Der Umgang mit den Toten ist in diesem Heft Schwerpunktthema.
Jahrhunderte lang wurde er in Europa von der christlichen Religion bestimmt, wie Norbert Fischer in seinem historischen Überblick ausführt. Man glaubte wortwörtlich an die leibliche Auferstehung und wollte dafür den besten Platz haben. Der befand sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Altares, wo die Reliquien von Heiligen dafür sorgen sollten, dass diese – auferstanden – zu Fürsprechern beim Jüngsten Gericht würden. Noch heute leitet sich die Sitte der relativ kurzen Ruhefristen auf unseren Friedhöfen davon ab, dass aus diesem Grund in den Kirchen und auf den Kirchhöfen immer wieder Platz für neue Bestattungen geschaffen werden musste. Nur brauchte man nach der Reformation im protestantischen Norden dann keine Beinhäuser mehr – wie z.B. das schöne achteckige Beinhaus neben dem Münster von Bad Doberan, das noch heute erhalten ist – um die Knochen bis zum Ende der Welt aufzubewahren. Das Jüngste Gericht verlor durch Luther einen Teil seines Schreckens. Eine Besonderheit unter den Beinhäusern bilden übrigens die "Knochenkapellen": Räume, in denen die Überreste der Verstorbenen kunstvoll angeordnet Wände und Decken verzieren (wie z.B. in der "Capella dos Ossos" in Evora, Portugal).
- Schädel in der Gruft der St.-Josephs-Kirche in Hamburg-St. Pauli. Foto: N. Fischer
Manchmal mumifizierten die Toten auch in ihren Grüften und Gräbern und die Menschen staunten über diese Besonderheit. So bildeten die Mumien im Bremer "Bleikeller" schon bei ihrer Entdeckung im Jahr 1698 eine Sensation. Zwei Jahrzehnte danach musste der Domzimmermann sogar seinen Schlüssel zu diesem Raum abgeben, weil zu viele Besucher kamen. Auch heute noch kann man die Mumien besichtigen.
Hatte man früher also ein anderes Verhältnis zu den Toten als heute, wo man die "echten" aber keimfrei plastinierten Toten des Gunther von Hagens in großen Ausstellungen der Öffentlichkeit präsentiert? Ich persönlich glaube das nicht. Tote und Mumien, Menschenknochen und Totenschädel waren und sind mit einer besonderen Aura umgeben, die zugleich abschreckend und anziehend wirkt, und sie bildeten immer schon ein "Memento mori" für die Lebenden. So möge auch dieses Heft seinen Beitrag dazu leisten an den Tod zu erinnern und sich über die eigenen Vorstellungen und Wünsche auszutauschen, bevor es zu spät ist. Vielleicht hilft dabei ja das Motto: "Über den Tod zu sprechen, bringt dich nicht um!"