Im September 2024 zeigte die Kirche St. Marien in Ohlsdorf eine schöne und sehenswerte Ausstellung mit 30 Werken von Mimi Usinger - als "Eine fast vergessene Hamburger Malerin" laut offiziellem Titel; dort angeboten waren auch Postkarten und ein Kalender mit Fotos von Lorenz Obenhaupt, Kurator der Ausstellung. Das Alstertal-Magazin ersetzte "Hamburger" durch "Alstertaler", die Willi-Bredel-Gesellschaft wiederum durch "Fuhlsbütteler"; denn Obenhaupt, Kunstkenner und auch Autor dieses interessanten, von fünf Schwarz-Weiß Bildern begleiteten, fünfseitigen Beitrags, hat selbst aktiv über diese Malerin und ihren Nachlass recherchiert, auch bei Antiquitätenhändlern.

Am 14.10.1893 wurde Mimi Magda Henny Usinger in Hamburg geboren, wo sie am 26.8.1974 auch starb. Als Tochter vom Blockmacher Hugo Heinrich Lindemann und seiner Frau Dorette (geb. Gellert) wohnte sie wegen der Arbeit des Vaters an den Vorsetzen am Hamburger Hafen und dann später dank seiner florierenden Geschäfte als "Übernehmer sämtlicher Schiffsarbeiten" in Steinwerder. So prägten Hafen, Schiffe, Elbe und Handwerk das Umfeld der späteren Künstlerin, die für ihre Werke einen (für eine Frau der damaligen Zeit) außergewöhnlichen Schwerpunkt auf Motive aus den Bereichen Maritimes, Handwerk und Technik setzte - zum Beispiel bei ihren Gemälden "Brückenbau" der Süderelbbrücke (Öl, 1938), "Hansahafen" (Öl, 1939), "Elbfähre" oder "Hafenkai mit Kränen und Frachtschiff" (beide jeweils undatiert). Dokumentarische Bedeutung haben auch frühe Zeichnungen aus den Jahren 1934-1936 von Straßen und Häusern aus Alt-Altona und dem Gängeviertel.
Um 1910 erwarb Hugo Lindemann als Zweitwohnsitz ein Haus in Fuhlsbüttel dicht am Alstertal, das er 1919 seiner Frau Dorette überschrieb, von der er sich trennte und dann 1923 auch scheiden ließ. Um 1920 heiratete Mimi Lindemann den zehn Jahre älteren Kapitän Heinrich Usinger, der seit 1921 ebenfalls an dieser Adresse gemeldet war und ab 1924 dort einen Betrieb zur Schiffsreparatur eingetragen hatte; er starb 1951, die Ehe blieb kinderlos. Bis kurz von ihrem Tod lebte Mimi Usinger in diesem Haus im Brombeerweg 13, das sie 1935 von ihrer Mutter geerbt hatte. So zeigen ihre Werke neben besagten maritimen Motiven nicht nur landwirtschaftliche Szenen (etwa "Bauernhof mit Kutsche" (Öl, 1937) und "Rapsfeld" (Öl, 1938), sondern auch ihre Alstertaler Umgebung wie den Kaffeegarten des früheren Restaurants "Zur Schleuse" (Öl, undatiert) mit Blick auf dem Mühlenteich, oder den "Garten Alsterdorfer Straße" mit dem Alten Krematorium Ohlsdorf im Hintergrund (Öl auf Malkarton, undatiert).
Darüber hinaus machte Mimi Usinger ab 1929 bis 1961 erstaunlich viele Reisen (u.a. nach Ungarn oder Island, auf die Balearen, die Kanarischen Inseln usw., sogar Mexiko) - zusammen mit ihrem Mann und auch allein, nachdem er gestorben war. Unterwegs entstanden viele Skizzen, Aquarelle und Gouachen; sie arbeitete ebenfalls an abstrakten Werken, und das noch bis kurz vor ihrem Tod. Seit Ende der 1930er Jahre machte sie als Künstlerin auf sich aufmerksam; so war sie in mehreren Ausstellungen im Hamburger Kunstverein und in der Hamburger Kunsthalle zu sehen. 1937 nahm sie sogar mit einem Werk in der "Großen Deutschen Kunstaustellung" in München teil. Offensichtlich gefiel ihr Werk den Nationalsozialisten (die Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle 1938 wurde von den NS-Gemeinschaft
"Kraft durch Freude" ausgerichtet); ob überhaupt, und wenn ja, in welchem Maße Mimi Usinger ihrerseits mit dem Regime sympathisierte, ist auf Grund der wenigen Quellen schwer zu sagen. Umso interessanter ist in diesem Zusammenhang die Frage, weshalb aus den Jahren 1940-45 keine Werke überliefert sind - eine Folge des Kriegsgeschehens oder doch eine Frage der Gesinnung? Ansonsten ist noch eine
Einzelausstellung in Eimsbüttel 1952 dokumentiert.
Mimi Usinger starb 1974 im Altenheim Hinsbleek 12 in Poppenbüttel und wurde auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt. Bestattet wurde sie im Familiengrab Lindemann (AE26, 60-63) westlich von der Kapelle 6 und dicht am Landschaftsturm "Kleines Glück" - leider hinter Gebüsch und Rhododendron schwer zu entdecken. Erworben wurde das Grab aus rotem Granit 1906 auf Friedhofsdauer von Mimis Vater Hugo Heinrich Lindemann (der selber unweit in AB27, 261-69 beerdigt wurde) für ihren mit 10 Jahren verstorbenen jüngeren Bruder William Hans Carl (1896-1906); links von dieser kleinen Grabplatte liegt etwas schief eine weitere für ihre Mutter Dorette geb. Gellert (1865-1935). Dort fehlt aber das Grabmal für Mimi Usinger - die Grabstätte wurden offenbar aufgelöst. Da die Künstlerin die letzte Nutzungsberechtigte war, kann es auch sein, dass es niemanden mehr gab, der oder die sich noch darum gekümmert hätte. Sicher ist, dass das Familiengrab Lindemann heute ungepflegt ist. Schön wäre dort ein Schild mit Angaben über Mimi Usinger - die "fast vergessene Hamburger Malerin" in Ohlsdorf.


Literatur:
Alstertal-Magazin, Heft 8, August-Ausgabe, S.18
Der neue Rump, Lexikon der bildenden Künstler, Wachholz, 2005, S.467.
Lorenz Obenhaupt, Mimi Usinger (1893–1974): Eine fast vergessene Fuhlsbütteler Malerin, Willi-Bredel-
Gesellschaft, Rundbrief 1924, S.19-23.
Wikipedia, Stand Februar 2025: Mimi Usinger, deutsche Malerin.
Dank auch an Petra Schmolinske für die wertvollen Informationen aus den Ohlsdorf-Archiven.