Im November 2009 wurde die Restaurierung der Grabanlage der Familie Wickel auf dem Friedhof der ev.-luth. Kirchengemeinde in Trittau abgeschlossen und dem Ort damit ein Denkmal bürgerlicher Grabkultur wiedergegeben.
Im Sommer 2008 war die verfallende Anlage von Efeu und Gebüsch überwuchert. Eine am Fuße des Grabmals lehnende Kupfertafel mit der Inschrift "Familie Wickel" verknüpfte die Anlage mit der Kirche: ein Mitglied der Familie hatte 1911 die drei Fenster für den damals neu erbauten Chor der Kirche gestiftet. Damit war das Interesse zwiefach geweckt, einmal an dem bemerkenswerten Grabmal im Jugendstil und zum anderen an der Familie Wickel.
- Das Grabmal der Familie Wickel in Trittau. Foto: A. Bergemann
Die Grabstelle war nach dem Ende der Ruhezeit und dem Auslaufen des Pflegevertrages – die letzten Rechnungen kamen als unzustellbar zurück – an die Kirchengemeinde zurückgefallen. Der Kirchenvorstand stimmte dem Vorschlag zu, die Abteilung Bau- und Denkmalpflege des Nordelbischen Kirchenamtes wegen einer Restaurierung anzusprechen. Das dort vorgelegte, mit Fotos illustrierte erste Konzept wurde sofort an das Landesamt für Denkmalpflege weitergereicht. Der Besichtigung durch Vertreter beider Einrichtungen folgte die Erteilung des Denkmalschutzes. Im Bescheid heißt es unter anderem: "Das Grabmal Wickel .... gehört zu den wenigen repräsentativen Jugenstilgrabmalen im Lande" und "Der lokalgeschichtliche Wert ist durch die Person des hier bestatteten Heinrich Ernst Adolf Wickel begründet, der die Chorfenster der Kirche stiftete. Den besonderen künstlerischen Wert der baulich einzigartigen Anlage bewirkt der ornamentale Jugendstilschmuck". Derartige Anlagen sind auf normalen Dorffriedhöfen selten, sie sind eher bekannt im Zusammenhang mit Adelssitzen und auf großstädtischen Friedhöfen.
Damit ist auch die Bedeutung der Grabanlage für die Kirchengemeinde (in der Person des Stifters der Fenster) und auch für die mit Denkmalen nicht üppig ausgestattete Kommunalgemeinde (im kunst-/kulturhistorischen Wert) dargelegt.
Die Grabanlage und ihre Restaurierung
Die Anlage liegt im östlichen Teil des Friedhofs und ist in Nord-Süd-Richtung angelegt; steht man vor dem Denkmal, so sieht man im Süden hinter ihm den Kirchturm aufragen. Sie besteht aus der unterirdischen Kammer und einem Überbau aus Sandstein. Das Areal war ursprünglich von einem Eisengitter umgeben.
Die Kammer ist aus unregelmäßigen Granitblöcken aufgemauert, ähnlich der Nordwand der Kirche. Der Boden ist zweifarbig mit quadratischen blauen und blass gelben Fliesen belegt, die Decke aus Beton geschüttet, der durch angerostete Doppel-T-Träger versteift ist. Als im Jahre 1975 Felix Wickel beigesetzt wurde, waren die zwei Särge von Luise und Adolf Wickel zerfallen; auf Veranlassung von Felix Wickels Witwe wurden alle drei Särge mit einer quer durch die Kammer reichenden halbhohen Wand und einer Decke aus gelblichen Klinkern vermauert, wie sie damals für Hausfassaden verwendet wurden. Verschlossen ist die Kammer mit einer zweiflügligen, stark angerosteten Eisentür, zu der eine Treppe aus Granitstufen führt; die Seitenwände bestehen aus Feldstein wie die Kammer. Dieser Treppenschacht war mit verrosteten Stahlträgern, Betonplatten und einer Erdschicht abgedeckt.
Der Überbau ist ein imposanter Aufbau aus Sandstein mit dekorativen Elementen aus getriebenem Kupferblech, alles im Jugendstil. Einziger Schmuck des Sandsteins sind zwei Voluten an den unteren Seiten. Der oberste Stein war abgestürzt oder bewusst heruntergenommen, die nächsten Steine wiesen große Abplatzungen auf, Folge rostender Eisendübel. Die übrigen Flächen waren gut erhalten bis auf einige Abplatzungen und die Spuren von Efeu; die Fugen waren großenteils frei und von Efeu durchzogen.
In der Mitte des torartigen Aufbaus ist ein kreisrunder brunnenartiger Schacht angeordnet, der aus Sandstein und einem kupfernen Ringblech besteht, der hinten von einer geschlossenen Sandsteinwand, vorn von vier Säulchen mit quadratischem Querschnitt umgeben ist, von denen zwei abgebrochen waren. Dieser Ring enthielt eine Pflanzschale aus korrodiertem Eisenblech. Unter dem "Torsturz" hängt eine Kupfertafel mit dem Spruch aus Jes. 431: "Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöset: ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!" Die unteren Ecken der Tafel werden von zwei annähernd viertelkreisförmigen Bögen gehalten, die sich an der Steinwand abstützen; die ursprünglich aus getriebenem Kupferblech mit Eiseneinlage geformten Bögen waren, wohl auch in den 1970er Jahren, unfachmännisch durch Wasserrohr ersetzt worden. Die Kupferteile waren teilweise durch Kalkspuren angegriffen. Die Namenstafel war abgefallen.
Die freien Flächen der Anlage waren von verwildertem Buschwerk und Bäumen bedeckt, deren Wurzelwerk das leichte Fundament der Begrenzung schon beiseite gedrückt hatte.
Ausgehend vom Befund entwickelten wir noch vor der Besichtigung durch den Denkmalschutz ein erstes Konzept: Der Erbauer, Adolf Wickel, erwarb 1889 das Gut Grönwohldhof bei Trittau, er ist im Protokollbuch des Kirchenvorstandes von 1898 bis 1902 als Gemeindevertreter aufgeführt. Seine Frau Luise Wickel wurde im Dezember 1901 beigesetzt, die Grabanlage wird also in der letzten Dekade des 19. Jahrhunderts entstanden sein; eine Genehmigungszeichnung oder andere Unterlagen zur Datierung sind bisher nicht gefunden worden, auch keine Steinmetzmarken am Grabmal. Eine Rekonstruktion des Urzustandes war also nicht möglich. Sie war auch nicht gewollt; denn das Alter und seine Spuren sollten erkennbar bleiben. Es sollten lediglich die Konfiguration wieder hergestellt und Schäden behoben werden, deren Belassen weiteren Verfall bedeutet hätte.
Dieses Konzept, dem der Denkmalschutz und der gutachtende Architekt dann folgten, sah vor:
• Entfernen des Buschwerks vor dem und seitlich des Grabmals; Bäume und Büsche auf der Gruft sollten stehen bleiben als Hintergrund. Entfernen des Efeus;
• Reinigen des Sandsteins unter Erhalt der Patina, Reinigen der Fugen, Neu-, beziehungsweise Wiederaufsetzen und Befestigen loser Steine; Reparatur von Brüchen;
• Reinigen der Kupferteile unter Erhalt der Patina, Neuanfertigung der Bügel (ein Muster fand sich im Schutt);
• Entrosten, Reparieren, Verzinken der Stahlteile (Tür, Deckenträger); Neuanfertigung nur wenn erforderlich beziehungsweise preisgünstiger; Entrosten und Verzinken der Abdeckträger, Neuanfertigung wahrscheinlich preisgünstiger;
• Bearbeiten des freien Geländes, Bepflanzen mit blühenden Sträuchern, dazwischen Bodendecker; Hauptgesichtspunkt leichte Pflege durch die Friedhofsmitarbeiter.
Eine neue Nutzung, etwa als Columbarium oder als Familiengrabstätte, wurde diskutiert, aber aus verschiedenen Gründen verworfen.
Auf der Grundlage des Konzepts und in der akzeptierten Verantwortung für die Erhaltung dieses Kulturguts befürwortete der Kirchenvorstand die Restaurierung unter der Voraussetzung, dass sie finanziell tragbar sein werde. Auf Vorschlag des Denkmalschutzes wurde zunächst ein sachkundiger Architekt beauftragt, ein Gutachten mit Budget auszuarbeiten. Diese erste Stufe wurde vom Kirchenamt zu etwa 50% getragen. Das Gutachten und das darauf aufbauende Konzept deckten sich im Wesentlichen mit unseren oben skizzierten Vorstellungen. Abweichungen gab es wie folgt:
• Anfertigen und Setzen eines neuen Zauns: Wir konnten jedoch auf den Zaun verzichten, alternativ wurde das Zaunfundament freigelegt, die Reste des abgeschnittenen Zauns ausgeschliffen und das Ganze verputzt, soweit nötig, um die Gesamtanlage optisch einzufassen;
• Ersatz der Tür: Die vorhandene Tür erwies sich bei der Bearbeitung als ausreichend in den Materialstärken;
• Ersatz der unzureichenden Belüftung (einfache Sanitärkeramikrohre): Es wurde eine Be-/Entlüftung aus VA eingebaut, wie sie für Abwasserkanäle verwendet wird.
Nach Erteilung des Denkmalschutzes und den Zusagen des Landes und der Kirche über Zuschüsse gab der Kirchenvorstand die Ausschreibungen frei. Für die Gewerke Eisen, Kupfer, Sandstein, Mauerwerk waren möglichst je drei Anbieter zu finden, die Erd- und Gartenarbeiten sollten in Eigenleistung erfolgen. Die Besichtigung durch die Fachfirmen ergab Änderungen am Detailkonzept, so wurden zum Beispiel die ursprünglich eisernen Verstärkungen der Kupferelemente vollständig durch VA-Stahl ersetzt. Die Koordinierung, Terminplanung und Bauaufsicht wurde vom Projektkoordinator des Kirchenvorstands übernommen.
Die Restaurierung kostete insgesamt ca. € 24.000 brutto, wovon das Kirchenamt € 7.500, das Landesdenkmalamt € 2.000 als Zuschuss beisteuerte, so dass die Kirchengemeinde selbst ca. € 14.500 zu leisten hat. Versuche, andere Sponsoren zu finden, scheiterten aus verschiedenen Gründen. Teils wurde eine Mischfinanzierung abgelehnt, teils wurden primär weiterhin zu benutzende Objekte gefördert, teils gehörte dieses Projekt nicht zur Zielgruppe, teils hatten potentielle Geldgeber nicht genügend freie Mittel. Aus privaten Spenden kamen bisher ca. € 750 zusammen. Die Kirchengemeinde bittet also weiterhin um Spenden zur Deckung der Restaurierungskosten (Ev.-luth. Kirchengemeinde Trittau, Kto.120 256 468 bei der Sparkasse Holstein, BLZ 213 522 40).
Fachkundige Besucher haben die Kirchengemeinde schon zum Ergebnis der Restaurierung beglückwünscht, wie auch zur Existenz dieser "wiederentdeckten" Anlage, die eine besichtigungswerte Attraktion in Trittau werden dürfte.
Die Familie Wickel in Trittau
Heinrich Ernst Adolf Wickels Vater Johann Heinrich Wickel (1811 Segeberg – 1884 Pöhls/Zarpen) war Möbelhändler, Gastwirt und Weinhändler. Besonders der Weinhandel hatte ihn wohlhabend gemacht. Die Familie war ursprünglich im Elsass beheimatet. Johann Heinrich war zweimal verheiratet, er hatte vier Kinder aus erster Ehe, darunter Johannes Heinrich (1838 Segeberg – 1905 Helsingfors), und drei aus zweiter Ehe mit Margaretha Dorothea, geb. Steen (1819 Pöhls/Zarpen – 1893 Segeberg), darunter Heinrich Ernst Adolf (1847 Segeberg – 1924 Hamburg).
Heinrich Ernst Adolfs Halbbruder Johannes Heinrich war Weinhändler wie der Vater. In Helsingfors, dem heutigen Helsinki, vermögend geworden, hatte er 1884 in Segeberg "zu Soolbädern in sein Haus Oldesloer Straße 20 eingeladen und damit einen zeittypischen Gründungsrausch ausgelöst, der 1885 zum Bau eines pompösen Kurhauses ..... am Steilufer des Großen Segeberger Sees führte".
Heinrich Ernst Adolf Wickel kam 1889 aus Frankfurt/Main in seine Heimatgegend zurück und kaufte das Gut "Grönwohldhof", wenige Kilometer nördlich Trittaus, in dessen Herrenhaus er investierte, zum Beispiel ließ er das Haus über eine Wasserkraftanlage mit elektrischem Strom versorgen. Wickel war seit dem 5.1.1888 mit Luise Margarethe Boas verheiratet, geb. 4.5.1866 in Namslau/Schlesien, Tochter des Stettiner Landgerichtsdirektors Felix Boas und seiner Ehefrau Maria, geb. Wolff. Das Ehepaar Wickel hatte zwei Kinder, Maria Elisabeth, geb. Frankfurt/Main 25.4.1889, und Felix William Wickel, geb. Grönwohld 29.08.1899.
Leider starb Luise Wickel schon mit 35 Jahren am 4.12.1901 im Sanatorium Hohenhonnef bei Honnef. Dieses Sanatorium behandelte Lungenkrankheiten, insbesondere Tuberkulose; es kann also vermutet werden, dass Luise Wickel dieser Krankheit erlag. Sie wurde am 9.12.1901 in der Gruft beigesetzt. Wickels Verbundenheit mit seinem Heimatort erhellt aus der auch im "Segeberger Kreis- und Wochenblatt" geschalteten Todesanzeige.
Wickel verkaufte das Gut im Jahre 1902 wieder und zog mit dem Sohn nach Wiesbaden, wo sein Bruder William lebte. Die Tochter war zu dem Zeitpunkt in einer Pension in Bonn. Er starb am 29.2.1924 in Hamburg und wurde am 3.3.1924 in der Gruft beigesetzt.
Die Tochter, Maria Elisabeth Wickel, blieb anscheinend unverheiratet; denn Ende 1938 korrespondierte sie mit Pastor Böhmke von Düren aus unter ihrem Mädchennamen. Von ihr ist nichts weiter bekannt, die Dürener Akten dieser Zeit gingen gegen Kriegsende verloren.
Der Sohn, Felix William Wickel, wurde Rittmeister in der Reichswehr. Er war Landesgruppenleiter der NSDAP/AO (Auslands-Organisation der NSDAP als 43. Gau) in Niederländisch-Indien (heute Indonesien). Im Jahre 1938 wurde seine "halbjüdische Abstammung" bekannt (von der Mutter her), und er reichte ein vom Gauleiter Bohle, Staatssekretär im AA, befürwortetes Gnadengesuch ein. Dieses war wohl erfolgreich; denn in einer Publikation über die Kriegswirtschaft wird er als "Legation Counselor" (Legationsrat) im Haag zitiert, der 1942 an den Unterstaatssekretär Luther (im AA) schrieb, exzessive Härte hätte die Stimmung der niederländischen Bevölkerung erheblich gemindert . Eine andere Quelle mit derselben Tendenz bezeichnet ihn als geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutsch-Niederländischen Gesellschaft.
Im Jahre 1938 korrespondierte er als Rittmeister a.D. mit Pastor Böhmke, wie auch seine Schwester, wegen des vernachlässigten Zustandes der Grabanlage und wegen der seitens der NSDAP-Partei (lt. Böhmke) propagierten Entfernung aller Metallgitter. Er starb am 18.1.1975 in Bonn und wurde am 24.1.1975 in der Gruft beigesetzt. Felix Wickel war seit 1951 verheiratet gewesen mit Maria, geb. Goerlitz (1912-1998), die der hohen Kosten wegen nicht in der Gruft sondern in Hamburg beigesetzt wurde; sie hatte in Bonn gelebt. Die Ehe blieb kinderlos.
Heinrich Ernst Adolf Wickels Bruder William, geb. 7.11.1849 in Segeberg, zu dem Adolf 1902 gezogen war, starb am 9.4.1922 in Wiesbaden und wurde am 13.4.1922 eingeäschert. Die Urne aus Kunstmarmor wurde am 28.6.1922 nach "Tuttau" geschickt; sie steht in der Wickelschen Gruft.
Die Chorfenster
Die drei Fenster wurden im Zuge des Neubaus des Chores 1911 gestiftet. Das "Segeberger Kreis- und Wochenblatt" schrieb über die Einweihung: "Am Sonntag wurde in der umgebauten Kirche wieder Gottesdienst abgehalten. Die Gemeinde hatte sich zahlreich eingefunden und durfte sich des wertvoll und gefällig umgebauten Gotteshauses erfreuen. Durch die farbigen Fenster flutete das Sonnenlicht und ließ das Innere der Kirche in freundlichem Glanz erscheinen."
Das Bild des Christus wurde in Anlehnung an die berühmte Christusfigur von Bertel Thorvaldsen in der Frauenkirche zu Kopenhagen entworfen, die oft kopiert oder adaptiert worden ist. Die einladende Geste stand im Bezug zu einem Schriftband am damaligen Altar: "Kommt her zu mir, alle, die Ihr mühselig und beladen seid." (Matth. 1128). Eine Kopie der Plastik steht an der St. Marienkirche in Bad Segeberg.
Entworfen und hergestellt wurden die Fenster in der damals renommierten Glaskunstwerkstatt der Brüder Linnemann in Frankfurt/Main, die unter anderem den Reichstag, die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und den Frankfurter Dom ausgestattet hatten. Wickel mag das Unternehmen in seiner Zeit in Frankfurt und später Wiesbaden kennen gelernt haben.
Kunstgeschichtlich sind die Fenster dem Historismus zuzuordnen. Sie wurden 1986/87 restauriert, allerdings wurde die damals nicht mehr vorhandene und wohl unbekannte Stifterinschrift nicht erneuert. Wie ein kürzlich vom Linnemann-Archiv erhaltenes Werkstattfoto zeigt, hatte sie sich im mittleren Fenster unmittelbar unter dem Bogengang befunden und lautete: "Gestiftet von A. Wickel u. Familie 1911". Auf wessen Einfluss die historisierende Gestaltung zurückzuführen ist, wohingegen das etwa eine Dekade ältere Grabmal dem Jugendstil folgt, ließ sich aus den Akten nicht eruieren.