Die Stadt Cuxhaven liegt an der breiten, kaum übersehbaren Elbmündung in die Nordsee, direkt am Fahrwasser der Schiffe, deren Ziele in der Nordsee und der weiten Welt zu finden sind.
Cuxhaven ist daher seit Jahrhunderten geprägt durch die Seefahrt, die Hochseefischerei und das Lotsenwesen. Erst nach Eingemeindung mehrerer Dörfer im Jahr 1907 erhielt Cuxhaven das Stadtrecht. Zu diesen Dörfern zählte auch Döse mit seinem Friedhof an der Kirche St. Gertrud. "Der alte Friedhof wird urkundlich zuerst 1550 sowohl als Begräbnisplatz wie auch als Gerichtsstätte erwähnt. Bis ins letzte Drittel des 20. Jahrhunderts war er der einzige Begräbnisplatz des Kirchspiels, das von Sahlenburg bis zum Schleusenpriel (etwa Stadtmitte, Anm. d. Verf.) reichte. Auf dem Kirchhof ruhen zusammen mit Einheimischen eine Indianerin und ein Muselmann – zwischen Christen aus Spanien, England und anderen Ländern. Seit Ende des 17. Jahrhunderts sind Beerdigungsregister erhalten. Die verzeichneten Namen erinnern an zahlreiche Menschen, die bei Seenotfällen oder an Bord passierender sowie im Hafen liegender Schiffe starben. Der alte Döser Friedhof ist auch ein Friedhof der Namenlosen. Nie identifiziert worden sind zwei angetriebene Seeleute, in deren Kleidern die Initialen V. K. und M. J. standen,"1 so Pastor Drägert von St. Gertrud.
Und wie stellt sich der Friedhof heute dar? Unter einem lichten Blätterdach zahlreicher Birken stehen, neben einigen neuzeitlichen und mit Blumen geschmückten Gräbern, etwa vierzig nach Osten ausgerichtete alte Grabmale, davon zehn mit eindeutig maritimem Bezug. Sie sind teilweise doppelseitig beschriftet und stammen überwiegend aus dem 19. Jahrhundert. Viele Grabmale fallen dadurch auf, dass sie sich in ihrer Formgebung und Auswahl von schmückenden Motiven ähneln. Die Anzahl muss früher einmal umfangreicher gewesen sein, wie alte Berichte vermelden.2
- Grabmal Mattheiss, Alter Friedhof Cuxhaven-Döse (Foto: Peter Schulze)
Bei noch acht Beispielen ist das Kopfstück eines Grabmales so gearbeitet, dass die Enden zweier asymmetrischer Bögen sich in der Mitte nach unten in eine Spitze vereinigen. Dadurch entstehen zwei Felder, die mit Motiven ausgefüllt werden. Beim Grabmal für J. Mattheiß (1815-1860) ist es u. a. ein Segelschiff vom Typ eines Schoners. Mehrfach ist das Kopfstück auch dreiteilig aufgebaut, das Mittelstück etwas erhöht und z. B. mit einem Kruzifix versehen. Die meisten Grabmale sind wohl den Bildhauern Hinrich W. N. Hahl (1813-1861, Vater) und Johann Ch. W. Hahl (1839-1883, Sohn) zuzuschreiben.3 "Meister Hahl", wie der Vater auch genannt wurde, hatte seine Werkstatt am Ritzebüttler Friedhof. Die dort an seinem Eingang museal aufgestellten alten Grabmale sind vermutlich auch von ihm gearbeitet worden. "Er wählte für seine Monumente aus Sandstein durchweg das gleiche Maß. Den unverzierten Mittelstein füllte er mit der Schrift aus. Den oberen Abschluss bildet eine schlichte Zierleiste, die oft mit Blattornamenten geschmückt ist, und darüber wölbt sich die Bekrönung. Unter einer barock geformten Deckleiste findet das Ornament seinen Platz, das dem Lebensbild des Toten entsprechend gewählt ist. Oft teilt ein Lebensbaum die Bekrönung in zwei Teile und scheidet die Symbole des Lebens von denen der Göttlichkeit."4
- Grabmal Stehr, Alter Friedhof Cuxhaven-Döse (Foto: Peter Schulze)
Einen ähnlichen Aufbau wie das o. g. Grabmal Mattheiß hat das Grabmal für den Havenmeister und Tonnenleger Jürgen Stehr (1767-1841). Als Symbole für seine berufliche Tätigkeit sind dargestellt: Boje, Tonne, Tauwerk, Kompass und ein Abbild des noch heute im Hafen von Cuxhaven stehenden Leuchtturms sowie die hamburgische Flagge. Ein "baugleiches" Grabmal für den Kaufmann von der Liedt (1801-1881) zeigt Warenballen Kisten, Fässer und Säcke, für den Admiralitätslootsen J. D. Gebhard (1793-1873) "sieht man ein Schiff ohne Wanten und Takelage auf dem Wasser liegen. Dass selbst die Wanten fehlen, zeigt an, dass das Schiff nicht mehr fahren soll; es ist abgewrackt, tot und hier als Sinnbild des Todes aufzufassen."5 Das gleiche Symbol, aber seitenverdreht, ist auf dem Grabstein für den Kapitän J. Behrens zu finden.
- Grabmal Behrens, Alter Friedhof Cuxhaven-Döse (Foto: Peter Schulze)
Unter den dargestellten Motiven ist häufig eine Flagge zu erkennen, die das Hamburger Wappen zeigt. Dies ist ein Hinweis auf die Zugehörigkeit des Wirkungsortes des Verstorbenen zu Hamburg. Seit 1394 nämlich, als die Hamburger das Schloss Ritzebüttel eroberten bzw. kauften und dann das gleichnamige Amt gründeten, bis zum Groß-Hamburg-Gesetz von 1937 regierte Hamburg das umliegende Gebiet von Alt-Cuxhaven, Döse, Duhnen und anderen Gemeinden sowie die Insel Neuwerk und die Düneninsel Scharhörn.
- Grabmal Jansen, Alter Friedhof Cuxhaven-Döse (Foto: Peter Schulze)
Ein in der Form abweichendes Grabmal ist das für den Commandeur und Loots-Inspektor zu Cuxhaven Joh. Chr. Jansen (1772-1831) vor der südlichen Kirchwand zu entdecken: ein über mannshoher Rechteckquader, Kopfstück mit vierseitigem Giebeldach, darunter die Symbole Anker, Kompass, Sextant, Tonne und die Hamburger Flagge, deren Stiel unten in die Form eines Ankers übergeht. Jansen wird im öffentlichen Leben und Beruf eine herausragende Persönlichkeit gewesen sein. In einer Zeitungsmeldung wird unter der Rubrik "Hiesiges" von der Einweihung des Denkmals u. a. wie folgt berichtet: "Dann ward auf den Ruf des Redners das Denkmal enthüllt. Es ist eine von dem Herrn Wilhelm Lindhorn in Bremen trefflich gearbeitete Würfelpyramide von feinkörnigem Sandstein mit den schön gezeichneten Emblemen der Würde des Verstorbenen, unter welchen auch die von ihm erfundene, jetzt zum allgemeinen Nutzen der Seefahrt hier eingeführte Seetonne nicht fehlt."6 Auf der Rückseite des Grabmales wird vermerkt, dass einige seiner Freunde und Verehrer dem Verewigten dieses Denkmal errichtet haben.
- Grabmal von der Liedt, Alter Friedhof Cuxhaven-Döse (Foto: Peter Schulze)
Die auf alten Grabmalen oft symbolische Darstellung des Kommando- oder Heimatwimpels am höchsten Mast eines getakelten Segelschiffes, oftmals auch auf Schiffsgemälden, sog. Seestücken, zu sehen, ist auf dem Döser Friedhof nur auf dem Grabstein des Lotsen Heinrich Holm, gest. 1928, zu finden. Diese Symbolik der Heimkehr findet sich im 20. Jahrhundert kaum noch auf Grabmalen. Die Abbildung eines Schiffes wird mehr und mehr als Berufsymbol verstanden.7 Übrigens, wenn der Wimpel sich unrealistisch nicht immer mit der Windrichtung darstellt, so ist dies durch die Symbolik der angezeigten Heimkehr zu erklären. Der Friedhof steht seit Ende des 20. Jahrhunderts unter Denkmal.8
1 Erich Drägert: Seemannsgräber, in: Cuxhavener Zeitung, 23. Nov. 1968.
2 Dem Stadtarchiv Cuxhaven liegt aus dem Nachlass der Familie Hahl ein Fotoalbum vor, in dem ein Großteil der abgebildeten Grabmale mit denen auf dem alten Döser Friedhof übereinstimmen. Die Steinmetzen waren Vorfahren von A. J. Wilhelm Hahl, der 1955 dieses Album zusammenstellte, "um die weitere Beseitigung d. kunstvollen Mäler zu inhibieren" und die Denkmalschutzbehörde und Stadtverwaltung bat, "die Mäler in einer Halle zur Aufstellung zu bringen."
3 S. auch Anm. 2.
4 Karl Waller: Individuelle Grabmalgestaltung auf dem alten Döser Friedhof, undatierter Zeitungsartikel im Nachlass Hahl (s. Anm. 2)..
5 Alfred Weckwerth, Schiffe und Seefahrtssymbole auf Grabsteinen im Nordseeküstengebiet, in: Niedersachsen, Zeitschrift für Heimat und Kultur, Heft 3, 1955, S. 212.
6 Meldung in der Zeitung Neptunus vom 24. Febr. 1836.
7 Alfred Weckwerth, Schiffe und Seefahrtssymbole (s. Anm. 4), S. 213.
8 Baudenkmale in Niedersachsen, Landkreis Cuxhaven, Bd. 19.