Das von dem Bildhauer Engelbert Peiffer geschaffene Grabmal Schaeffer, das anlässlich des 15. Geburtstags des Förderkreises Ohlsdorfer Friedhof e.V. im Außenbereich des Museums Friedhof Ohlsdorf neu aufgestellt werden soll, wird für das Ensemble der hier museal gezeigten Grabsteine in mehrfacher Hinsicht von großer Bedeutung sein.
Zum einen bekommt die Sammlung von Grabmalen des Cordes-Teils, die dort im Juni 2002 zum 125. Jubiläum des Friedhofs zusammengetragen wurde, das Jugendstilelement, das hier noch fehlte. Es ist ein schlankes, besonders schönes Beispiel des frühen Jugendstils von 1890, anknüpfend an die barockisierend endende Neorenaissance der Gründerzeit. Sowohl das Material roter Sandstein als auch das Motiv – eine jugendliche Frauenbüste mit Schleifenbändern und Seerosenblüten und -blättern im Haar – entsprechen ganz den Gestaltungsideen des ersten Ohlsdorfer Friedhofsdirektors Wilhelm Cordes, wie ein Vergleich mit den Frauenköpfen im neobarocken Stil am sogenannten Cordes-Brunnen zeigt. Durch den „Umzug” dieses Grabmals von seinem bisherigen Standort zwischen den Kapellen 1 und 2 (Grablage T 14, 145) zum Eingangsbereich des Friedhofs werden die Außenanlagen des Friedhofsmuseums um ein bedeutendes Stück reicher.
Zum anderen unterstreicht das Grabmal Schaeffer an seinem neuen Ort auch symbolisch die vielfachen Bestrebungen des Förderkreises, nicht allein zum Erhalt von wertvollen Grabmalplastiken oder historischen gärtnerischen Anlagen beizutragen, sondern gleichzeitig auch zu einer besseren Wahrnehmung des Friedhofs als Kulturort, der Widerspiegelung der Geschichte Hamburgs und des Gesamtkunstwerks Ohlsdorfer Friedhof. Dies geschieht mittels der Skulptur selbst, der nachdenklichen Muse mit dem besonders lebendigen Blick, sowie durch die Erinnerung an den Menschen, für den sie entstand, vor allem aber durch die Erinnerung an den Bildhauer Engelbert Peiffer, der nicht nur auf dem Ohlsdorfer Friedhof, sondern an vielen Stellen im Hamburger Stadtbild mit zahlreichen beeindruckenden Werken vertreten ist.
Peiffer schuf das Grabmal für den Architekten Alexander Schaeffer (oder Schäffer, offenbar die gebräuchliche Schreibweise), mit dem er befreundet gewesen sein soll. Zeichendreieck, Winkel und Zirkel, die über der rechten Schulter der Frauenbüste in einem gerafften geknoteten Tuch befestigt sind, weisen auf den Beruf des Architekten hin, die Lyra, im Altertum Attribut der Dichter und Sänger, möglicherweise auf eine besondere Musikalität.
Grabmal Schaeffer (Foto: Schulze)
Wie Petra Schmolinske vor allem aus Ralf Wegners Buch „Wo Hamburg am hamburgischsten ist” herausfinden konnte, wurde Schäffer als Sohn eines Lübecker Opernkapellmeisters 1844 in Helsingfors geboren. Er besuchte die Schule in Hamburg und studierte von 1862 bis 1865 in Karlsruhe und Hannover. Anschließend arbeitete er als Wasserbauwerker an der Elbmündung, an der Eider und in Wismar. 1870 kam er nach Hamburg zurück und errichtete hier nach kurzer Tätigkeit im Eisenbahnbau und einer Studienreise in die USA unter Mitwirkung von Hanssen und Meerwein den monumentalen Silospeicher an der Meyerstraße (Kaispeicher B). Während der Diskussion um den Standort der zukünftigen Speicherstadt entwickelte er einen Plan für die Untertunnelung der Elbe. Nachdem der Tunnel nicht gebaut wurde, wandte er sich anderen Aufgaben unter anderem in Braunschweig und Frankfurt zu. 1887 kehrte Schäffer nach Hamburg zurück. Wegen eines schweren körperlichen Leidens setzte er 1890 im Alter von nur 45 Jahren seinem Leben ein Ende.
Engelbert Joseph Peiffer, Bildhauer und Medailleur, wurde als Sohn eines Schmiedes am 14.5.1830 in Köln geboren, wo er das Gymnasium besuchte. Er lernte Steinmetz, ging 1850 zum Akademiestudium nach Berlin und arbeitete dort anschließend einige Jahre als Modelleur in der Tonfabrik Fersicht. 1862 kam er nach Hamburg. Seine frühen Arbeiten zeigen einen klassizistischen Stil, spätere Arbeiten sind eher als realistisch einzuordnen. Er erhielt zahlreiche öffentliche und private Aufträge bis hin nach England (in den 1860er-Jahren entstand eine Reihe von Sandsteinfiguren für die Balustrade eines englischen Herrenhauses). 1873 übernahm er die Leitung der Steinmetzwerkstätten der Hanseatischen Baugesellschaft. Er starb am 18.10 1896 in Hamburg und wurde auf dem Ohlsdorfer Friedhof in der Nähe des Rosengartens bestattet. Mittlerweile wurde das vierstellige Grab abgeräumt, auch der Grabbrief ist nicht mehr vorhanden. Seit 1914 trägt eine Straße den Namen des Hamburger Bildhauers Peiffer: der „Peiffersweg“ in Barmbek-Nord. Er selbst aber ist leider heute weitgehend vergessen.
Und doch – die meisten seiner noch erhaltenen Werke in der Hansestadt sind den Hamburgern sehr wohl bekannt! Eines der ältesten ist das Grabdenkmal für den Vorkämpfer der Emanzipation der Juden und angesehenen Demokraten Gabriel Rießer (1806-63), das 1865 auf dem Grindelfriedhof errichtet, 1937 vereinfacht nach Ohlsdorf auf den jüdischen Friedhof an der Straße Ilandkoppel (Grablage ZY 12) umgesetzt und 1985 restauriert wurde. Das von Peiffer geschaffene Relief aus weißem Marmor zeigt die „leuchtende und unverhüllte Wahrheit, die die Schlange der Lüge tötet”, die Skulptur einer halbnackten Frau, die bei den damaligen Juden viel Aufregung hervorrief. Ein Jahr später (1866) entstand das ebenfalls aus weißem Marmor gefertigte Grabmal Rachals, das heute im Heckengarten-Museum des Ohlsdorfer Friedhofs steht.
Grabmal Rachals (Foto: Behrens)
1877 sollte Peiffer mit einem Entwurf für das Denkmal für die Zuerstbeerdigten beauftragt werden. In der Grabmalkunst auf dem Ohlsdorfer Friedhof wirkte er im selben Jahr beim Grabmal für den Wasserbau-Direktor Dalmann mit (Grablage AA 15, 54-8). Außer dem hier besprochenen Grabmal Schaeffer von 1890 gibt es in Ohlsdorf noch zwei weitere bedeutende Arbeiten von Peiffer: die Grabmale Heye/Nonne von 1893 (Grablage V 20, 12-47) und Bonne/Reye von 1895 (Grablage V 22, 45-61). Das Grabmal für die Familie des Kommerzienrats Heye war zur Zeit seiner Aufstellung 1893 übrigens das aufwendigste überhaupt in Ohlsdorf. Mit einem Ädikulaaufbau von 560 x 500 cm, in dessen Nische eine Mutter mit Kindern sitzt (eine säkularisierte Madonna nach Art der italienischen Renaissance-Madonnen), sollte es vorbildlich wirken – und leitete die Ohlsdorfer Blütezeit ein.
Zu den bekanntesten Werken Peiffers im Hamburger Stadtbild zählen: die Vierländerin vom Messberg-Brunnen am Hopfenmarkt von 1878, die dreimal den Standort wechselte; der monumentale Hansa-Brunnen von 1878 in St. Georg; die Fassadenplastik des Hamburger Hofs am Jungfernstieg (1881-83); die Statuen von St. Ansgar und Graf Schauenburg auf der Trostbrücke (1883); das Standbild des im Jahr 2004 groß gefeierten Reformators Bugenhagen (1885), das 1914 von der Innenstadt zum Johanneum übertragen wurde. Weiter stammen von ihm die Statuen von Rubens, Tizian, Cornelius, Holbein, Schlüter und Rauch am Altbau der Kunsthalle (1886); die allegorischen Gruppen bei der ehemaligen Oberpostdirektion am Stephansplatz, die die Telegraphie, die Telefonie und den Nutzen der Post für den Handel zu Lande und zur See darstellen. Ferner das Standbild von Karl dem Großen mit den vier Wappenlöwen vor dem „kleinen Michel” (1889/90), die Statuen von St. Jakobus und Kaiser Heinrich am Rathaus (1892/93), die Apostelfiguren bei der St. Johanniskirche in Pöseldorf (1893). Im Kunst-Lexikon Thieme-Becker von 1931/32 werden noch zahlreiche weitere Werke genannt, die aber wohl im Kriege verloren gegangen sind.
Die Skulptur vom Grabmal Schaeffer wird im Ohlsdorfer Katalog (Band 2, Nr. 200) als „weibliche Herme” beschrieben, die „sich nach unten zu verjüngt”. Unter „Hermen” liest man im Brockhaus Konversations-Lexikon von 1894: „Viereckige mit Köpfen versehene Pfeiler, dergleichen es im alten Athen auf Plätzen und Straßen viele gab. Den Namen erhielten sie von Hermes, insofern dieser auch als Gott der Wege und des Verkehrs verehrt wurde. (...) An Kreuzwegen wurde die einfache Herme nach der Anzahl der Wege verdrei- oder vervierfacht”.
Nun soll diese Herme als Blickfang die Aufmerksamkeit der Besucher auf das Museum am Haupteingang des Ohlsdorfer Friedhofs lenken. Bedenkt man die Spannweite des Werkes des Bildhauers Engelbert Peiffer – von der Elbe bis zur Alster, vom Grindel über Neustadt und Altstadt bis nach Ohlsdorf, von den Vierlanden über das Rathaus bis zur Kunsthalle und schließlich von großen Kaisern über berühmte Maler bis zu den allegorischen neuesten Errungenschaften der damaligen Zeit – ist die Herme mehr als ein Grabmal. Dieser Meilenstein, der Athen mit Hamburg und Antike mit Jugendstil verbindet, ist beispielhaft und symbolisch ein neues Verbindungsstück zwischen der Hansestadt, ihren Bewohnern und dem Kulturgut Ohlsdorfer Friedhof.
Quellen:
Brockhaus Konversations-Lexikon, Leipzig 1894.
Ernst Rump: Lexikon der bildenden Künstler Hamburgs, Altonas und der näheren Umgebung, Hamburg 1912.
Thieme/Becker: Allgemein Lexikon der Bildenden Künstler, Leipzig 1931 und 1932, Nachdruck München 1992.
Heinz Zabel: Plastische Kunst in Hamburg, Skulpturen und Plastiken im öffentlichen Raum, Reinbek 1986.
Die Dritte Dimension, Bestandskatalog der Skulpturenabteilung der Hamburger Kunsthalle, Hamburg 1988.
Hermann Hipp: Geschichte, Kultur und Stadtbaukunst an Elbe und Alster, Köln 1989.
Ralf Wegner: Wo Hamburg am hamburgischsten ist – Speicherstadt und Katharinenviertel – Ein Hamburg-Innenstadtführer, Hamburg 1989.
Der Hamburger Hauptfriedhof Ohlsdorf, Geschichte und Grabmäler, Hamburg 1990.
Barbara Leisner/Helmut Schoenfeld: Der Ohlsdorf-Führer, Hamburg 1993.
Horst Beckershaus: Die Hamburger Straßennamen – Woher sie kommen und was sie bedeuten, Hamburg 1997.
Jens Marheinecke: Trauer, Hoffnung, Glaube... Botschaften Ohlsdorfer Kunstwerke, Hamburg 2001.
Christine Behrens: Bildhauer und Plastische Kunst auf dem Ohlsdorfer Friedhof, in: Ohlsdorf – Zeitschrift für Trauerkultur, Nr. 73, 2001, S. 11-18.