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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Die Museumsbereiche des Ohlsdorfer Friedhofs

Im Laufe von Jahrzehnten sind hier eine beträchtliche Anzahl historischer Grabsteine gesammelt und museal aufgestellt worden.

Erstmals wurden bei Aufhebung der alten Friedhöfe um die Jahrhundertwende Überlegungen angestellt, wie stadtgeschichtlich und künstlerisch bedeutende Grabstätten erhalten werden sollten, um sie vor der zu erwartenden Vernichtung zu bewahren. Bei der Auswahl wurde unterschieden zwischen dem öffentlichen Interesse an den beigesetzten Personen und an dem der wertvollen Grabsteine. Es kam dann zur Trennung von Person und Grabmal und damit zur Anlage des Althamburgischen Gedächtnisfriedhofs, sowie der Einrichtung der Freilichtmuseen an der Kapellenstraße und im Heckengarten. Beide Museen wurden 1938 anläßlich des "Tages für Denkmalpflege und Heimatschutz" eingeweiht. Die meisten Grabmale sind aus Sandstein gearbeitet und zeigten vor Jahren Spuren des Verfalls. Um dem entgegenzuwirken, sind alle Steine auf ein Fundament mit einer dazwischen gelegten Isolierung gestellt worden. Der nach oben drängenden schädlichen Feuchtigkeit war damit Einhalt geboten worden.

Im Laufe der Zeit sind weitere museale Bereiche entstanden, die nachfolgend Erwähnung finden. Hinzuweisen wäre auch auf die Dauerausstellung "Grabmalkultur im Wandel der Zeit" auf dem Friedhof Öjendorf. Sie wurde 1975 als Beitrag zum Denkmalschutzjahr eingerichtet. Sie zeigt Grabmale des Ohlsdorfer Friedhofs in entwicklungsgeschichtlicher Abfolge vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis in die 30er Jahre. Die Ausstellung wurde ein Jahr später durch die Baubehörde Hamburg im Rahmen der "Auszeichnung vorbildlicher Bauten" lobend erwähnt. Die Steine sind eine Auswahl von vielen hunderten, die einst dicht gedrängt auf den jetzigen Urnengrabfeld in Bk 64 lagerten.

Der Bereich des Grabmal-Freilichtmuseums der Ämter- und Brüderschaftssteine an der Kapellenstraße war um die Wende zum 20. Jahrhundert zunächst ein "Denkmalhof" und für die Beisetzung von Aschenresten jener Toten bestimmt, die auf den Friedhöfen vor dem Steintor geborgen und in einem speziellen Calcinierofen, einer Art Krematorium, verbrannt wurden. Diese Friedhöfe mußten dem Bau des Hauptbahnhofes weichen. Auch die erhaltenswerten Grabmale kamen nach Ohlsdorf. Im Zuge der Aufhebung der Friedhöfe vor dem Dammtor, etwa 30 Jahre später, veränderte man den Denkmalhof so, daß hier nur die Grabmale von "Ämtern" und "Brüderschaften" stehen blieben, die anderen fanden im Heckengarten ihren Platz. Ämter wurden in Hamburg die Zunftvereinigungen der Handwerker genannt.

Begräbnisbrüderschaften waren freie Gebetsvereinigungen, die sich ebenso wie die Ämter durch eine gemeinsame Sterbekasse und die Verpflichtung zum Totengeleit um ihre Verstorbenen kümmerten. Die Grabmale stammen zum größten Teil aus der Zeit um 1800, als die Gräber von den Kirchen auf die Friedhöfe vor den Toren der Stadt verlegt werden mußten. Sie erhielten als würdigen Schmuck ein gemeinsames markantes Grabmal. Die erhaltenen Steine sind Monumente, die von alten Traditionen und von dem engen Zusammenhalt der Menschen in Arbeit und Leben berichten. Aus Anlaß des Europäischen Denkmalschutzjahres 1975 wurde die Anlage leicht verändert und von Gehölzbewuchs befreit.

Mit der Räumung der alten Friedhöfe vor dem Steintor und dem Dammtor bis 1934 erhielten im Laufe der Jahre stadtgeschichtlich und künstlerisch interessante Grabmale der ehemaligen Familiengräber im Grabmal-Freilichtmuseum im Heckengarten eine museale Aufstellung. Dieser Bereich wurde im Sinne der damaligen Friedhofsgestaltung als gartenarchitektonischer Freiraum mit geschnittenen Hecken eingerichtet. Hier haben 159 Grabsteine und 39 Gruftplatten einen neuen Platz gefunden. Die meisten Grabmale stammen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als neue Friedhöfe vor den Toren Hamburgs die Begräbnisplätze in den Kirchen und um sie herum ablösten. Einige Deckplatten tragen Jahreszahlen aus dem 18. Jahrhundert und lagen einst über den Grüften in den Kirchen. Sie sind damit die ältesten Grabsteine, die auf dem Friedhof zu finden sind. Der Mittelpunkt der Anlage stellt eine über zwei Meter hohe Steinvase mit der Inschrift "Pauline" dar. Sie war einst eine Sehenswürdigkeit auf dem St. Petri-Friedhof. Der Weg, an der sie stand, wurde Paulinenallee genannt. Auch diese Anlage wurde aus Anlaß des Europäischen Denkmalschutzjahres 1975 in ihrer alten Form wieder hergerichtet. Statt einer Weißbuchenhecke wurde jedoch eine aus Eiben gepflanzt.

Am Nebenzugang zu den deutschen Soldatenfriedhöfen von der Mittelallee aus stehen mehrere alte Kriegergedenksteine, die an gefallene deutsche Soldaten überwiegend des I. Weltkrieges erinnern. Die Steine dokumentieren in unterschiedlichen Ausdrucksweisen das Totengedenken vergangener Zeiten. Einige von ihnen sind Beispiele dafür, wie der Tod des "tapferen Kriegers" von Familienangehörigen in der Heimat glorifiziert worden ist. Das Grabmalensemble soll zum Nachdenken anregen, sowohl über den Begriff des sogenannten Heldentodes, als auch über die Sinnlosigkeit des Krieges.

Der älteste Stein stammt von einem der alten Friedhöfe an der Karolinenstraße und wurde den zehn dort beigesetzten Soldaten des Krieges 1870/71 gestiftet. "Den Braven" von den "Comités für die Verwundeten zu Hamburg", so die Inschrift. Der Grabstein stand jahrzehntelang beziehungslos in einer Ecke des Grabmal-Freilichtmuseums der Ämtersteine an der Kapellenstraße.

Den Gedenkstein für den 25jährigen Leutnant Johann Ludolf Henry Oelkers ziert ein marmornes Ordenskissen mit Offiziershelm und Kurzdegen. Der Stein stand einst auf einem Privatgrab.

Die liegende Gedenkplatte erinnert an den am 4.12.1914 in Polen gefallenen Sohn der Familie Bove-Rode mit dem Gedicht: "Am Grabe in Polen".

"Das letzte Lied hat ausgeklungen/ Das Dir der Steppenwind hat gesungen/ Und lind und sacht/ Hat Dir der Schnee Dein Bett gemacht/ Und Dich in tiefste Ruh gewiegt/ Mein Kamerad nun magst Du träumen/ Wie unter den verschneiten Bäumen/ So fern und weit/ Zur Weihnachtszeit/ Dein Elternhaus in Frieden liegt”.

Die Platte wurde 1998 nach hier verbracht, als die ehemalige Familiengrabstätte eine andere Nutzung erhielt.

Lange Zeit und fast vergessen lagerte auf einem Materialplatz der Tiefbauabteilung in Billstedt der Gedenkstein für 168 im I. Weltkrieg gefallene Angehörige der Baudeputation (heute Baubehörde). 1993 erhielt er hier einen würdigen Platz. Der Entwurf zu diesem Stein ist dem Bildhauer Richard Kuöhl zuzuschreiben. Fast verschämt anmutend sind auf seiner Rückseite nachträglich die Jahreszahlen des II. Weltkrieges eingemeißelt worden.

Nicht ganz vollständig, aber sehr beeindruckend ist das sarkophargähnliche Grabmal für den Fähnrich Walter Roy, dessen liegende Figur fast 30 Jahre lang unbemerkt auf einem Lagerplatz abgelegt war. Seit 1997 reiht es sich mit einem teilrekonstruierten Sockel in die Sammlung der hier aufgestellten Gedenksteine ein. Der Entwurf stammt von dem Bildhauer Prof. Arthur Bock. Die Inschrift ist dem Cornet von Rainer Maria Rilke entnommen. Dort schreibt Rilkes fiktiver Vorfahre, der vor Langenau 1663 im Krieg gegen die Türken fiel, folgenden Brief:

"Meine gute Mutter,
seid stolz: Ich trage die Fahne,
seid ohne Sorge: Ich trage die Fahne,
habt mich lieb: Ich trage die Fahne -"

Vom Bildhauer Hugo Klugt stammt die auf einem hohen Postament ruhende Skulptur eines gebeugten, waffenlosen Soldaten (F.Gustav Leis?). Symbolträchtig umspannt ihn von hinten ein Adler mit seinen Schwingen. Auffällig ist das Medaillon an seiner linken Hand mit dem Bildnis einer jungen Frau. Der Stein stand ehemals auf einer Privatgrabstätte.

Ebenfalls von einer Privatgrabstätte stammt der Gedenkstein für den gefallenen Leutnant Julius Krause. Er starb 21jährig PRO PATRIA - fürs Vaterland - wie viele andere im sinnlosen Wiederholungsfall auch ein Vierteljahrhundert später. Nach dem antiken Vorbild des sterbenden Achill ließ die Mutter dem geliebten Sohn ein heroisierendes Denkmal nach dem Entwurf des Bildhauers Roland Engelhard setzten. Nach Ablauf der Grabstätte schenkte sie es dem Friedhof. Es war das erste an dieser Stelle.

Auf dem Grabfeld der deutschen Soldaten des I. Weltkrieges und in der Nähe ermordeter Zwangsarbeiter des II. Weltkrieges - eine große runde Bodenplatte weist darauf hin - trauert ein in Stein gehauener Soldat im langen Militärmantel und mit Pickelhaube. Das Monument aus Muschelkalk stand einst auf einer Familiengrabstätte bei Kapelle VIII und war dort 1918 zum Gedächtnis für John und Walter Brinckmann, gefallen 1914/ 1916, aufgestellt worden. Der Entwurf stammt von dem Bildhauer Hans Dammann aus Berlin, der zahlreiche Monumente des zivilen und militärischen Totengedenkens geschaffen hat.

Zur Ausschmückung des Anonymen Urnenhains bei Kapelle II erhielten am Rande seiner Zuwegung einige erhaltenswerte Grabmale 1991 endlich einen für die Öffentlichkeit zugänglichen Standort. Es sind jene sechs Stelen, die 1928 in Nischen an der Talstraße museal aufgestellt worden waren und schon damals als eindrucksvolle Beispiele des ausgehenden 19. Jahrhunderts galten. Vermutlich jahrzehntelang fristeten die drei größeren Grabmale mit ihren Halbreliefs auf einem Lagerplatz ein bisher unbeachtetes Dasein. Das Grabmal der Familie Russig aus dem Jahr 1926 ist in seiner schlichten Ausprägung ein typisches Reform-Grabmal der 20er Jahre.

Eine Dokumentation bemerkenswerter Handwerkskunst der 20er- und 30er-Jahre präsentiert sich seit Herbst 1999 im Außenbereich des Museums Friedhof Ohlsdorf. Näheres wird im folgenden Beitrag von Christine Behrens erläutert.

Ein Garten der Frauen, u.a. mit alten Grabmalen von abgelaufenen Grabstätten bedeutender Frauen ausgestattet, ist in Vorbereitung.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Grabmal-Freilichtmuseen (August 2000).
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