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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Symposium über neue Bestattungskultur

Autor/in: Mike Bieder
Ausgabe Nr. 116, I, 2012 - Februar 2012

Am 3. und 4. November 2011 fand im Technischen Halloren- und Salinemuseum in Halle (Saale) das Symposium zum Thema "Bestattungskultur in Deutschland im Jahre 2011 – Wo geht es hin?" statt.

Veranstaltet wurde es vom Mitteldeutschen Feuerbestattungsverein e.V. in Zusammenarbeit mit der FUNUS Stiftung. Hierzu waren namhafte Referenten eingeladen, um ihren Eindruck und ihr Wissen zum Thema vorzutragen. Zahlreiche Bestatter, Mitarbeiter von Feuerbestattungseinrichtungen und einige Interessierte waren zum Symposium erschienen, um sich diese Auswahl von hochwertigen Beiträgen anzuhören. Die Moderation übernahm Theo M. Lies, Freier Journalist aus Halle.

Die Begrüßung übernahm Frank Pasic von der FUNUS Stiftung. Bereits im Jahre 2000 fand ein derartiges richtungweisendes Symposium in Halle (Saale) statt. In den vergangenen elf Jahren hat sich einiges getan in der deutschen Bestattungskultur. Sah man die angefangene Privatisierung einiger Feuerbestattungseinrichtungen seinerzeit noch sehr kritisch und bedrohlich, kann nunmehr jedoch festgehalten werden, dass dieser Schritt die starren Formen der Krematoriumsbranche aufgebrochen hat und diese somit weitgehend zum kundenorientierten Servicedienstleister geworden sind. Auch in anderen Bereichen hat sich viel getan, wie den nachfolgenden Kurzberichten der einzelnen Referenten zu entnehmen ist.

Den Anfang machte Prof. Dr. Norbert Fischer, Sozial- und Kulturhistoriker der Universität Hamburg, mit einer geschichtlichen und aktuellen Abhandlung der Bestattungskultur in Deutschland und spannte dabei den Bogen von den einstigen Kirchhöfen bis hin zu den öffentlichen Gedenkorten und dem virtuellen Gedenken heute.

Über die Arbeit der Bestatter informierte im Anschluss Dr. Rolf-Peter Lange vom Verband Deutscher Bestattungsunternehmen e.V. Berlin. Neben der alltäglichen Arbeit des Bestatters stellte er die neuen Aufgaben seiner Branche dar – die Vorsorgeaufgabe sowie die nachträgliche Hilfe Angehörigen gegenüber bei banalen Lebensdingen. Darüber hinaus brachte er mit den kontroversen Themen Friedhofszwang für Totenasche und Liberalisierung der Friedhöfe eine starke Diskussion in Gang.

Uwe Brinkmann vom Verband der Friedhofsverwalter Deutschland e.V. berichtete über die aktuellen Herausforderungen beim Betrieb von Friedhöfen: Von den Schwierigkeiten der kostendeckenden Arbeit, über die häufige Bodenproblematik bis hin zu Reduzierungen von öffentlichen Geldern. Er versäumte auch nicht, Wege aus diesen Problemen aufzuzeigen und stellte schließlich die Frage, ob eine Unterdeckung der Kosten immer zwangsläufig zu einer Gebührenerhöhung führen sollte, ja auch überhaupt darf? Öffentlichkeitsarbeit ist unerlässlich, wenn es um die Verbesserung des Images der Friedhöfe geht.

Im darauf folgenden Beitrag zeigte Dr. Karl-Heinz Kerstjens vom Gartenbauzentrum Essen auf, dass fast alle beteiligten Dienstleister rund um die Trauerkultur neuerdings zu den Verlierern gehören: Die Kirche, Bestatter, Floristen und Gärtner, Steinmetze und die klassischen Friedhofsträger. Lediglich die neuen Friedhofsformen wie Baumbestattungen, Seebestattungen und ähnliche gehören zu den Gewinnern. Gerade seine Branche sei sehr stark betroffen, da häufig durch eine anonyme Beisetzung oder im engsten Kreis, sowie durch Spendenaufrufe an gemeinnützige und caritative Einrichtungen, die Möglichkeit von Kranz- und Blumenzuwendungen nicht mehr gegeben sind. Vorzeigeprojekte an Grabgestaltungen sollen dieses wieder auffangen.

Der FriedWald ist das wohl bekannteste und größte Unternehmen seiner Art und der Vorreiter in Sachen Baum-/Naturbestattungen und fing vor elf Jahren auf dem Symposium zur Bestattungskultur in Halle (Saale) mit seiner Idee erst an. Nunmehr hat sich FriedWald in Deutschland etabliert – mit 41 Waldgebieten. Dr. Hans-Adam von Schulzendorff, Geschäftsführer der FriedWald GmbH, stellte diese Entwicklung dar und erläuterte ausführlich, wie die Kooperationen zwischen Waldbesitzer, Kommune, FriedWald und Verbraucher funktioniert. Darüber hinaus hat es die Friedwald-Idee auch geschafft, dass sich immer mehr Menschen mit dem Tabuthema Tod auseinandersetzen und in ihren Familien und Freundeskreisen lebhaft darüber diskutieren.

Die Firma Algordanza zeigte Einblicke, wie aus Totenasche ein synthetischer Diamant gewonnen wird. Dabei wird der Totenasche mittels chemischem Verfahren der Kohlenstoff entzogen und unter sehr hohem Druck zu einem sogenannten Erinnerungsdiamanten gepresst. Dieses ist sicherlich eine Alternative, wird aber – unabhängig von den hohen Kosten – in den nächsten Jahren nur einen sehr geringen Anteil einnehmen.

Den Abschluss für den ersten Tag machte Petra Hohn, Vorsitzende vom Bundesverband Verwaiste Eltern in Deutschland e.V. mit einem wichtigen Thema: Die Bestattung von Fehl- und Totgeburten. Auch hier hat sich in den letzten zehn Jahren sehr viel getan. Während Jahrzehnte lang Fehl- und Totgeburten ohne Rücksprache mit den trauernden Eltern als sogenannter Klinikmüll entsorgt oder für wissenschaftliche Zwecke der Pharmaindustrie übergeben worden sind, ist durch die Arbeit des Bundesverbandes Verwaiste Eltern und vieler kleinerer Organisationen die breite Öffentlichkeit sensibilisiert worden. Vielerorts werden auch diese heute auf Friedhöfen bestattet.

Am zweiten Tag des Symposiums berichtete Michael Kriebel von der Güte-gemeinschaft FLAMARIUM über den Betrieb einer Feuerbestattungseinrichtung. Die Technik sowie Umweltauflagen spielen hier eine große Rolle, aber auch die Vorzüge der Privatisierung.

Dass auch die Kirche neben den Bestattern, Floristen/Gärtnern und Steinmetzen stark vom Wandel in der Bestattungskultur betroffen ist, musste Pfarrer Dr. Andreas Fincke aus Berlin widerwillig einräumen. Gerade die Kirche, die Jahrhunderte lang das Bestattungsmonopol unter sich hatte, gerät in den Städten mehr und mehr ins absolute Abseits. Er orientierte sich an Praxisbeispielen und zeigte so auf, wie schwer die seelsorgerische Arbeit aufgrund von Personalproblemen und Gemeindezusammenlegungen geworden ist. Dass darüber hinaus die Kirche aber auch vieles andere versäumt hat und nunmehr die Quittung dafür bekommt, musste sich der Pfarrer von seinen Zuhörern unbeirrt sagen lassen.

Bei den letzten beiden Referenten sollte es um juristische Fragen gehen. Hier zeigte Rechtsanwältin Ulrike Wallot aus Freiburg, was es für Gesetze und Verordnungen im Zusammenhang mit Bestattung in Deutschland gibt. Das Bestattungsgesetz ist Ländersache und auch Verordnungen wie z. B. eine Friedhofsverordnung, bringen manchmal mehr Probleme mit sich, als sie eigentlich sollen. So brachte die eine oder andere Praxiserfahrung die Zuhörer zum Schmunzeln.

Priv.-Doz. Dr. Dr. Tade Matthias Spranger von der Universität Bonn schloss das Symposium mit einem Vortrag zum Thema Ordnungsamtsbestattung. Nicht selten geht die Ordnungsamtsbestattung unterhalb des Leistungskataloges einer Sozialbestattung, die selbst oftmals rechtliche Fragen aufwirft. Durch die Unterstützung der FUNUS-Stiftung war es möglich, dass Tade M. Spranger über dieses virulente Thema eine Studienarbeit herausbringen konnte, die kurz vor dem Symposium im LIT-Verlag erschienen ist.

Das Schlusswort hielt Heinz Knoche, Vorstand des Mitteldeutschen Feuerbestattungsvereins. Er warnte vor dem weiteren Verfall unserer Bestattungskultur und wies darauf hin, dass wir alle das Gut unserer Bestattungskultur in einem für jedermann würdevollen Rahmen zu bewahren haben. Dazu ist der Dialog aller Beteiligten weiterhin notwendig.

Kontakt zum Autor per E-Mail: [email protected]

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Neues Leben auf dem Friedhof (Februar 2012).
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