Das UNESCO-Welterbe Quedlinburg mit seinen überaus zahlreichen Schätzen historischer Bauten hat den Denkmalschützern und an diesem Thema Interessierten wahrhaft Überwältigendes zu bieten. Das gilt auch für die Sepulkralkultur auf den beiden stadtnahen Friedhöfen St. Wiperti und St. Servati.
Der Friedhof St. Wiperti gehört zu der dreischiffigen Basilika gleichen Namens auf dem Gelände des Königshofes Heinrich I., Sohn Ottos des Erlauchten. Ihr Ursprung geht auf das Jahr 936 zurück. Von besonderer Bedeutung ist die um 1000 errichtete Umgangskrypta mit ottonischen Pilzkapitellen und Bogennischen.
Von drei Seiten wird die Basilika von dem Friedhof umschlossen. Die Ebene bis zum Kapellenberg ist weitgehend mit Gräbern der Gegenwart belegt. Der Kapellenberg indes trägt eine große Zahl barocker Erbbegräbnisse ganz besonderer Art: Sie sind als Gewölbe in zwei übereinander liegenden Etagen in langer Reihe aus dem Felsen herausgearbeitet worden. Hier haben vor allem Familien begüterter Quedlinburger Stadtbürger, Stiftsherren und Geistliche ihre letzte Ruhe gefunden. Nahezu alle Grabgelasse sind mit massiven, von Korbbögen überwölbten Eichentüren mit kleinen runden Fenstergittern verschlossen. Die Gitter sind in den Motiven Dornenkranz, Anker und nach unten gerichteter erlöschender Fackel gestaltet. Die meisten der unteren Gewölbe sind ebenerdig, zuweilen aber auch nach unten zweietagig.
- Fenstergitter der Grabgewölbe (Foto: Schreiber)
Die obere Lage der Grabgewölbe ist nach hinten versetzt angelegt worden. Ein Grund dafür ist die Entlüftung der unteren Grabstätten: Aus dem Boden der zweiten Etage ragen ihr dienende Rohre heraus. So ist durch die offenen Fenstergitter ein stetiger Luftaustausch gewährleistet.
- Grabgewölbe auf dem Wipertifriedhof (Foto: Schreiber)
Diese Anlage ist nördlich der Alpen ein Unikat und steht unter Denkmalschutz. Ihr Zustand ist unterschiedlich: Einige Gewölbe sind in jüngster Zeit restauriert und saniert worden. Die meisten tragen Spuren ihrer Jahre, es gibt aber auch sehr gefährdete, die allerdings, weil gelegentlich offen, einen Blick in das Innere erlauben.
Als der Wipertifriedhof um die Mitte des 19. Jahrhunderts nahezu belegt war, erwarb die evangelische Kirchengemeinde gegenüber den neuen Begräbnisplatz St. Servati. Auch hier wurden Grabgewölbe nach dem Muster der Nachbarschaft errichtet, allerdings klassisch gemauert. Der Erhaltungszustand ist unterschiedlich, im ganzen jedoch nicht so gut wie auf St. Wiperti. Auf St. Servati sind öfter Grablagen auf zwei Ebenen – ebenfalls nach unten – anzutreffen. Eine der Grabstätten dient jetzt als Kolumbarium.
- Grabgewölbe auf dem Friedhof St. Servati (Foto: Schreiber)
Die Gruft der bekanntesten Familie Quedlinburgs, die des Dichters Friedrich Gottlieb Klopstock (1724 – 1803), sucht man auf dem Wipertifriedhof jedoch vergebens. Ihr unterirdisches Gewölbe in unmittelbarer Nähe der Kirche ist nicht erhalten. Wer dem großen Klopstock aber die Ehre erweisen will, kann das in unmittelbarer Nähe Hamburgs tun: Sein Grab, das seiner beiden Ehefrauen und seines Kindes ist auf dem Friedhof der Christianskirche in Ottensen zu finden.
Ein Hinweis auf den besonderen Stellenwert der Sepulkralkultur in historischen Städten Sachsen-Anhalts: Über die bemerkenswerten Grabbogengewölbe auf dem Stadtgottesacker Halle hat „Ohlsdorf“ im Heft 84, I/2004 berichtet.