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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Vier Hamburger Bankiers und ihre Gräberauf dem Ohlsdorfer Friedhof

Autor/in: H. Boysen
Ausgabe Nr. 162, III, 2023 - September 2023

Die vier Bankiers lebten und arbeiteten zwischen 1900 und 1993 in Hamburg. Sie haben das wirtschaftliche Geschehen in Hamburg und der Bundesrepublik viele Jahre lang maßgeblich mitbestimmt.

Eric Warburg und Enno von Marcard sind im Jahr 1900 geboren. Eric Warburg wurde 90 Jahre alt und Enno von Marcard 93 Jahre. Alwin Münchmeyer lebte von 1908 bis 1990 und Karl Klasen von 1909 bis 1991.
Das Grab von Eric Warburg liegt am südlichen Teil der Waldstraße, das Grab von Alwin Münchmeyer befindet auf der Familiengrabstätte am nördlichen Teil der Waldstraße. Enno von Marcard ist in der Nähe der Teichstraße begraben und Karl Klasen nordwestlich von Kapelle 13.


Grabstätte Warburg (alle Fotos in diesem Beitrag: H. Boysen) (1)

Das Leben von Eric Warburg war unvergleichlich. Er wurde als Erich Hermann Max Warburg am 15. April 1900 als Sohn von Max Moritz Warburg in Hamburg geboren. 1918 machte er Abitur am Realgymnasium des Johanneums. Nach dem Ersten Weltkrieg begann er eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei Banken in Hamburg, Frankfurt, Lübeck, London und New York. Ab 1924 arbeitete er in der Bank seiner Familie M.M. Warburg in Hamburg. 1929 wurde er Mitinhaber der Bank.

Die 1789 gegründete Bank leitete damals sein Vater Max Moritz Warburg. Eigentlich hätte dessen Bruder Aby Warburg - der Erstgeborene - diesen Posten übernehmen sollen. Der verzichtete aber, um sich der Kunst und Kultur zu widmen. Aby Warburg gründete die berühmte Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg, welche jetzt 60.000 Bücher umfasst, die alle das Bankhaus Warburg zu finanzieren hatte. Das war der Preis für den Verzicht.
Als Folge der politischen Verhältnisse emigrierte Eric Warburg und gründete 1938 in New York die Investmentbank E.M. Warburg & Co. Während des Zweiten Weltkriegs diente Eric Warburg in der US Army. Er hatte die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen. Für seine im Krieg geleisteten Dienste verliehen die Amerikaner ihm den Verdienstorden Legion of Merit. Nach dem Krieg kehrte Eric Warburg nach Deutschland zurück. Ihr konfisziertes Land und Vermögen hat die Familie 1948 zurückerhalten. 1949 trat Eric Warburg als Kommanditist wieder in die Hamburger Bank ein. Von 1956 bis 1982 war er dort persönlich haftender Gesellschafter. Aus Dankbarkeit für das Asyl, das man ihm in Amerika gewährt hatte, bemühte er sich Zeit seines Lebens um Versöhnung und Vertiefung der transatlantischen Beziehungen.
Enno von Marcard war der Sohn des preußischen Oberstleutnants Wilhelm von Marcard. Er begann seine Laufbahn als Banklehrling in Hamburg im Jahr 1919. 1923 war er schon Filialleiter, 1932 Mitinhaber und 1936 Alleininhaber des Bankhauses, das seit 1941 Marcard & Co. heißt. In den Nachkriegsjahren konnte die Bank ein kontinuierliches Wachstum verbuchen. 1949 wurde die Bank unter der Führung von Enno von Marcard zur Außenhandelsbank - ein zu jener Zeit außerordentliches Privileg. Enno von Marcard war bis 1984 persönlich haftender Gesellschafter bei Marcard & Co.


Grabstätte von Marcard (2)

Heinrich Alwin Münchmeyer entstammte einer alten niedersächsischen bzw. ab 1816 Hamburger Familie von Kaufleuten und Bankiers. Er machte 1926 am Hamburger Wilhelm-Gymnasium Abitur und folgte der Familientradition mit einer Ausbildung zum Kaufmann. 1937 übernahm er das väterliche Handels- und Privatbankhaus Münchmeyer & Co. 1968 wurden Handelsgeschäft und Bankgeschäft voneinander getrennt. Alwin Münchmeyer wurde persönlich haftender Gesellschafter der durch Fusion entstandenen Privatbank Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co. Besonders bekannt geworden ist Alwin Münchmeyer durch viele Ehrenämter innerhalb der Hamburger und der deutschen Wirtschaft. Er war u.a. Präses der Handelskammer Hamburg, Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages. Er erhielt die Ehrendoktorwürde der Rechtswissenschaften der Universität Hamburg.


Grabstätte Münchmeyer (3)

Dr. jur. Karl Klasen war von 1970 bis 1977 Präsident der Deutschen Bundesbank. Das war während der unruhigen 70er-Jahre mit Währungsschwankungen, der Ölkrise und geringer Geldwertstabilität. Er hat diese Entwicklungen meisterhaft gemanagt. Vor dieser Tätigkeit war Karl Klasen Präsident der Landeszentralbank der Hansestadt Hamburg, Vorstandsmitglied bei der Deutschen Bank und der Norddeutschen Bank.


Grabstätte Klasen (4)

Von 1935 bis 1943 war er Justitiar bei der Deutschen Bank in Hamburg. Er kam aus geordneten, aber bescheidenen Verhältnissen. 1928 begann er ein Jurastudium an der Hamburger Uni und arbeitete als Werkstudent im Hamburger Hafen und als Reiseführer bei der Hapag. 1933 erhielt er seinen Doktortitel mit einer Arbeit über ein völkerrechtliches Thema. Seit 1931 war er SPD-Mitglied und mit Helmut Schmidt eng befreundet. 1974 erhielt Karl Klasen das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband, 1977 das Großkreuz der Bundesrepublik Deutschland.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Schiffbrüche und Erinnerungsorte (September 2023).
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