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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Exkursion nach Wien

Nach dreijähriger Vorbereitungszeit fand sich eine Gruppe von dreißig hoch motivierten Förderkreismitgliedern zur sechstägigen Fachexkursion vom 20. bis 25. September 2006 nach Wien zusammen.

Obwohl die meisten Teilnehmer im Pensionsalter sind, gab es kein Ermatten, immer volle Konzentration, exakte Pünktlichkeit bei gleichzeitiger Gruppenharmonie, gefördert vom schönen Spätsommerwetter, das von der ersten bis zur letzten Stunde anhielt. Es war ein besonders intensives Kulturerlebnis: Wien als eine der Kulturhauptstädte deutscher Sprache war im 19. Jahrhundert wohl die glänzendste von allen. Dies hat auch auf dem Gebiet der Sepulkralkultur deutliche Spuren hinterlassen.

Eine so komplexe Kulturreise kann einer allein nicht gestalten. Während meiner dreijährigen Sammel- und Vorbereitungszeit stand mir Frau Kläre Buthmann, die viele Jahre in Wien lebte, unermüdlich zur Seite.

K. Buthmann
Frau Kläre Buthmann (Foto: Mauss)

Dazu kam vor Ort als unerwarteter Glücksfall der Leiter des Wiener Sepulkralmuseums, Herr Amtsrat Julius Müller, ein Spitzenfachmann auf unserem Fachgebiet und gleichzeitig ein geistreicher Führer von schier unerschöpflicher Ausdauer. Nochmals Danke an beide.

Amtsrat Müller
Amtsrat Julius Müller im Bestattungsmuseum Wien (Foto: Mauss)

Herr Amtsrat Müller wird Anfang Juni 2007 einen Gegenbesuch in Hamburg-Ohlsdorf machen und einen sicher spritzigen Vortrag über weitere Themen der Wiener Sepulkralkultur halten.

Am 20. September begannen wir gleich nach dem Einzug in unser Hotel mit der Michaelerkirche und ihrer Gruft, die aus der Mitte des 16. Jahrhunderts stammt. Der meterdicke Fußboden besteht aus menschlichen Gebeinen, darauf stehen die Särge mit mumifizierten Barockmenschen in der eindeutig erkennbaren Seidenkleidung ihrer Zeit. Zu Fuß ging es weiter zum Stefansdom mit seinen Katakomben.

Führung Zentralfriedhof
Führung über den Wiener Zentralfriedhof (Foto: Mauss)

Am 21. September stand der Besuch im Bestattungsmuseum Wien auf dem Plan, wo die Gruppe durch Herrn Amtsrat Julius Müller mit offenen Armen empfangen wurde. Er führte uns stundenlang mit immer neuen Details durch dieses reichhaltige Sepulkralmuseum. Dieser Besuch allein hätte den Wienflug schon gerechtfertigt.

Klappsarg
Klappsarg aus der Zeit von Kaiser Joseph II. (Foto: Schulze)

Am selben Tag stand noch der St. Marxer Friedhof, der denkmalgeschützte Ort der Barock- und Biedermeierzeit, auf dem Plan, auf dem Wolfgang Amadeus Mozart beerdigt liegt.

Grabmal Brahms
Grabmal von Johannes Brahms auf dem Wiener Zentralfriedhof (Foto: Mauss)

Am 22. September ging es zum Zentralfriedhof mit der Karl-Lueger-Kirche (1910). Vier Stunden lang führte uns Herr Müller mit Kraft und Esprit: Wirklich, hier liegt ein Großteil der Meister des deutschsprachigen Kunst- und Geisteslebens des 19. und 20. Jahrhunderts begraben. Wer dies empfinden kann, spürt den Atem dieser Kulturvergangenheit! Beethoven, Schubert, Brahms und Schönberg sind als Bekannteste am Beginn einer Kette illustrer Namen zu nennen. Im Krematorium sahen wir eine Kremation und die sehr sachlich gehaltenen Trauerräume.

Tempelgrab
Grabmal eines jüdischen Kaufmanns in Form eines griechischen Tempels (Foto: Mauss)

Am 23. September ging es zum Grinzinger Friedhof, über den Frau Buthmann führte. Herr von Klingspor hielt am Grabe von Gustav Mahler einen spontan-geistreichen Vortrag über die Beziehung Mahlers zu Hamburg. Weiter hinauf fuhren wir mit dem Bus zum Kahlenberg zur Vogelschau über Wien, dann zum Ritterfriedhof, der verwunschen, aber gepflegt am Kahlenberg liegt.

Am 24. September besuchten wir die Haydn- und Brahmsgedenkstätte, wo den Autor besonders die Brahmspartituren und die Möbel fesselten, sowie das Mozarthaus, das in den letzten Jahren zu einem modernen Mozartmuseum mit großemAussagewert umgestaltet worden ist. Danach ging es zur Kaisergruft (Kapuzinergruft), wo man die Geschichte der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation und ab 1804 der österreichischen Kaiser an den kostbaren Sarkophagen bildhaft nachempfinden kann. Besonders beeindruckend der riesige Barocksarkophag der bedeutenden Kaiserin Maria Theresia und ihres Mannes Kaiser Franz I. Zu Füßen dieses "Sarkophagberges" der schlichte Sarg des Sohnes Kaiser Joseph II., der große Reformer, der bei längerer Lebenszeit die Welt der Aufklärung und Medizin positiv beschleunigt hätte.

Sarkophag
Prunkvoller Bronzesarkophag in der Kapuzinergruft (Foto: Schulze)

Am Montag, den 25. September kehrte die Gruppe erfüllt von den vielen Eindrücken zurück. Von den zehn Exkursionen, die der Verfasser als Förderkreisvorsitzender gestalten durfte, war Wien als sepulkrales Kulturzentrum stets sein Herzensziel gewesen – ein Wunsch, der ihm durch das harmonische Mitschwingen der Mitreisenden besonders glücklich erfüllt wurde. Dafür ist er sehr dankbar!

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Steine des Anstoßes (November 2006).
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