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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

"Garten der Frauen" - Eine Kontroverse

Autor/in: Rita Bake
Ausgabe Nr. 75, IV, 2001 - November 2001

Zu dem Beitrag von Helmut Schoenfeld "Garten der Frauen, feierlich eingeweiht" in unserer Ausgabe Nr. 74 veröffentlicht die Redaktion folgenden Leserinnenbrief des "Vereins Garten der Frauen":

Sehr geehrter Herr Schoenfeld,

mit Erstaunen und Befremden haben wir Ihren Bericht über den "Garten der Frauen" in Ihrer Zeitschrift für Trauerkultur zur Kenntnis genommen.

Sie können zwar gerne Ihre "anderen" Vorstellungen über den Garten der Frauen zum Ausdruck bringen. Doch bitte unterstellen Sie uns nicht, dass wir eine gartendenkmalpflegerische Chance vertan haben. Dies haben wir in keiner Weise. Denn Chancen können nur dann vertan werden, wenn man etwas erreichen wollte, was dann doch nicht verwirklicht wurde. Wir wollten es aber nicht so, wie Sie sich das vorgestellt haben! Im Gegenteil: wir haben die Chance im inhaltlichen Sinne unseres Vereins voll genutzt. Und übrigens - kostenlos war die von uns genutzte Chance nicht. Auch wenn Kultur- und Umweltbehörde, sowie die Stiftung Denkmalpflege finanzielle Zuschüsse gegeben haben, hat der Verein Garten der Frauen ebenfalls einen erheblichen Teil der Kosten aus eigenen Mitteln bestritten, ganz zu schweigen von seiner ehrenamtlichen Arbeit - aber das kennen Sie ja aus eigener Erfahrung.

Zutiefst erschrocken sind wir über Ihre in Ihrem Artikel zum Ausdruck gebrachte nicht vorhandene politische Sensibilität. Wir gehen davon aus, dass es sich bei der von Ihnen angesprochenen Lichtung, die Sie als Standort für den Garten der Frauen favorisieren, um die ehemalige Nazi-Gedenkstätte handelt. An dieser Stelle fanden jährlich in Anwesenheit Hamburger Schülerinnen und Schüler ritualisierte Nazi-Gedenkfeiern statt. 1946, kurz nach der Befreiung vom Hitler-Faschismus, war es den Menschen in Hamburg so wichtig, diese Gedenkstätte dem Erdboden gleichzumachen, obwohl sie in erster Linie all ihre Kraft gegen Hunger und Wohnungsnot einsetzen mussten. Am Rande dieser Gedenkstätte ließen die Nazis die von Ihnen erwähnten, bei einem Fliegerangriff 1944 umgekommenen jungen Frauen - es handelte sich um BDM-Mädchen - begraben. Aber das wissen Sie ja alles!

Soll also der Garten der Frauen dafür herhalten, mit Schleierkraut und Frauenmantel die unrühmliche Geschichte Deutschlands mit dem Mantel des Vergessens zuzudecken?

Ihr Traum ist ein politischer Albtraum!

Mit bestem Gruß für den Verein Garten der Frauen
Dr. Rita Bake und Helga Diercks-Norden (unterz. Rita Bake)

Helmut Schoenfeld erwidert zu diesem Fall:

"Zunächst einmal muss ich darauf aufmerksam machen, dass an keiner Stelle meines Beitrages kritische Äußerungen gegenüber dem "Verein Garten der Frauen" zu finden sind. Meine Würdigung seines Wirkens ist in der vorangegangenen Ausgabe Nr. 73 dieser Zeitschrift nachzulesen. Der Leserinnenbrief geht daher am Thema vorbei. Ich hätte mir jedoch Reaktionen von anderer Seite gewünscht. Meine Hinweise zur verpassten Chance einer gartendenkmalpflegerischen Maßnahme und meine Vision von einem Garten bedürfen vermutlich noch einer Erläuterung, die ich Interessierten gern einmal vor Ort vortragen würde. Im zweiten Teil des Briefes bin ich dann in eine politische Ecke gestellt worden, die nicht die meinige ist. Das hat mich getroffen. Und so muss ich mich deutlich gegen die mir unterstellte, nicht vorhandene politische Sensibilität verwahren. Nimmt man denn wirklich an, dass ich geschichtlich unrühmliche Orte ohne eine breite Diskussion für eine bestimmte Nutzung vorschlagen will? Und warum hat man die vermeintlichen Meinungsverschiedenheiten nicht zunächst in einem persönlichen Gespräch klären können?"

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Kinder erleben den Friedhof (November 2001).
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