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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Werke von Richard Kuöhl auf dem Ohlsdorfer Friedhof

In Ohlsdorf ist Richard Kuöhl mit einer Reihe von unterschiedlichen Werken vertreten. Ähnlich wie er in der Stadt verschiedene Genres bedient hat, hat er auf dem Friedhof neben einer größeren Anzahl von Grabmalen für Familien und Einzelpersonen auch offizielle Grabstätten gestaltet.

Zu nennen ist das Gemeinschaftsgrab für die Polizei - Revier Blutbuche - und das Grabmal für den im Ersten Weltkrieg hoch dekorierten Kunstflieger Paul Wilhelm Bäumer (Abb. 1). Außerdem war er mit Bauplastik und -ornamenten an Fritz Schumachers Krematorium beteiligt.


Grabmal für Paul Bäumer (1)

Schon in seinem ersten Werk für den Friedhof findet sich die enge Verbindung zu Fritz Schumacher, der 1909 als Baudirektor und Leiter des Hochbauwesens in Hamburg zu arbeiten begonnen hatte. Schumacher entwarf die Grabstätte des 1912 verstorbenen Bürgermeisters Johann Heinrich Burchard und zog Kuöhl für die ornamentale Ausgestaltung hinzu. Es handelt sich dabei um die mehr als hundertfünfzig Quadratmeter große Grabanlage, die repräsentativ auf einem Hügel in der Nähe des Nordteichs liegt. Die ringförmige Anlage ist wie ein kleiner Privatfriedhof von einer Steinbrüstung umgeben, in deren hinterem Teil acht flachbogige Stelen mit verzierter Rahmung eingelassen sind, während in der Mitte eine gewölbte Steinplatte mit Bronzebeschlag liegt (AA 16, 1-24, 28-54).

Zehn Jahre später führte der Bildhauer Fritz Schumachers Entwurf für die Ehrengrabstätte der Polizei aus (K 7 / L 6, 341-3, 353- 6 / L 7, 283-321) (Abb. 2). In der Gestaltung der zentralen Inschriftenplatte mit Stahlhelm, Militärkoppel und einem Schwert auf Eichenlaub findet sich schon in den 1920er Jahren jener herbe Stil, der später auf den umstrittenen "Kriegerdenkmalen" des Bildhauers zum Tragen kommen sollte. Wie andere Künstler auch unterlag Kuöhl den Einflüssen der aktuellen Kunstentwicklung mit ihren verschiedenen Stilrichtungen. Zudem arbeitete er mit unterschiedlichen Materialien, die sich auf die Gestaltung auswirkten.


Liegeplatte mit Inschrift auf der Grabstätte der Polizei – Revier Blutbuche (2)

In dem Grabmal Brückner (AD 36, 62-71) von 1920, wie in den beiden Grabmalen Weißleder (P 19, 378-87) von 1921 und später noch einmal in dem Grabmal Bach (Q25, 97-108) von 1935, übernimmt Kuöhl den Baustil Fritz Schumachers, der bevorzugt den norddeutschen Rotklinker einsetzte und sich für die Ausschmückung mit keramischer Bauplastik engagierte. Bei allen drei Grabmalen sind die zugehörigen Figuren expressionistisch gestaltet, wobei zu den Prinzipien dieses Stils die radikale Formvereinfachung, sowie eine Übersteigerung und Verdichtung des Menschenbildes gehören. Besonders deutlich lassen sich diese Stilmerkmale an dem Engel auf dem Grabmal Brückner (Abb. 3) erkennen, der in einer exaltierten Trauerhaltung versunken auf seinem hohen gemauerten Sockel kniet.


Die Engelsfigur auf dem Grabmal Brückner (3)

Bei dem Grabmal Weißleder (Titelbild)) übernimmt der Bildhauer neben der Übersteigerung der Haltung auch die typische Abstraktionsweise des Expressionismus, in der die Formen immer wieder gebrochen werden, und gestaltet die Gewandfalten des Kruzifixes als zackige Linien. Bei den vier Figuren der Grabmalwand Bach (Abb. 4/5), die wesentlich später entstanden sind und die vier Lebensalter versinnbildlichen, setzt er dann schon wieder weichere Formen ein und nimmt auch den übersteigerten Ausdruck deutlich zurück.


Grabmal Bach, Gesamtansicht (4)

Grabmal Bach, die Figuren auf der rechten Seite zeigen einen Mann in der Mitte seines Lebens und einen alten Mann (5)

Kuöhl arbeitete aber nicht nur in den von Fritz Schumacher bevorzugten Materialien, sondern auch in Naturstein und Bronze. Letztere ist allerdings auf dem Friedhof nicht vertreten. Dagegen gibt es eine Reihe von kleineren Natursteingrabmalen, die mit Reliefs ausgeschmückt sind. Auch diese Figuren weisen in den 1920er Jahren stilistisch auf den Expressionismus hin. Doch entwickelt der Bildhauer einen eigenen Stil, der seine Werke dieser Periode so stark prägt, dass sie leicht zu identifizieren sind.

So besteht das Grabmal Plüschau (S 21, 182-91) von 1921 (Abb. 6) aus einer breiten, dreigeteilten Grabmalwand, auf der in der Mitte ein Engel waagerecht durch Wolken, Strahlen und Sterne schwebt. Einen ganz ähnlichen Engel (Abb. 07) hat Kuöhl ein zweites Mal als Bauplastik für Fritz Schumachers Krematorium von 1933 geschaffen. Dort sind die Formen allerdings - möglicherweise aufgrund des verwendeten Materials, denn das Relief ist aus Klinkersteinen gemauert - deutlich abstrakter gehalten.


Der schwebende Engel auf dem Grabmal Plüschau (6)

Zu erwähnen ist, dass er außerdem auch für die ornamentale Bauplastik am Krematorium verantwortlich war (Abb. 7/8).



Fenstergitter und ornamentales Schmuckdetail nach dem Entwurf von Kuöhl am Schumacher-Krematorium (7/8)

Das Motiv des Engels wandelt er auf der Grabmalwand der Familie Rademacher (X 25, 258-67) von 1923 (Abb. 9) in einen stehend schwebenden Engel zusammen mit ganz ähnlichen abstrahierten Wolkenformationen ab und es taucht ohne Flügel noch einmal auf dem Grabmal Maxein auf (AA 26, 61-6). (Abb. 10)


Grabmal Rademacher (9)

Schwebende Trauernde auf dem Grabmal Maxein (10)

Noch stärker prägt sich Kuöhls Stil in den Plastiken aus, die sehr schlanke, junge Frauen und einige wenige Männer darstellen, die trotz ihrer ausdrucksstarken Haltung in sich geschlossen wirken. Gekennzeichnet sind sie besonders durch den Faltenwurf ihrer meist hauchzarten Bekleidung. Sie lässt die Körperformen einerseits deutlich hervortreten und überspielt sie andererseits auch mit den dünnen Graten der Gewandfalten, so dass durch ihre angedeutete Bekleidung ihre Nacktheit noch betont wird. Beispiele dafür sind zum einen die beiden männlichen Trauernden zu Seiten der Grabmalwand für die Familie Kuball, die seit 1860 in Hamburg eine Glaserei betreibt (O 9, 31-40), um 1925 (Abb. 11-13): Der eine blickt zum Himmel auf und der andere stützt in sich versunken den Kopf in die Hand. Über den oberen Rand des Grabmals läuft ein linear stilisiertes Rankenornament, das auch ornamental auf den expressionistischen Stil des Künstlers in dieser Zeit hinweist.


Grabmal Kuball (11)

Figur auf Grabmal Kuball zum Himmel aufschauend (12)

Figur auf dem Grabmal Kuball, in Gedanken versunken (13)

Typischer aber sind zum anderen die einzeln stehenden Frauenfiguren, die auf unterschiedlich gestalteten Sockeln erscheinen: Auf der Grabstätte Kutsch (ehemals Köser, P 11, 27-32) von 1927 (Abb. 14) steht die junge Trauernde im Kontrapost versunken auf einem schmalen Sockel und hält einen Rosenstrauß mit beiden Händen an die Brust gedrückt, während sich die Figur auf der Grabstätte Tchilinghiryan (O 12, 190-1) von 1927 (Abb. 15) auf einem blockartigen Postament zusammenkauert und eine Rosenknospe in der Hand hält. Beschriftet ist der der Sockel mit dem Spruch: "Ich dachte hin ich dachte her, um Glück für dich zu werben, nur an das Eine dacht ich nicht, dass du mir könntest sterben." Bei der Grabstätte Köser (O 11 , 99-106) von 1928 (Abb. 16/17) besteht der Sockel aus einer Sarkophagform, auf der die Trauernde mit einem aufgestellten Bein kniet, wobei sie sich vorbeugt, um einen Rosenstrauß auf das Grab zu legen. Ähnliche Frauenfiguren trifft man im plastischen Werk Kuöhls auch außerhalb des Friedhofs an, wie zum Beispiel bei der Plastik "Mutter und Kind" am Rathaus in Cottbus.


Grabmal Kutsch (ehemals Köser) (14)

Grabmal Tchilinghiryan (15)


Grabmal Köser, Detail (16/17)

Bei seiner eigenen Grabstätte (Y 10, 162-5) von 1931 wendet der Künstler sich allerdings vom Expressionismus ab und gestaltet eine schmale, sehr schlanke Trauernde in säulenartig geschlossener Form, die direkt aus einer flachen Bodenplatte aufragt. Ihre über dem Oberkörper verschränkten Arme sind flach herausgearbeitet, während der stilisierte Kopf nur leicht gesenkt ist (Abb. 18).


Grabmal der Familie Kuöhl (18)

In seinen späteren Grabmalplastiken greift der Bildhauer nicht mehr auf den Expressionismus zurück. Anzumerken ist, dass dieser Stil von den herrschenden Nationalsozialisten spätestens ab 1935 als "entartete Kunst" angesehen wurde. Zwar bleibt es bei den mehr oder weniger unbekleideten Frauenfiguren (Grabmal Brunke, Q 7, 102-7, von 1937 (Abb. 19); Grabmal Urbaniak-Lohr, ehemals Lindemann/Köhler, R 7, 198-203, von 1942), doch wirken ihre Körperformen jetzt naturalistischer und für die kaskadenartig fallenden Falten bei dem Relief des Grabmals Weicht (R 7, 162-7) von 1947 (Abb. 20) scheint der Künstler spätgotische Madonnen zum Vorbild genommen zu haben.


Grabmal Brunke (19)

Grabmal Weicht (20)

Diese Figuren entsprachen dem vorherrschenden Zeitgeschmack und zeigen deutlich Kuöhls Anpassungsfähigkeit an die herrschenden Verhältnisse, die ihm zahlreiche Aufträge für Bauplastiken, Denkmale und eben auch Grabmale verschafft hat.

Fotos: A. Schmolinske (1, 3, 4); P. Schmolinske (2, 7-10, 19); B. Kryst (5, 6, 11-17); G. Kell (18); Von Vitavia - Eigenes Werk (20), CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=48243193

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