Lange bevor sich das Wort "Nachhaltigkeit" zum vielverwendeten Modewort entwickelte, gab es die Wiederverwertung von anfallenden Stoffen.
Vor allem die Kompostierung von organischen Abfällen kann bis in das antike Rom und nach Jerusalem zurückverfolgt werden. Zum Beispiel wurde Berichten zufolge im Kidrontal östlich von Jerusalem Taubenmist kompostiert, der als Dünger genutzt wurde. Heute fallen besonders auf den Friedhöfen viel Laub, sowie alte Blumen und anderes an und man ist es gewohnt, dass diese Überreste von der Friedhofsverwaltung zu Kompost verarbeitet werden. Doch vielen Friedhofsbesuchern stellt sich irgendwann auch die Frage, was denn mit den Grabsteinen passiert, wenn das Nutzungsrecht an einer Grabstätte abgelaufen ist.
In Ohlsdorf werden, um den Friedhof gemäß seiner Bestimmung auch für spätere Generationen als Bestattungsfläche nutzen zu können, die Gräber nach Ablauf der Nutzungszeit aufgehoben. In der Praxis bedeutet dieser Schritt, dass der Bewuchs entfernt und die Steine samt Fundament abgebaut werden. So kommt neben organischen Abfällen in der Menge von 2.000 beladenen mittelgroßen LKW in jedem Jahr zusätzlich ein kleines "Gebirge" von Grabsteinen und Resten von Beton- und Klinkerfundamenten zusammen. Und auch hier greift die "Nachhaltigkeit": Denn die Steine werden weiter verwendet.
Natürlich wird dabei Wert darauf gelegt, dass keine Inschriften sichtbar bleiben. In der Regel wird das abgeräumte Material kleinteilig von einem Steinbrecher maschinell gebrochen und später als Schotter verwendet, z.B. im Wegebau auf dem Friedhof. Eine Parallele zur Wiederverwendung kompostierter Pflanzenabfälle ist damit gegeben. Denn es handelt sich nicht um eine Entsorgung, sondern um eine sinnvolle und ökologisch wertvolle Maßnahme. Nicht immer reicht das Material vom Grabsteinrecycling aus, um den Bedarf des Friedhofs zu decken. Auf jeden Fall wird kein Material verkauft. Also: Kein Stein, der nach Ablauf der Nutzungszeit an die Friedhofsverwaltung zurückgefallen ist, verlässt den Friedhof, selbst wenn er nicht zerkleinert wurde und hätte verkauft werden können.
- Maschinelle Zerkleinerung von alten Grabsteinen auf dem Ohlsdorfer Friedhof zum Zwecke der Wiederverwendung als Baumaterial. Foto: T. Herbst
Seit vielen Jahrzehnten werden vereinzelt abgeräumte Steine auf dem Friedhof nämlich auch als Mauern, Einfassungen oder gar Brunnen verwendet. Hierbei werden von Friedhofsmitarbeitern alle Personenangaben von den Steinen entfernt. Je nach Anforderung wird die Oberfläche der Steine überarbeitet und zu Mauern aufgesetzt. Beispiele hierfür sind die Mauer als Einfassung der Beete am Haupteingang an der Bushaltestelle am Info-Haus, die große Mauer im Bereich S 33 – BL 52, der kleine Sitzplatz am westlichen Ende des Südteiches an der Cordesallee im Planquadrat N 7 oder der zentrale Brunnen bei der neuen Kindergrabstätte im Planquadrat BI 57.
Grabsteine von besonderer künstlerischer oder historischer Bedeutung und jene von prominenten Persönlichkeiten verbleiben auch nach Ablauf der Nutzungsrechte auf dem Friedhof, meist an Ort und Stelle. Sie werden vollständig erhalten und soweit es möglich ist, im Rahmen der Grabmalpatenschaften an neue Grabnutzer vergeben. Alle diese Grabmale sind amtlich als erhaltenswert eingestuft. Jedoch nur ein einziges ist in die Denkmalliste aufgenommen worden. Wer von den Lesern kennt es? Die ersten drei, die sich beim Verfasser, Tel. 59388140, melden, erhalten einen Friedhofsführer. Mit diesem erfolgreichen Modell wird der besondere Charme des Friedhofes bewahrt. Insbesondere bleibt dadurch die Grabmalkultur von über 130 Jahren auch für künftige Generationen bestehen. Um hier den Kreis zu schließen, die eingangs erwähnte "Nachhaltigkeit" wird auch damit erzielt.