Ein Trend aktueller Friedhofskultur
Gemeinschaftsgrabanlagen zählen zu den wichtigsten Trends aktueller Friedhofs- und Bestattungskultur. Der Begriff meint thematisch, symbolisch oder gruppenbezogen orientierte Anlagen, die zentral gepflegt werden. Gründe für die Entscheidung für eine gemeinschaftliche Bestattung liegen in der Regel in den geringeren Kosten und dem ersparten oder verringerten Aufwand für persönliche Grabpflege. Die Namensnennung der bestatteten Personen ist gewährleistet, teilweise über Gemeinschaftsdenkmäler.
Gemeinschaftsgrabanlagen können über symbolische Zugehörigkeiten geprägt und zum Beispiel an Flora und Fauna orientiert sein: etwa durch Rosenbepflanzung hervorgehobene Grabanlagen oder so genannte Schmetterlingsgräber. Auch symbolische Gestaltungen in Form von Tierkreiszeichen-Anlagen sind bekannt. Daneben können selbstgewählte gesellschaftliche Gruppierungen Identität stiften, zum Beispiel Fußballverein-Fans oder der "Garten der Frauen" auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg. In München wurde auf dem neuen Riemer Friedhof 2011 ein eigener Frauenfriedhof angelegt, der auf ein besonderes Wohnprojekt der selbstverwalteten Wohn- und Baugenossenschaft Frauen-Wohnen zurückgeht. So gibt es Gemeinschaften, die sich erst nach der Bestattung finden, aber auch solche, die sich bewusst für ein spezifisches, in der Regel jenseits der Familie liegendes Kollektiv im Gemeinschaftsgrab entscheiden.
Über "Küstengärten" und "Pfade der Erinnerung"
Auf dem Hauptfriedhof Altona werden seit kurzem speziell gestaltete „Erinnerungsgärten“ als gemeinschaftliche Grabanlage angeboten. Sie liegen in der Nähe des Eingangs Hellgrundweg und sind thematisch unterschiedlich ausgerichtet und gartenarchitektonisch vielfältig gestaltet. So gibt es einen "Bauerngarten", einen "Naturgarten" und einen "Garten der Lichter". Die "Pfade der Erinnerung" führen zu einem kreisförmigen Platz mit "Spuren des Lebens". Besonders auffällig sind die "Küstengärten", die mit maritimer Symbolik versehen sind. Weithin sichtbar ist ein rotweißer Leuchtturm, der zusammen mit Anker- und Schiffsdarstellungen diese Gemeinschaftsanlage akzentuiert. Der an der Anlage ausliegende Prospekt vermerkt zur Gestaltung: "Fließende Übergänge, geschwungene Wege, außergewöhnliche Bepflanzungen mit Stauden und Gehölzen sowie eine Bank zum Verweilen erinnern an einen Garten oder Park". In allen Teilen der Erinnerungsgärten sind sowohl Urnen- als auch Sargbestattungen möglich.
Der Wandel der Friedhofsstrukturen
So ähneln die Anlagen in Altona strukturell jenen "Memoriam-Gärten", die erstmals auf der Bundesgartenschau 2009 in Schwerin präsentiert wurden – themenbezogene Miniaturfriedhöfe innerhalb regulärer Friedhöfe, die vom Bund deutscher Friedhofsgärtner betreut werden. Ähnlich ausgerichtet sind die von Friedhofsgärtner-Genossenschaften in Kooperation mit den Friedhofsverwaltungen angelegten "Bestattungsgärten" in Köln und Bergisch-Gladbach. Auch hier handelt es sich um themenbezogene Beisetzungsflächen, die sich als Landschaftsgärten en miniature zeigen, in die die Gräber ohne feste Grenzen hineinkomponiert sind.
Damit werden die traditionellen Strukturen des Friedhofs grundlegend verändert und die früher als Gestaltungsprinzip dominierenden Familien- bzw. Einzelgrabstätten überformt. Unter den religiös ausgerichteten Gemeinschaftsanlagen gilt der Südfriedhof in Neumünster als Pionier. Dieser evangelisch-lutherische Begräbnisplatz ist von unterschiedlich gestalteten, aber immer religiös konnotierten Urnenfeldern geprägt. Die Bezeichnungen für diese mit kirchlicher Symbolik getränkten Anlagen lautet beispielsweise "Apostelgarten", "Himmelsgarten" oder auch "Glaube – Hoffnung – Liebe". Zum "Himmelsgarten" heißt es auf der Website des Friedhofes erläuternd: "Der Himmelsgarten soll die Verbindung zwischen Himmel und Erde symbolisieren. Was unsere Verstorbenen nun schauen können, versuchen wir mit dem Spiegelbild zu uns zu holen. Dabei bleibt es ein Spiegelbild des Himmels und nicht der Himmel selbst. Wir können hier unsere Gebete und Gedanken in den Himmel zu unseren Verstorbenen schicken. Die Sonne, der Mond, die Sterne, der Regen und die Wolken, die von einem Spiegel in den anderen ziehen, machen unsere Gedanken groß und weit." Jede Bestattung auf den religiösen Themenfeldern wird namentlich verzeichnet. Die Grabpflege übernimmt, wie bei Gemeinschaftsfeldern üblich, die Friedhofsverwaltung. Als Besonderheit ist es auf dem Südfriedhof Neumünster jedoch gestattet, unter den Namenstafeln Dekorationen anzubringen.
Bisweilen wird ein gesamter Friedhof als Gemeinschaftsgrabanlage gestaltet. Diese Auflösung klassischer Friedhofsstrukturen gilt beispielsweise für den so genannten Naturfriedhof "Garten des Friedens" in Fürstenzell bei Passau, der an ein Krematorium angeschlossen ist. Abgegrenzte Grabstätten sind nicht mehr zu erkennen. Vielmehr sind vielfältig gestaltete Erinnerungsorte in eine weitgehend naturbelassene, nach geomantischen Prinzipien gestaltete Landschaft eingefügt.
Fotos: Norbert Fischer