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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Exkursion des Förderkreises nach Görlitz

Die Schlussbetrachtung an den Anfang gestellt: Diese viertägige "Studienreise Sepulkralkultur" vom 23. bis 26. September 2010 war ein voller Erfolg!

Sie begann mit drei Altweibersommertagen und endete mit einem halben Tag Starkregen, aber da saßen wir schon im Bus auf der Rückfahrt nach Hamburg. Auch unser Wunsch nach hochwertigen Fachführungen wurde erfüllt. Als Folge intensiven Drängens im Vorfeld der Exkursion gelang es, bei allen acht Führungen hochkarätige Führende zu aktivieren: Kunsthistoriker, Friedhofsleiterinnen und Pastorinnen brachten uns jeweils zwei bis drei Stunden ihr Fachgebiet Sepulkralkultur nahe. Da diese Exkursion die zwölfte in einer langen Reihe von Vorgängerinnen war, hatte sich eine zusammengeschweißte Mannschaft gebildet, bei der Pünktlichkeit, Elastizität und hohe Motivation eine Selbstverständlichkeit waren. Nur so lassen sich komplizierte Tagesabläufe gestalten.

Müller jr.
Herr Müller jr. erläuterte den Exkursionsteilnehmern die Geschichte des Stadtgottesackers in Halle. Foto: P. Schulze

Die 600 km-Anfahrt am ersten Tag wurde durch ein sonniges Picknick auf einem Autobahnrastplatz vor Halle unterbrochen. Erster Höhepunkt der Besichtigungen war an diesem Tag der Stadtgottesacker in Halle. Herr Dr. Müller und sein Sohn führten uns mit Liebe zum Detail über dieses Gesamtkunstwerk. Ein Segen für "Sepulkrale", dass dieses einzigartige Friedhofsensemble inzwischen seit 20 Jahren vor dem – einst sicheren – Verfall bewahrt wird. Wir konnten sogar den Bildhauern bei den Restaurierungsarbeiten an den Flachreliefs der Schwibbögen über den Grabkammern zuschauen. Auf dem Gottesacker ruhen Angehörige bekannter deutscher Familien: u. a. Händel, Volkmann-Leander und Graf Luckner.

Steinmetze
Erneuerung der Reliefs an den Schwibbögen der Grabkammern. Foto: P. Schulze

Abends ging die Fahrt weiter nach Görlitz, wo am zweiten Tag nach einem frühen Morgenbufett (Motto: Exkursion und keine Kaffeefahrt) die Friedhofleiterin Frau Mühle engagiert über den sehenswerten städtischen Friedhof führte. Hervorzuheben sind das Jugendstil-Krematorium aus dem Jahr 1906 und das Gittergrab von Minna Herzlieb (Goethes Wahlverwandtschaften!).

Mühle
Frau Evelin Mühle führte über den städtischen Friedhof von Görlitz.
Foto: P. Schulze

Dann übernahm die Kunsthistorikerin Frau Kempgen und brachte den Teilnehmern in lebhafter Art den barocken Nikolaifriedhof nahe, während nachfolgend Herr Schmuck das Ensemble am Heiligen Grab von 1489 vorstellte.

Kempgen
Die Kunsthistorikerin Frau Kempgen zeigte barocke Grabmalkunst auf dem Nikolai-Kirchhof in Görlitz. Foto: P. Schulze

Nach einem schlichten Mittagessen in der Diakonie der Herrnhuter Brüdergemeinde erläuterte Frau Pastorin Frank die reformerischen Grundgedanken dieser christlichen Gemeinschaft, die sich in ihrem fast kargen Friedhofsbild widerspiegelt. Ein Zufall: Ein Herrnhuter Leichenzug zog an uns vorüber, vorweg eine Trauermusikkapelle, ihr folgte ein von sechs Männern gezogener Wagen, auf dem der für die Brüdergemeine typische weiße Sarg stand.

Frank
Frau Pastorin Frank führte die Besucher über den Friedhof der Herrnhuter Brüdergemeinde. Foto: P. Schulze
Trauerzug
Ein Trauerzug auf dem Wege zum Friedhof der Herrnhuter Brüdergemeinde.
Foto: P. Schulze

Weiter ging es nach Zittau, wo Museumsdirektor Dr. Winzler in selten eindringlicher Weise die barocken Friedhöfe der Kreuz- und Klosterkirche sowie das weltweit einzigartige große und kleine Fastentuch erklärte.

Dr. Winzler
Museumsdirektor Dr. Winzler zeigte barocke Sepulkralkultur in der Stadt Zittau. Foto: P. Schulze

Der dritte Tag war weniger straff organisiert. In Bad Muskau führte die junge Landschaftsarchitektin Frau Roscher durch den Park des Fürsten Pückler, der sich wellig über eine Endmoränenzone hinweg zieht. Den herrlichen Landschaftsgarten durchschneidet nicht nur die Lausitzer Neiße, sondern seit 1945 auch die deutsch-polnische Staatsgrenze. Auf dem angrenzenden historischen Friedhof besuchten wir das Grab der 1840 verstorbenen Machbuba.

Frau Roscher
Frau Roscher führte durch die Gärten von Fürst Pückler in Muskau und zeigte hier ein Bild der Machbuba. Foto: P. Schulze
Machbuba-Grab
Das Grab der Machbuba. Foto: P. Schulze

Am vierten und letzten Tag war wieder frühes Aufstehen angesagt, da nicht nur die lange Heimfahrt, sondern vorher noch die Besichtigung der zweiten großen Parkanlage des Fürsten Pückler in Branitz anstand. Die sachkundige Führung übernahm dort Museumsdirektor Neumann. Trotz leicht feuchter Luft gab es im Park beeindruckende Aus-, Ein- und Durchblicke, insbesondere den Blick auf die Seepyramide, in der der Fürst und seine Frau bestattet sind, und die gegenüberliegende Landpyramide.

Bei der Abfahrt aus Branitz setzte Starkregen ein, der bis Hamburg anhielt. Wenig später wurde im Kreis Görlitz Katastrophenalarm wegen Überschwemmungen an der Neiße ausgelöst. Wenn das nicht Maßarbeit war!

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Memorials auf Friedhöfen (Oktober 2010).
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