Diesmal waren wir nur 31 Exkursionsteilnehmer, wahrscheinlich, weil Hannover aus Hamburger Sicht nicht besonders reizvoll erscheint. Weit gefehlt!
In kulturhistorischem, friedhofsorganisatorischem und gastfreundschaftlichem Erleben hat sich unsere Reise voll gelohnt. Wir wohnten im zentral gelegenen Stadthotel "Maritim", von wo aus wir Hannovers städtebauliche Höhepunkte um die Marktkirche mit ihren um 1950 von Gerhard Marcks geschaffenen Bronzetüren mit der damals schockierenden Darstellung der Kriegsgräuel aller Feindseiten gut erreichen konnten. Das frühherbstliche Wetter ließ Blatt- und Blumenfarben immer wieder hell aufleuchten.
Sonnabend, 7 Uhr, pünktlich Abfahrt vom Hauptgebäude in Ohlsdorf. Schon um 9 Uhr parkten wir vor dem Friedhof Lahe im Nordosten der Stadt. Hier das einmalige Erlebnis, vom Friedhofsgestalter persönlich, Herrn Dipl.-Ing. Rupprecht Dröge, über seine Gedanken bei den architektonischen Entwürfen 1962 noch als sehr junger Künstler berichtet zu bekommen - und dann seine Reflektionen vierzig Jahre später. Sein Fazit: die Grundkonzeption ist noch heute richtig, nur die Stadtentwicklung blieb hinter den Erwartungen zurück, wodurch die unbelegten Flächen jetzt zu groß sind. Dieser neuzeitliche Friedhof aus dem Jahr 1962 wirkt heute weitflächig-unpersönlich. Dieser Eindruck verstärkt sich durch die Entscheidung, sämtliche hannoverschen Friedhöfe möglichst weitgehend in Rasenflächen umzuwandeln. Allerdings wirkt die Unterteilung in Heckenquartiere der eintönigen Flächigkeit wohltuend entgegen.
Am Nachmittag führte Frau Runhild Porthun, ehemalige Leiterin der Planungsgruppe Friedhöfe Hannover, über den Parkfriedhof Engesohde in der Südstadt. Hier das Kontrastprogramm: der 1861 angelegte Friedhofspark mit seinen alten Bäumen und Wegen, den unterschiedlichen Grabmalen und Mausoleen in bestem Pflegezustand strahlt Wärme und Geborgenheit aus. Eindringlich das Ensemble des für Hannover des 19. Jahrhunderts bestimmenden Architekten Georg Laves und Goethes Patensohn Georg Kestner. Die einfühlsame gleichzeitig exakte 3-Stundenführung von Frau Porthun (Abb. unten Mitte) ist nicht hoch genug zu loben. Abends individueller Stadtbummel.
- Führung Hannover (Foto: Schulze)
Am Sonntag, dem 22.9.2002, begann Frau Porthun pünktlich um 9 Uhr ihre vorbildliche Führung auf dem 1919 begonnenen Seelhorster Friedhof, der in Verwandschaft zum Linne-Teil unseres Ohlsdorfer Friedhofes als geometrisch gestalteter architektonischer Garten erscheint mit geraden Alleen, rechtwinkligen Grabrevieren mit Heckenumrahmungen und gradlinig gefasstem Hauptteich. Hier lebt ein Reformfriedhof der 20er Jahre weiter, der im Linne-Abschnitt Ohlsdorfs weitgehend "zerwachsen" ist.
Von der Südstadt per Bus in die Nordstadt. Dr. Peter Schulze vom Stadtarchiv Hannover öffnete uns das Eisentürchen in der Mauer zum "Alten Judenfriedhof" nahe der Christuskirche zu sachkundiger Führung. Auf einer alten Düne belegte hier die jüdische Gemeinde vom 15. bis 19. Jahrhundert ihren jetzt malerisch wirkenden Friedhof mit seiner kuppelförmigen Anordnung der jüdischen Grabsteine. Auch Heinrich Heines Ahnen ruhen hier.
Zum Abschluss ein zweistündiger Aufenthalt in der berühmten barocken Gartenanlage des Schlosses Herrenhausen. Ihre vierreihige Lindenallee ist Vorbild für den Friedhof Seelhorst. Rückkehr nach Hamburg gegen 18 Uhr nach zwei erlebnisreichen, harmonischen Tagen.