Die aktuell gesellschaftlich geführte Thematik, nämlich die Frage: "Soll eine Organspende verpflichtend sein?", berührt jeden existentiell.
Daher ist es für die Erkenntnis und Ausbildung eines eigenen Standpunktes wichtig, eine sachliche Pro- und eine Contra-Argumentation präsentiert zu bekommen.
Die Position, die sich für eine verpflichtende Entscheidung ausspricht, wird vom DGHS-Vizepräsidenten Dieter Birnbacher abgedeckt; die Contra-Haltung behandelt Sigrid Graumann, Mitglied des Deutschen Ethikrates. Birnbacher erörtert u.a., inwiefern durch eine moralische Verpflichtung zur postmortalen Organspende die Linderung des Leidens von Hilfebedürftigen erreicht werden kann. Erörtert wird u.a. auch, ob eigenes Verschulden der Organempfänger an ihrer Notlage einzubeziehen ist. Dargelegt wird auch, dass unabhängig davon, ob man das Hirntodkriterium als ausschlaggebend für die Unterscheidung von Leben und Tod akzeptiert, eigentlich nicht von einem persönlichen Schaden für Spendende gesprochen werden kann: Jede Explantation findet immer erst statt, wenn nach dem Erlöschen der Hirnfunktionen alles, was subjektives Erleben möglich macht, nicht mehr gegeben ist.
Birnbacher plädiert zudem für eine allgemeine Verpflichtung, sich für oder gegen eine Organspende zu entscheiden (jedoch nicht für einen Zwang zu einem "Ja").
Graumann wiederum problematisiert u.a. die einer Transplantation vorangehenden Voraussetzungen des Hirntodkriteriums und der so benannten erweiterten Zustimmungslösung, die Angehörigen eine stellvertretende Festlegung einräumt. Graumann mahnt zudem einen gerechten und transparenten Umgang in den Verteilungsprozessen der Organe an und gibt zu bedenken, dass das Hirntodkriterium kritisch auf seine Evidenz hinterfragt werden kann und ein hiervon abweichendes Verständnis von sterbenden Personen möglich ist bzw. sein sollte. Denn trotz des Ausfalls kognitiver und emotionaler Prozesse kann das Person-Sein nicht abgesprochen werden. Demnach wären diese Sterbenden nicht nur als bloße Körper mit transplantationsfähigen Organen zu sehen, sondern auch in ihrer personalen Leiblichkeit. Wichtig auch für Graumann, dass Angehörige nicht bei ihren stellvertretenden Entscheidungen äußerem Druck ausgesetzt sein dürfen.
Somit führen beide Positionen viele wichtige Informationen und Sichtweisen an. Der Band kann im Pro wie im Contra die individuelle informierte Urteilsbildung des Lesers unterstützen.
Lea Mara Eßer, Sigrid Graumann, Dieter Birnbacher (Hrsg.), Organspende? Ein Pro und Contra, Neu-Isenburg 2023.