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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Gedenktage I: Carl Woermann - Der Leinenhändler aus Bielefeld wurde Großreeder in Hamburg

24 Jahre alt war Carl Woermann (1813 – 1880), Sohn einer seit zweieinhalb Jahrhunderten bestehenden Leinenfabrikanten-Familie aus Bielefeld, als er 1837 in Hamburg eine Im- und Export-Filiale des Unternehmens gründete.

Zunächst waren seine Geschäftsinteressen auf die Märkte im spanischen Amerika ausgerichtet. Doch schon bald hatte Woermann seine Augen auf das junge, von Amerika gegründete Liberia an der afrikanischen Westküste gerichtet, wo sich eine einheimische Führungsschicht entwickelte. Da er sich längst auch als Reeder mit eigener Flotte zur Beförderung seiner Kaufmannsgüter betätigte, befuhr schon 1849 ein eigener Kutter die Küste Westafrikas. 1852 erwarb Carl Woermann den Schoner „Liberia“, der eigens für den Liniendienst nach dem jungen Staat eingesetzt wurde. 1854 schließlich ließ sich die Kaufmannsreederei Woermann auch in der Hauptstadt Monrovia nieder. Eine Weltwirtschaftskrise 1857 brachte ihr zwar schwere Verluste, die Carl Woermann aber nicht veranlassten, Afrika den Rücken zu kehren. Im Gegenteil: Kurz darauf trieb er Handel und Wandel in Französisch-Gabun und an den Ölflüssen Kameruns. Er exportierte vor allem Shirting, also Stoffe für Hemden und Gewänder, und importierte Palmöl. Als Carl Woermann vor 125 Jahren am 25. Juni 1880 die Augen schloss, hatte seine ausschließlich auf Afrika ausgerichtete Reederei zwölf Segelschiffe und einen Frachtdampfer in Fahrt. In seinem ihm zur Heimat gewordenen Hamburg hatte Carl Woermann ein gewichtiges Wort mitzureden – als Aufsichtsrat der von ihm mitgegründeten Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Aktiengesellschaft (HAPAG) und der Hamburg-Südamerikanischen Dampfschiffahrtgesellschaft Eggert & Amsinck (Hamburg-Süd), als eifriger Verfechter für den Zollanschluss Hamburgs, als Handelsrichter, (kirchlicher) Oberalter, Stabsoffizier der Bürgerwehr, Mitglied der Bürgerschaft und Leiter der hansestädtischen Finanzdeputation.

Woermann
Grabmal Carl Woermann (Foto: Schreiber)

Die außergewöhnlich große Grabstelle der bedeutenden Familie Woermann in Ohlsdorf (Q 24, 1–4 und 76–82) wird beherrscht vom riesigen Grabstein-Findling für den Hamburger Gründer dieser Dynastie. Als geschäftlich noch bedeutender ist jedoch sein Sohn und Nachfolger Adolph (1847–1911) in die Annalen über die Heimatgeschichte hinaus eingegangen. Er hatte 1884 Kamerun für das Deutsche Reich erworben und war damit maßgeblich an der kurzen Kolonialgeschichte Deutschlands in Afrika, heute Anlass zu kritischer Rückschau, beteiligt. Gemeinsam mit weiteren Hamburger Reedern gründete Adolph Woermann 1885 die Afrikanische Dampfschifffahrts-Actiengesellschaft (WL Woermann-Linie), später war er auch Vorsitzender des Aufsichtsrats der Deutschen Ost-Afrika-Linie. Firmensitz war das bekannte Afrika-Haus in der Großen Reichenstraße mit seinen – heute nicht unumstrittenen – Zeugnissen deutschen Afrika-Engagements.Was ist aus den beiden einst bedeutenden Hamburger Seefahrtshäusern geworden? Sie sind längst Vergangenheit, beide nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Familie Woermann schon keine Rolle mehr in ihren früheren Unternehmen einnahm, aufgegangen in die Deutschen Afrika-Linien/John T. Essberger. Die noch im Westafrika-Verkehr tätige Woermann-Reederei und deren Linien-Rechte wurden in den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts nach Belgien verkauft und existieren heute nicht mehr – ebenso wenig wie die charakteristischen Schornsteinfarben der Schiffe (weißer Grund, dicker Grünstreifen zwischen zwei dünnen) und die WL-Reedereiflagge (blaue Buchstaben, zwei mit den Spitzen aufeinander gestellte grüne Dreiecke, blauer Rand).

Literatur:
H.G. Freitag: Von Mönckeberg bis Hagenbeck. Hamburg 1973

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Sterben und Tod um 1945 (Mai 2005).
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