"Sie residieren an den Hängen der beiden sich landschaftlich sanft erhebenden Hügelketten, zwischen denen die Wart eingebettet ist. Sie sehen von dort herunter auf all das in den Jahrhunderten Gewachsene, auf den Verkehr, auf die Geschäftigkeit des Alltags, auf die großen und kleinen Hoffnungen der Menschen und deren stets unwägbares Geschick." Diese Sätze leiten ein Sammelwerk über die sechs Friedhöfe sowie einige Gedenkstätten in Oberwart ein, einer Kleinstadt von rund 8.000 Einwohner im Burgenland.
Sie liegt im äußersten südöstlichen Winkel von Österreich, nahe den Grenzen zu Ungarn und Slowenien. Bis 1920/21 gehörte das von der Pinka durchflossene Oberwart zu Ungarn. Bedingt durch diese Lage, entfaltete sich in Oberwart über Jahrhunderte hinweg eine kulturelle, religiöse und sprachliche Vielfalt, die ihresgleichen sucht. Im Untertitel des mehrsprachigen Sammelwerks ist bezeichnenderweise von einer "kosmopolitischen Erzählung der Provinz" die Rede.
Diese Vielfalt drückt sich auch in den unterschiedlichen Friedhöfen aus. So gibt es vier konfessionelle Friedhöfe: einen römisch-katholischen, einen evangelischen, einen reformierten und einen jüdischen. Hinzu kommt der Gemeindefriedhof, der vor Ort als "Armenfriedhof" oder "Fremdenfriedhof" bezeichnet wird, sowie der "Friedhof der Sowjetarmee" aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Weitere Totengedenkstätten sind unter anderem den Widerstandskämpfern gegen den Nationalsozialismus, den Opfern des rassistisch motivierten Bombenattentats auf Roma von 1995 sowie den Gefallenen der beiden Weltkriege gewidmet.
Einige dieser Begräbnisplätze und Gedenkstätten sollen hier vorgestellt werden. Bleiben wir zunächst bei den konfessionellen Friedhöfen. Etwas außerhalb der Stadt an einem Hang liegt der Friedhof der Reformierten. Die beiden reformatorischen Bewegungen - evangelische und reformierte - hatten sich nach dem sogenannten Abendmahlsstreit 1591 auf einer Synode getrennt. Der Bau der reformierten Kirche wurde 1773 fertiggestellt, es handelt sich um das älteste bis heute genutzte Gotteshaus der Reformierten in Österreich - wie auch die Oberwarter reformierte Gemeinde die älteste in diesem Staat ist.
Innerhalb der Stadt liegen die weiteren konfessionellen Friedhöfe. Der jüdische Friedhof von Oberwart wurde um 1900 angelegt (und die Synagoge 1904 erbaut). Für den Friedhof erhielt die damalige Filialgemeinde der israelitischen Kultusgemeinde Schlaining für Bestattungen eine Fläche von der Evangelischen Gemeinde, die deren Friedhof benachbart ist. 1930 wurde Oberwart als eigenständige jüdische Kultusgemeinde mit über 100 Mitgliedern anerkannt. Aber danach sollte sie nur noch acht Jahre existieren - bis zur Enteignung und Vertreibung der Jüdinnen und Juden aus Oberwart nach Beginn der nationalsozialistischen Diktatur und dem Einmarsch deutscher Truppen in Österreich im März 1938. 41 Jüdinnen und Juden wurden ermordet, eine ähnliche Zahl konnte ins Ausland fliehen. Das Schicksal der übrigen ist nicht bekannt. Der Friedhof und seine Grabsteine sind bis heute das wichtigste Zeugnis der jüdischen Kultusgemeinde von Oberwart. Einer der Grabsteine ist dem Kaufmann Gábor Gabriel Kohn (1824-1902) gewidmet, der auf ungarischer Seite 1848/49 für die Revolution kämpfte.
Gleich nebenan liegt der Evangelische Friedhof der lutheranischen Gemeinde. Oberwart war im späten 16. Jahrhundert zu einer protestanischen Insel in der Region geworden und nahm alsbald auch vertriebene bzw. geflohene Prostestantinnen und Protestanten auf, vor allem aus der benachbarten Steiermark. Ein evangelischer Friedhof ist seit dem späten 18. Jahrhundert überliefert, eine Filialgemeinde von Oberschützen nach Augsburger Bekenntnis (A. B.) aus der gleichen Zeit. Die eigenständische evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Oberwart A.B. entstand 1820. Eine der Grabstätten ist der Schneiderin Wilhelmine Schober gewidmet, die durch das Buch "Stärke, die, weiblich - 90 Frauen des Burgenlandes" bekannt wurde.
Eine Besonderheit des Evangelischen Friedhofs, die auch überregional Beachtung findet, ist die "Grabstelle der Aborte und Fehlgeburten". Sie wird den betroffenen "Verwaisten Eltern" kostenlos zur Verfügung gestellt, ihre Einrichtung von der burgenländischen Landesregierung unterstützt. Sie umfasst eine Gedenktafel mit Sätzen der lutherischen Pfarrerin Sieglinde Pfänder, die ihre Stelle 2002 antrat. Sie sind aus Sicht einer Mutter geschrieben und lauten: "Obwohl Du das Licht / nicht gesehen hast / die Wärme der Sonne / nicht gespürt hast / meine Lippen Deine Haut / nie zärtlich berührten / hast Du Deine Spuren / in meinem Herzen hinterlassen / mein Leben mit Deinem Herzschlag geprägt". Ein unter Glas vor der Witterung gesichertes Gedenkbuch enthält handschriftliche Aufzeichnungen zu den hier bestatteten "Sternenkindern".
In der Nähe des Evangelischen und Jüdischen Friedhofs liegen auch der Gemeinde- oder Armenfriedhof und der Römisch-Katholische Friedhof Oberwart. Das Totenbuch des Gemeindefriedhofs verzeichnet Eintragungen von Verstorbenen, die sich ein Grab auf einem der konfessionellen Friedhöfe nicht leisten konnten. Hier ruhen Menschen aus dem gesamten Bezirk, die auf Fürsorge angewiesen oder arbeitslos waren. Es handelte sich beispielsweise um Tagelöhner, Hilfs- und Landarbeiter, Nachtwächter, Kutscher oder Lokomotivheizer. Auch Opfer des Zweiten Weltkriegs und der nationalsozialistischen Diktatur, wie französische Kriegsgefangene und ukrainische Zwangsarbeiter, wurden hier bestattet. Viele von ihnen waren im örtlichen Spital verstorben - daher auch der weitere Name "Spitalsfriedhof".
Der Katholische Friedhof wurde im Jahr 1778 angelegt, nachdem zuvor Katholiken und Reformierte vorübergehend gemeinsam auf einem Begräbnisplatz bestattet worden waren (bis 1750). Hier wurde unter anderem der Roma-Musiker Hans Samer (1948-2012) bestattet, ein Sohn von KZ-Überlebenden aus Unterschützen. Seine 1990 gegründete Hans-Samer-Band war österreichweit bekannt, Samer galt als Botschafter der Roma - was insbesondere nach dem Attentat von Oberwart 1995 von besonderer Bedeutung war.
Dieses rassistisch motivierte Attentat wühlte Österreich auf, es war das schlimmste seiner Art nach 1945. Die vier jungen Roma Erwin Horvath, Karl Horvath, Peter Sarközi und Josef Simon kamen in der Nacht von 4./5. Februar 1995 ums Leben, als sie versuchten, nahe der Oberwarter Roma-Siedlung ein Schild mit der Aufschrift "Roma zurück nach Indien" zu entfernen. An der Hassbotschaft war ein Sprengsatz befestigt, der bei der Berührung explodierte. Vor der Zeit des Nationalsozialismus lebten mehrere hundert Roma in Oberwart, aber nur rund 25 von ihnen überstanden die nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager.
Zunächst wurde der Täter unter den Roma gesucht und wurden Hausdurchsuchungen in der Siedlung durchgeführt. Zweieinhalb Jahre später konnte der österreichische Rechtsextremist Franz Fuchs als Attentäter identifiziert werden - er hatte auch zuvor schon rassistisch und völkisch motivierte Anschläge verübt hatte, unter anderem mit Briefbomben. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt und nahm sich 2001 in der Haft das Leben. Der in der Oberwarter Roma-Siedlung geborene österreichische Schriftsteller Stefan Horvath, Vater des getöteten 27-jährigen Peter Sarközi, behandelte das Attentat in seinen Büchern (unter anderem in der Erzählung "Katzenstreu" von 2007). An der Bestattung nahmen hochrangige Politiker teil. Die gänzlich heruntergekommene Roma-Siedlung, in der die Bewohner in ärmlichen Verhältnissen gelebt hatten, wurde anschließend saniert. Bildungsprogramme wurden aufgelegt, die Burgenland-Roma in den Volksgruppenbeirat aufgenommen. Heute erinnern zwei Gedenkstätten an das Attentat: eine offizielle und eine von den Roma selbst errichtete.
Literaturhinweise
Wächter über Oberwart - Die sechs Friedhöfe und drei Totengedenkstätten als kosmopolitische Erzählung der Provinz. Hrsgg. vom Offenen Haus Oberwart. Neun Hefte im Schuber, Oberwart 2013.
Stefan Benedik: Das Denkmal für NS-Opfer von Oberwart/Felsőőr/Erba, in: ErinnerungsORTE weiter denken. In memoriam Heidemarie Uhl. Hrsgg. von Richard Hufschmied u. a., Wien 2023.
Ursula Mindler: Grenz-Setzungen im Zusammenleben. Verortungen jüdischer Geschichte in der ungarisch/österreichischen Provinz, Innsbruck/Wien/Bozen 2011.
Ursula Mindler-Steiner: "Die jüdische Bevölkerung besitzt wie bekannt großes Anpassungsvermögen ...": Juden und Jüdinnen von Oberwart/Felsőőr und ihre gesellschaftlich-kulturellen Verortungen, in: Konversion in Räumen jüdischer Geschichte. Hrsgg. von Martin Przybilski, Wiesbaden 2014, S. 67-80.
Adi Lang: NS-Regime, Kriegsende und russische Besatzungszeit im Südburgenland, Oberwart 2011 (2., erweiterte Auflage).