stellingen-Langenfelde sich am 1. Okt. 1892 vom Kirchspiel Niendorf lösten. Stellingen bekam bereits am 5. Okt. 1893 einen eigenen Friedhof, Eidelstedt erst am 13. Juli 1906 (Tag der Weihe) an der neuen Elisabethkirche. Hummelsbüttel trat 1894 aus dem Kirchspiel Niendorf aus und wurde der Kirchengemeinde Fuhlsbüttel angeschlossen.
Die verbliebenen Gemeinden des Kirchspiels wuchsen und der Wunsch der "Hamburger", auf dem Niendorfer Kirchhof beigesetzt zu werden, blieb ungebrochen. Etliche Hamburger Kaufleute, Bankiers, Reeder und Senatoren hatten im Kirchspiel Niendorf ihre Sommerhäuser, wussten die Vorzüge der ländlichen Idylle zu schätzen und sicherten sich Ruhestätten auf dem Niendorfer Kirchhof. 1895 wurde im Kirchenvorstand der Beschluss gefasst, einen zweiten, den "Neuen Niendorfer Friedhof" zu bauen. Es wurden verschiedene Standorte diskutiert und begutachtet - schließlich einigte man sich auf ein Grundstück an der heutigen Straße "Sootbörn" auf der Flur "Ohl Dörp", das zu dem Niendorfer Hof 8 des damaligen Besitzers Hermann Evers gehörte und kaufte es für 48.000 Mark. Bei der Aufbereitung und Erschließung des Geländes gab es erhebliche Schwierigkeiten mit der Entwässerung, sodass der "Neue Niendorfer Friedhof" erst 1903 seinen Betrieb aufnehmen konnte.
Auf dem Kirchhof zwischen Lindenkranz und Kirche wurde bis ca. 1870 beigesetzt. Durch die Erweiterungen wurde er nach 130 Jahren entbehrlich und 1900 komplett eingeebnet (Abb. 4 und 5).
Da der ursprüngliche Kirchhof nicht mehr als Begräbnisstätte existierte und ein "Neuer Niendorfer Friedhof" entstand, war eine Unterscheidung zwischen den beiden Friedhöfen erforderlich: Der bisherige Kirchhof wurde zum "Alten Niendorfer Friedhof".
Das Aufsichtsgremium beider Niendorfer Friedhöfe war der Kirchenvorstand (heute Kirchengemeinderat), der von den beiden Kirchengemeinden Lokstedt und Niendorf gestellt wurde. Die Verwaltung der Friedhöfe wurde am 7. März 1938 durch die Gründung eines Friedhofsausschusses neu geregelt: "(...) Der Friedhofsausschuss besteht aus den Vorsitzenden der beiden Kirchengemeinden und vier weiteren Mitgliedern, von denen je zwei von jeder Kirchenvertretung der Kirchengemeinden bestimmt werden. Den Vorsitz führt der im Pfarrbezirk Niendorf amtierende Geistliche." So der Wortlaut im §1 des Sitzungsprotokolls. Im §4 des Protokolls wird die Weisungsbefugnis gegenüber dem Friedhofsverwalter beschrieben: "Bei Ausführung der Verwaltung und Aufsicht bedient sich der Friedhofsauschuss des Friedhofverwalters."
Die letzte große Erweiterung des Alten Niendorfer Friedhofs 1956
Anfang der 1950er Jahre sollte die Bundesstraße B447 von Schnelsen bis Dammtor ausgebaut werden. Das Verkehrsaufkommen war drastisch gestiegen, sodass ein mehrspuriger Ausbau der Straße in beiden Richtungen erforderlich wurde. Der Bereich Kollaustraße sollte von ca. 7m auf 30m verbreitert und die Straßenbahn - mit einem zweiten Gleis versehen - in die Fahrbahnmitte verlegt werden. Für den Alten Niendorfer Friedhof bedeutete das, einen Streifen entlang der Kollaustraße vom Gemeindehaus im Norden bis zum Friedhofsende an der Einfahrt in den Gossler-Park im Süden an die Stadt abzugeben (Abb. 6 und 7). Als Ausgleich wurde ein 2,4 ha großer Streifen des Parks auf der westlichen Seite des Friedhofs aus dem Besitz des Freiherrn von Berenberg-Gossler gegen einige Auflagen und Ausgleichsleistungen an die Kirche abgetreten.
Eine gewaltige Aufgabe kam auf die Friedhofsverwaltung zu. 800 Ruhestätten waren betroffen, mit deren Besitzern ein adäquater Ausgleichsplatz gefunden und ausgehandelt werden musste. Etliche der Nachkommen der Beigesetzten haben im Zuge dieser Aktion ihre Ruhestätte aufgelöst. So sind einige interessante Persönlichkeiten, die auf dem Alten Niendorfer Friedhof beigesetzt wurden, heute leider nicht mehr präsent.
Der dadurch entstandene neue Teil des Friedhofs wird auch Waldfriedhof genannt und im Plan als Abteilung VI geführt; Waldfriedhof deshalb, weil der ehemalige Parkcharakter dieser Fläche weitgehend erhalten geblieben ist (Abb. 8). Aus den vorgenannten Gründen sind in der Abteilung VI nur wenige der umgebetteten Ruhestätten zu finden. Hauptsächlich sind in Abteilung VI Verstorbene aus der Zeit nach 1956 beigesetzt.
Mit dieser letzten Erweiterung hat der Alte Niendorfer Friedhof eine Größe von 4,5 ha erreicht und ist für ca. 2350 Ruhestätten mit 6500 Gräbern ausgelegt.
Die Niendorfer Friedhöfe und der Hamburger Flughafen
Mit der Erweiterung des Hamburg Airport im Jahre 1960 ist der Flughafen in gefährliche Nähe beider Niendorfer Friedhöfe gerückt. Im Laufe der Jahre wurden immer größere Flugzeuge gebaut, die längere Start- und Landebahnen benötigten. Die erste Boeing 747/Jumbo, damals das größte Passagierflugzeug der Welt für max. 480 Passagiere, landete am 30. März 1970 auf dem Hamburg Airport. Die Landeschwelle (der mittlere Aufsetzpunkt der Flugzeuge) auf der Start- und Landebahn 1 (Runway 5/23) ist bei Anflug über Niendorf nur noch 1700m vom Alten Niendorfer Friedhof entfernt. Das hat zur Folge, dass die großen Passagier- und Frachtmaschinen bei der Landung nur noch gut 80m über dem Friedhof schweben. Der Friedhof liegt zwar nicht exakt in der Anfluglinie, befindet sich aber seit der Verlängerung der Runway 5/23 in Richtung Niendorf im Sicherheitsbereich des Flughafens. Gesetzliche Vorgaben zur Sicherung des Luftverkehrs bestimmten deswegen, dass die Bäume in diesem Bereich entsprechend kurz gehalten werden müssen. 1977 war es dann soweit. Die gesetzlichen Bestimmungen zur Sicherung des Luftverkehrs sollten umgesetzt werden: Es sollten ca. 600 Einzelbäume und 200 in Gruppen stehende Bäume, teilweise weit über 100 Jahre alt, auf den beiden Niendorfer Friedhöfen gekappt oder gefällt werden; in den Akten "Wiederherstellung der Hindernisfreiheit" genannt. Insgesamt standen 2250 Bäume im Sicherheitsbereich der Einflugschneise, im Niendorfer Gehege, auf den beiden Friedhöfen und einigen Privatgrundstücken zur Disposition. Im Lokstedter Ortsausschuss und in der Eimsbütteler Bezirksversammlung wurden von allen Fraktionen erhebliche Zweifel an der Notwendigkeit dieser radikalen Maßnahme angemeldet und Einspruch gegen diesen Senatsbeschluss erhoben - es wurden andere Lösungsvorschläge gefordert.
Auf dem Alten Niendorfer Friedhof wurden 77 Bäume ermittelt, die gefällt werden sollten (Abb. 9). Die Kirchengemeinde Niendorf weigerte sich diese Maßnahme durchzuführen. So kam es zu einem Rechtsstreit zwischen Kirche und der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Landwirtschaft der Freien und Hansestadt Hamburg. Am 6. Juni 1983 einigte man sich schließlich außergerichtlich auf das Fällen von 18 Bäu-men und Auslichten von 80 Bäumen auf dem Alten Niendorfer Friedhof und einer Ausgleichszahlung für die Wertminderung des Baumbestands von DM 1,8 Mio.
Die nächste Auslichtung einiger Bäume erfolgte bereits fünf Jahre später. Da Bäume nach oben ans Licht streben, wird es auch weiterhin in regelmäßigen Abständen zu Auslichtungen kommen. Wichtig ist, dass der Parkcharakter des Alten Niendorfer Friedhofs erhalten bleibt. Zuletzt wurden 2020 wieder Bäume gestutzt und leider auch gefällt. Für das Fällen war in diesem Jahr aber der Borkenkäfer verantwortlich, der sich witterungsbedingt explosionsartig vermehren konnte.
Anmerkung des Verfassers: Der Geschichtsverein Forum-Kollau e.V. bietet jedes Jahr im Frühling und im Herbst Führungen auf dem Alten Niendorfer Friedhof an, deren Themen und Termine auf www.forum-kollau.de und www.facebook.com/forum-kollau bekannt gegeben werden. Diese Führungen sind kostenlos - der Verein freut sich aber über eine Spende der Teilnehmer.
Fotos: Manfred Meyer