Heiko K. L. Schulze, 1954 in Mülheim an der Ruhr geboren, studierte Kunstgeschichte, klassische und mittelalterliche Archäologie sowie Städtebau an den Universitäten Köln, Tübingen und Bonn. Dort wurde er 1981 bei Christoph Luitpold Frommel mit einer Arbeit über die ehemalige Prämonstratenser-Abtei Rommersdorf (Rheinland-Pfalz) promoviert.
Diese "Untersuchung zur Baugeschichte unter besonderer Berücksichtigung des 12. und 13. Jahrhunderts", 1983 publiziert, erhielt im selben Jahr den seit 1936 vergebenen Paul-Clemen-Preis.
In den Jahren 1983 und 1984 absolvierte Schulze ein Volontariat im Westfälischen Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte in Münster, wo er an verschiedenen Ausstellungsprojekten mitarbeitete. Da aber eine Festanstellung nicht in Aussicht gestellt werden konnte, wechselte er in das damals unter Leitung Manfred F. Fischer stehende Denkmalschutzamt Hamburg, erneut auf eine befristete Stelle im Rahmen des sogenannten "Ohlsdorf Projektes".
In diesem von der Stiftung Volkswagen-Werk und der Stadt Hamburg finanzierten Projekt widmete Schulze sich hauptsächlich den Themen "Friedhofserweiterung seit 1920, Reformzeit, Grabbauten, Ehrenanlagen und Ehrengräber". 1990 wurden die Ergebnisse in einer zweibändigen Publikation vorgelegt, bis heute das Standardwerk zu Ohlsdorf und zur Erfassung derart komplexer Denkmalbestände.
Mit seiner Einstellung als Bauforscher, 1986 durch Johannes Habich, am Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein setzte er die lange Tradition dieses wichtigen denkmalfachlichen Aufgabenbereiches im Land fort. Schulze kam zu einer Zeit, als die großen Instandsetzungen vor allem der Schlösser, Herrenhäuser und Kirchen, aber auch der Haubarge auf Eiderstedt anstanden. Für die Kirchen wurden von nun an systematisch dendrochronologische Untersuchungen angestrengt, sodass eine verlässliche Datenbank entstanden ist. Zu den wichtigsten Forschungen Schulzes gehören jene zu Schloss Eutin, die er 1991 in einer Publikation vorlegte und auf deren Grundlage er die Instandsetzung selbst als Praktischer Denkmalpfleger verantwortete. Als er 1996 den Aufsatz "Das Denkmal in der Erlebnisgesellschaft" publizierte, in dem er auch den Umgang mit dem Eutiner Schlossgarten im Rahmen einer Nutzung für Festspiele thematisierte, löste dies ein denkmalpolitisches Beben aus. Die Kernthese seines Beitrags betraf das damals wie heute wichtige Thema der (Über-)nutzung von Objekten, die regelmäßig für Großveranstaltungen herangezogen werden: Was vordergründig ihrem Erhalt zu dienen scheint, nutzt sie zugleich erheblich ab, entwertet sie in gewisser Weise und hinterlässt, gerade in Gärten, häufig große Schäden. Derlei denkmalfachliche Missstände anzusprechen und damit einmal nicht dem Kompromiss das Wort zu reden, gehörte zum denkmalpflegerischen Rollenverständnis Schulzes, auch oder gerade gegenüber den eigenen Amtskolleg*innen. Er war im Brechtschen Sinne unbequem und dabei ein stets integrer, geachteter und inhaltlich überzeugender - wie auch überzeugter - Kollege.
Um der Denkmalpflege eine weitere "Stimme" zu geben, entwickelte er unter Landeskonservator Johannes Habich eine bis heute viel beachtete, vom Denkmalfonds Schleswig-Holstein e. V. mitfinanzierte, wissenschaftliche Zeitschrift mit dem schönen Titel "DenkMal!" (wobei er größten Wert auf das kursiv gesetzte Ausrufzeichen legte). Damit vernetzte er Wissenschaftler*innen miteinander, die sich für das kulturelle und bauliche Erbe des Landes engagieren, ermunterte zu interdisziplinären Aufsätzen, schrieb gerne selbst oder auch mit anderen Autor*innen zusammen. Ab 2011 ergänzte er das Publikationswesen des Amtes unter Landeskonservator Michael Paarmann mit den "Beiträgen zur Denkmalpflege in Schleswig-Holstein". In dieser Reihe sind noch in seiner Dienstzeit sieben Bände erschienen.
Neben der Forschung zur Bau- und Kunstgeschichte Schleswig-Holsteins - und natürlich auch zu den Friedhöfen - widmete er sich leidenschaftlich der Geschichte des Amtes und damit dessen denkmalpflegerischer Tätigkeit. In den frühen 2000er Jahren wurde immer deutlicher, dass das seit 1958 bestehende schleswig-holsteinische Denkmalschutzgesetz einer Novellierung bedurfte. Der Personalbestand des Landesamtes hatte es über Jahrzehnte nicht erlaubt, die als Kulturdenkmale erkannten Objekte über das konstitutive Verfahren in die Denkmalliste einzutragen und damit zu schützen. Mit diesem Dilemma und den daraus resultierenden, schweren Verlusten des Denkmalbestandes befasste sich Schulze verstärkt in einigen Aufsätzen. Darunter jener mit dem bezeichnenden Titel "Warum lässt der Denkmalschutz so lange auf sich warten? - Eine Bestandsaufnahme nach 45 Jahren Denkmalschutzgesetz", der vielen die Augen öffnete und wesentlich dazu beitrug, dass sich auch die Politik zunehmend mit einer Änderung des Gesetzes auseinandersetzte, die dann 2017 erfolgte.
Nicht zuletzt die fehlende Konsistenz vieler politischer Haltungen veranlasste Schulze 2011, der Piratenpartei beizutreten, mit dem politischen Ziel, Demokratie zu stärken. Einen Moment lang sah es so aus, als ob sein politisches Engagement ihn per Direktmandat in den Kieler Landtag gebracht hätte. Nach der für ihn verlorenen Wahl war das Kollegium mehr als froh, Schulze wieder an seinem Schreibtisch im Kieler Sartori & Berger-Speicher zu sehen.
Als er 2017, nach 31 Dienstjahren, in den vorzeitigen Ruhestand verabschiedet wurde, wurde er im Landesamt in mehrerer Hinsicht vermisst. Vorbei waren nun die gemeinsamen Stunden mit dem großen Geschichtenerzähler. Und sein unbändiges Fach- und Amtswissen ließ sich nicht mehr mal eben so zwischen Tür und Angel abfragen. Vorübergehend verwaisten das Archiv, das Publikationswesen und das Fachgebiet der städtebaulichen Denkmalpflege, dem er sich in den letzten Dienstjahren noch intensiv gewidmet hatte.
Seinen Ruhestand füllte Schulze dann mit (s)einem Herzensprojekt aus: Seit dem Ohlsdorf-Projekt hat ihn das Werk des Hamburger Bildhauers Arthur Bock nicht losgelassen. Akribisch vervollständigte er das bis dato 80 Objekte fassende Werkverzeichnis auf nunmehr 280 Objekte. Das Hamburger Denkmalschutzamt hat diese letzte große Arbeit Schulzes in seiner Themenreihe mit dem Titel "Arthur Bock (1875-1957) - Ein Hamburger Bildhauer" veröffentlicht.
Der Zufall wollte es, dass das Denkmalschutzamt seit geraumer Zeit mit dem Verlag zusammenarbeitet, für den Schulze über Jahrzehnte hinweg vor allem kunsthistorische Dissertationen herausgab. Und wenn bibliophile Seelen aufeinandertreffen, dann treten auch Amtspublikationen aus der staubigen Ecke heraus. Dies zeigte sich nicht zuletzt darin, dass das Buch über Arthur Bock auf der Shortlist - es sind noch 7 von etwa 200 Büchern - des jährlich ausgelobten Hamburger Preises Hamburglesen 2023 landete.
Schulzes Engagement ging weit über sein politisches, kulturelles bzw. denkmalpflegerisches Interesse hinaus. Er war auch Mitbegründer des Vereins "Memento" auf dem Ohlsdorfer Friedhof und hat als Mitglied des Förderkreis Ohlsdorfer Friedhof, das Layout der Vereinszeitschrift seit seinem Ruhestand betreut.
Im Alter von 69 Jahren ist Heiko K. L. Schulze nach schwerer Krankheit verstorben. Menschlich wie fachlich hinterlässt er eine große Lücke. Sein wissenschaftlicher Nachlass befindet sich größtenteils im Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein, Kiel, und im Hamburger Denkmalschutzamt.
(Anmerkung der Redaktion: Wir geben diesen Nachruf, der in der Zeitschrift "Die Denkmalpflege" - vol. 81, no. 2, 2023, pp. 221-223 - erstveröffentlicht wurde, in verkürzter Form wieder und danken der Hamburger Denkmalpflegerin Dr. Astrid Hansen herzlich für die Erlaubnis zum Nachdruck.)