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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Die Tiere der Toten

Im bundesweiten Schülerwettbewerb „Deutsche Geschichte“ sind zum Thema des Jahres 2001 „Genutzt – geliebt – getötet, Tiere in unserer Geschichte“ 7000 Beiträge erarbeitet worden.

Von der damals 18-jährigen Elisabeth Rosenfeld vom Heinrich-Heine-Gymnasium in Hamburg-Poppenbüttel stammt ein herausragender Beitrag, für den sie vom Bundespräsidenten mit dem 3. Preis ausgezeichnet wurde. Sie wählte das oben genannte Thema und befasste sich mit Tierdarstellungen auf 300 Grabsteinen des Friedhofes Ohlsdorf.

Grabmal Krille
Grabmal Krille (Foto: Behrens)

In der fast 100-seitigen Dokumentation kommt die Abiturientin zu interessanten Ergebnissen: So sind Singvögel die am häufigsten abgebildeten Tiere. Pferde und Hunde sind seltener zu finden, Katzen gar nicht. Eichhörnchen, Friedenstauben und verniedlichende Tierdarstellungen schmücken vorzugsweise Kindergräber. Nicht immer sind es die üblichen Haustiere, die auf den Grabsteinen zu finden sind, Wildtiere, Fabel- und Wappentiere und die Evangelistensymbole, aber auch das geflügelte Stundenglas werden in die Betrachtungen einbezogen.

Grabmal Haerlin
Grabmal Haerlin (Foto: Behrens)

Die Verfasserin schreibt dazu: „Viele Tiere haben in unterschiedlichen Kulturen, aber auch in einer Kultur, unterschiedliche Bedeutungen gehabt. Bei diesen Kulturen handelt es sich allerdings fast nur um die ägyptische, die griechisch-römische und jüdische Kultur, die unsere christlich-abendländische Kultur geprägt haben. Der Schwerpunkt liegt deshalb auf der christlichen Tiersymbolik, da man davon ausgehen kann, dass, wenn Tiere auf Grabsteinen eine symbolische Bedeutung haben, diese christlich ist.“ In vielen Fällen wird daher die Bibel zitiert. Sehr ausführlich wird auf die Symbolträchtigkeit des Adlers, des Löwen, des Schafes, der Schlange und der Taube eingegangen.

Grabmal Kopperschmidt
Grabmal Kopperschmidt (Foto: Behrens)

Über die eigentliche Dokumentation hinaus wird intensiv die Tiersymbolik im historischen Wandel beschrieben, deren zeitlicher Ablauf annähernd parallel mit der Entwicklung der Grabmalkultur verläuft. „Schon das bloße Zahlenverhältnis der Tierdarstellungen ist interessant. So gibt es während des ‚Dritten Reiches’ fast so viele Darstellungen wie im Zeitraum von 1945 bis 1990.“ In dieser Zeit tritt natürlich der christliche Symbolgehalt der Darstellungen zurück.

Grabmal Koch
Grabmal Koch (Foto: Behrens)

In ihrem Fazit bemerkt die Verfasserin abschließend: „Und doch kann ich mich der Vorstellung nicht erwehren, dass die Menschen in Tieren immer noch das Gleiche suchen wie vor hundert oder zweihundert Jahren. Tiere sind Ausdruck der menschlichen Sehnsucht nach Natur, aber auch nach der tierischen Unschuld. Ein Tier weiß nicht, dass es sterben muss, der Mensch schon. Doch diesem Wissen versucht der Mensch zu entfliehen. Er will keine Verantwortung für die Schöpfung übernehmen. Deshalb wäre er gern ein Tier, mancher ein starker Löwe, ein anderer ein zarter Schmetterling. Menschen haben Tiere instrumentalisiert, wie den Adler in der NS-Zeit. Sie möchten aber auch in ihre Seele schlüpfen. Wer wäre nicht gern ein fröhlicher Singvogel? Fernab von Arbeit, Sorgen und Stress? Doch ist dieser Singvogel keineswegs besser dran als sie. Er hat es im Kampf um das tägliche Leben viel schwerer.“ „In der Symbolik wird deutlich, wie Menschen Tiere sehen, nicht wie sie sind. Tiere bekommen einen unauslöschlichen Stempel aufgedrückt. Dabei geht es nicht um die Natur des Tieres, sondern darum wie der Mensch diese Natur deutet, wie er sie in seine Welt überträgt. Deswegen haben Tiere Bedeutungen wie Friede, Macht‚ Seele usw.“ Auch auf den Zusammenhang zwischen Personengruppen und Tierdarstellungen wird eingegangen bis hin zu Namensgleichheiten, die z. T. nicht eindeutig erscheinen, wie der abgebildete Hase als Wappentier auf der Grabstätte „Haas“, oder die Rehe auf den Grabsteinen „Först“ und „Jäger“.

Grabmal Först
Grabmal Först (Foto: Behrens)

Zum Thema „Tierfriedhöfe“ nimmt die Verfasserin in ihrer Einleitung wie folgt Stellung: „Wenn Tiere als Haustiere eine so große Bedeutung für Menschen haben, dass sie teure Grabstätten für sie kaufen, ist es dann nicht naheliegend, dass Tiere für Menschen auch eine Bedeutung über ihren eigenen Tod hinaus haben? Ist es nicht, dass Menschen auf ihren eigenen Grabstätten Tiere abbilden? Mensch und Tier leben seit Jahrtausenden zusammen, sollte sich nicht im Laufe der Zeiten eine so enge Beziehungen zwischen ihnen entwickelt haben, dass menschliches Leben ohne Tiere nicht mehr vorstellbar wäre?“

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Tier und Tod (Februar 2005).
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