Testamente als wirtschafts-, rechts- und sozialhistorische Quellen für den Umgang mit den „letzten Dingen“ (Kloster Irsee, 18. - 20. November 2005)
Testamente verfügen über den materiellen Besitz der Erblasser. Hinterbliebene Angehörige und/oder begünstigte Institutionen werden mit Erbanteilen bedacht. In verhältnismäßig großem Umfang haben Erblasser vor allem in vorreformatorischer Zeit die vererbten Güter zur Sicherung ihres „Seelenheils“ im Sinne einer „Jenseitsvorsorge“ verwendet: Der Testierende setzt sich in seiner letztwilligen Verfügung mit dem auseinander, was man traditionell als das „Jenseits“ oder als die „letzten Dinge“ bezeichnet. Im Horizont dieser letzten Dinge – Himmel, Hölle, Fegefeuer, Tod – entscheidet sich nach vormoderner Auffassung die Frage nach dem „Seelenheil“ jedes Einzelnen.
Nach wie vor sind Testamente nicht nur Dokumente für Rechts-, Wirtschafts- und Sozialbeziehungen, sondern immer zugleich auch ungemein aussagekräftige Quellen für den Umgang mit und die Bewertung von Sterben und Tod. Häufig regeln auch heute Testamente das Bestattungsritual, die Gestaltung der Grabstätten, gelegentlich auch die Formen der Totenmemoria.
Veränderungen in der medizinischen Versorgung sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass sich der Erblasser weniger um die letzten als um die „vorletzten“ Dinge sorgt. Testamente versuchen immer häufiger auch die über die Bedingungen des physischen Sterbens, über lebensverlängernde Maßnahmen und über den Körper des Erblassers im Hinblick auf die Möglichkeiten der Organspende zu verfügen.
Die Tagung möchte an bereits vorliegende Forschungsergebnisse und deren Diskussion anknüpfen und diese erweitern bzw. weiterführen. Thematischer Schwerpunkt sind Testamente als kulturgeschichtliche Zeugnisse für die Einstellung zu Sterben, Tod und Jenseitsglauben und deren Wandel.
Programm
Freitag, 18. November 2005
16.00 – 16.30 Uhr
Markwart Herzog / Cecilie Hollberg:
Begrüßung und Einführung
16.30 – 17.30 Uhr
Linda Guzzetti:
Testamentsforschung in Europa
I. Herrscher – Bürger – Handwerker
17.30 – 18.30 Uhr
Christoph Winterer: Ellipsen und Erwartungen. Das Testament Karls des Großen
18.30 – 19.30 Uhr: Abendessen
19.30 – 20.30 Uhr
Cornelia Soldat:
Testamente und Sterben russischer Herrscher in Mittelalter und früher Neuzeit
20.30 – 21.30 Uhr
Susan Richter:
Politische Erfahrungen als säkularisierte letzte Dinge. Das Beispiel des Landgrafen Georg II. von Hessen Darmstadt
Samstag, 19. November 2005
8.30 – 9.30 Uhr
Olivier Richard:
„Fromme Klauseln“ – „profane Klauseln“?
Regensburger Bürgertestamente des späten Mittelalters.
9.30 – 10.30 Uhr
Doris Bulach:
„tho ewigen tyden to ghevende“
Handwerksämter im südlichen Ostseeraum als Garanten für das Seelenheil.
10.30 – 11.00 Uhr: Kaffeepause
11.00 – 12.00 Uhr
Cecilie Hollberg:
Den Tod vor Augen.
Testamente deutscher Handwerker in Venedig.
II. Religion und Konfession
12.00 – 13.00 Uhr
Michael Pammer:
Zeitliche und ewige Dinge.
Erbe und Seelenheil in oberösterreichischen Testamenten des 18. Jahrhunderts.
13.00 – 14.00 Uhr: Mittagspause
14.00 – 15.00 Uhr
Otto Danwerth:
Letztwillige Verfügungen in den kolonialen Anden. Indigene Testamente als religiöse Quellen aus dem Vizekönigreich Peru.
15.00 – 16.00 Uhr
Kadri-Rutt Hahn:
Revaler Testamente in den ersten Jahrzehnten nach der Reformation.
16.00 – 16.30 Uhr: Kaffeepause
16.30 – 17.30 Uhr
Tomás Maly: Seelenheil und Fegefeuer im Zeitalter des „langen und nahen Todes“. Das Lesen von Messen in Brünn im 17. und 18. Jahrhundert.
17.30 – 18.30 Uhr
Susanne Knackmuß:
„Streit bis zum bitteren Ende ...“ Zum Tod in der Konfessionsfremde und zum Testament von Sigismund Streit (1687–1775).
18.30 – 19.30 Uhr: Abendessen
III. Künstlertestamente und Grabmalkunst
19.30 – 20.30 Uhr
Thomas Pöpper:
Nachlass, Grabmal und Seelenheil.
Das Testament des Andrea Bregno von 1503.
Sonntag, 20. November 2005
8.30 – 9.30 Uhr
Nicole Hegener:
Bandinelli und der Tod.
Todesthematik als Movens für Leben und Werk eines Renaissancekünstlers.
9.30 – 10.30 Uhr
Christian Schuffels:
Ein Klerikergrabmal als Testament in Stein.
Das Beispiel des Hildesheimer Domkanonikers Bruno.
10.30 – 11.30 Uhr
Wolfgang Schmid:
Die Seelenheilfürsorge einer Elite.
Grabdenkmäler und Testamente der Trierer Domkanoniker.
11.30 – 12.30 Uhr
Gerhard Otte: Letzte und vorletzte Dinge in Testamenten heute.
12.30 – 13.00 Uhr: Schlussrunde
13.00 Uhr: Mittagessen und Tagungsende
NB: Jede Themeneinheit setzt sich aus einem 30-minütigen Vortrag und einer sich daran anschließenden Diskussionsrunde gleicher Dauer zusammen.
Konzeption & Leitung
Dr. Markwart Herzog/Dr. Cecilie Hollberg
Schwabenakademie Irsee,
Klostergang 7, 87660 Irsee