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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Der Historische Gartenfriedhof in Rechtenfleth

In Rechtenfleth an der Unterweser (Gemeinde Sandstedt, Osterstader Marsch) liegt ein relativ unbekannter, gleichwohl umso bemerkenswerterer Friedhof, der unter anderem wegen der Grabanlage des so genannten Marschendichters Hermann Allmers hervorsticht.

Der Schriftsteller und Mäzen Hermann Allmers (1821-1902) zeichnete auch für die Einrichtung des Friedhofes verantwortlich. Er lebte auf dem "Marschenhof" in Rechtenfleth, der heute seinem Gedenken und der Allmers-Forschung gewidmet ist. Hermann Allmers war Kunstfreund, geschichtsinteressiert und verstand sich politisch als Verfechter liberaldemokratischer Reformen. Er nahm auf die Entwicklungen in seiner Region vielfältigen Einfluss und gründete unter anderem den Geschichts- und Heimatverein "Männer vom Morgenstern".

Infotafel
Informationstafel "Hermann Allmers" auf dem Historischen Gartenfriedhof Rechtenfleth. Foto: Norbert Fischer

Allmers’ berühmtestes Werk ist das 1858 veröffentlichte so genannte "Marschenbuch", genauer gesagt: "Marschenbuch. Land- und Volksbilder aus den Marschen der Weser und Elbe". Allmers "Marschenbuch" ist ein tpyisches Produkt jener Periode des bürgerlichen Zeitalters, als gebildete Schichten begannen, das "Wesen des einfachen Volkes", nicht zuletzt des Bauerntums, zu entdecken. Es war die Zeit, als die Volkskunde als Wissenschaft im Sinne von Wilhelm Heinrich Riehl ihre Anfänge nahm. Bereits drei Jahre nach Erscheinen von Allmers’ "Marschenbuch", also 1861, musste die erste Auflage nachgedruckt werden, eine verbesserte Neuauflage erschien 1875. Allmers Pläne, sein Buch vollständig umzuschreiben, mit Karten zu versehen sowie einen zweiten Band mit weiteren Marschenländern an der Nordsee herauszubringen, wurden jedoch nicht verwirklicht.

Torhaus
Torhaus auf dem Historischen Gartenfriedhof Rechtenfleth. Foto: Norbert Fischer

Bereits 1852 hatte Hermann Allmers die Anlage des Rechtenflether Friedhofes initiiert, im gleichen Jahr wurde im Auftrag von Allmers das dortige Torhaus errichtet. Die eigene Familiengrabstätte entstand ab 1858, auf ihr ruhen neben Allmers selbst unter anderem seit 1902 seine Eltern.

Allmersgrab
Allmers-Grabstätte auf dem Historischen Gartenfriedhof Rechtenfleth. Foto: Norbert Fischer

Ein Gedenkstein erinnert an drei frühverstorbene Kinder aus der ersten Ehe des Vaters. Neben Torhaus und Allmers-Grabstätte sei auf die verschiedenen Grüfte mit so genannten "Hochgräbern" hingewiesen – sie waren der besonderen Situation des niedrig gelegenen und damit überschwemmungsgefährdeten Marschenbodens geschuldet. Familien der führenden Schichten wurden hier in Zinksärgen beigesetzt. Im Jahr 1860 ließ mit Hermann Joppert ein Vetter von Allmers die so genannte Kleine Kapelle mit ihrem aufwändig gestalteten Innenraum mit Mamorrelief errichten. Sie wurde bis 1979 als Friedhofskapelle genutzt und anschließend durch eine neue Kapelle ersetzt. Heute zeigt sich der Rechtenflether Friedhof insgesamt als "Historischer Gartenfriedhof" mit einer für ländliche Begräbnisplätze ungewöhnlich vielseitigen Sepulkralkultur.

Anschrift: Historischer Gartenfriedhof Rechtenfleth, Vorderstr. 10, 27628 Sandstedt-Rechtenfleth

Literaturhinweise:
- Hermann Allmers: Marschenbuch. Land- und Volksbilder aus den Marschen der Weser und Elbe. Hrsg. und mit einer Einleitung versehen von Bernd Ulrich Hucker, Osnabrück 1979 (Nachdruck der Ausgabe Gotha 1858)
- Axel Behne: Allmers, Hermann Ludwig, in: Lebensläufe zwischen Elbe und Weser. Ein biographisches Lexikon. Hrsg. Brage bei der Wieden, Jan Lokers, Stade 2002, S. 28-31
- Bernd-Ulrich Hucker: Hermann Allmers und sein Marschenhof – die Geschichte des Osterstader Dorfes Rechtenfleth in Beziehung zu Leben und Werk des Patrioten, Dichters und Gelehrten, Oldenburg 1981

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Friedhöfe zwischen Elbe und Weser (August 2008).
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