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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Die Geschichte der Niendorfer Kirche

Im Mittelalter gehörten die Dörfer Niendorf, Stellingen, Schnelsen, Eidelstedt, Hummelsbüttel, Lokstedt und Burgwedel zum Kirchspiel Eppendorf. Die Verstorbenen aus diesen Dörfern wurden um und in der St.-Johannis-Kirche beigesetzt. Der Weg dorthin war lang, aus den entlegensten Gebieten bis zu 10 km.

1769 wurde das Eppendorfer Kirchspiel geteilt. Das geschah jedoch nicht, um den Einwohnern den Kirchweg zu verkürzen, sondern aus politischen Gründen: Die Kirche und ein Teil der Kirchspieldörfer gehörten zur Stadt Hamburg, die obengenannten Dörfer unterstanden jedoch dem dänischen König. Schon lange hatte es deshalb Streit gegeben, welche Obrigkeit den Pastor und den Küster bestimmen durfte. Das ging so weit, dass ein von dänischer Seite eingesetzter Pastor die Kirche für die Gemeindeglieder aus den Hamburger Dörfern verschloss.

Beerdigungsgesellschaften mussten sich während des Gottesdienstes in die Eppendorfer Kirche einschleichen, wenn ein Verstorbener in der Familiengruft unter dem Fußboden der Kirche beigesetzt werden sollte. Nach der Teilung gehörten die sogenannten Pinneberger Dörfer unbestritten unter die dänische Obrigkeit.

Für den Bau der neuen Niendorfer Kirche (Abb. 1) stiftete König Christian VII. acht dicke Eichen aus dem damals königlichen Niendorfer Gehölz. Nach nicht einmal anderthalb Jahren Bauzeit wurde die Barockkirche im November 1770 eingeweiht.


Die Niendorfer Kirche heute (1)

Der Bau entsprach den damals modernsten Maßstäben: In dem achteckigen, hellen Raum sind Altar, Kanzel und Orgel übereinander an der Ostwand angeordnet (Abb. 2). Für Taufen wird vor dem Altar ein hölzerner Engel herabgelassen (Abb. 3).



Vor der Kanzel mit ihrer Orgel hängt der Taufengel (2/3)

Vom Gestühl und den umlaufenden Emporen aus können alle Gottesdienstbesucher gleich gut Liturgie und Predigt verfolgen. Die Sitzplätze wurden verkauft. Noch heute kann man an einigen Plätzen im einzigen erhaltenen barocken Kirchengestühl in Hamburg den Namen des ersten Besitzers lesen (Abb. 4).


Inschrift auf der Kirchenbank des Vogtes Lüdemann "Den 14. Nov. 1770 ist diese Kirche / eingeweiet und den 28 und 29ten sind die Stende verkaufet worden / No. I Erbstand des Vogts Peter Lüdeman" (4)

Modern war auch, dasss keine Beerdigungen in der Kirche stattfinden sollten, weil man erkannt hatte, dass der sonst in Kirchen allgegenwärtige Verwesungsgeruch nicht nur unangenehm, sondern auch ungesund war. Die Verstorbenen sollten rund um die Kirche bestattet werden. Nur für Johann Christoph Friedrich Rist, den ersten Pastor, wollte man eine Ausnahme machen. Doch er verzichtete auf dieses Sonderrecht und wurde neben der Kirchentür beigesetzt, wo genau, ist nicht überliefert. Der Gedenkstein mit einem integrierten Sammelkasten für die Armen der Gemeinde, der ursprünglich auf seinem Grab stand, steht noch heute neben der Kirche (Abb. 5).


Gedenkstein für den ersten Pastor, Johann Christoph Friedrich Rist, mit einem Sammelkasten für die Armen der Gemeinde (5)

1810/12 war die Niendorfer Kirche in großer Gefahr: Französische Soldaten nutzten sie als Pulverlager. Anschließend war die erste Renovierung fällig. In den folgenden Jahrhunderten erlebte die Kirche Umgestaltungen im jeweiligen Zeitgeschmack. In der Nacht vom 24./25. Juli 1943 durchbrachen Bomben das Kirchen-dach. Die mutige Brandwache konnte die Brandbomben rechtzeitig löschen. Einige Jahrzehnte später brachten in Fuhlsbüttel startende Flugzeuge und der U-Bahn-Bau die barocke Kirche zum Schwanken. Dabei wurde entdeckt, dass Feuchtigkeit vom inzwischen längst aufgelassenen Bestattungsplatz rings um die Kirche in den Ziegelmauern bis ins Gebälk aufgestiegen war und die Balken verrotten ließ. Inzwischen ruht der Dachstuhl wieder sicher auf den acht dicken Eichenpfählen. 2020 konnte die nun wieder in den hellen Originalfarbtönen ausgemalte Kirche ihren 250. Geburtstag feiern.

Wer mehr wissen will: Das Forum Kollau hat zusammen mit der Kirchengemeinde Niendorf eine Chronik herausgebracht: Veronika Janssen, Schön achteckig, mit einer Thurmspitze in der Mitte - 250 Jahre Kirche am Markt zu Niendorf, Eine Chronik der Gemeinde und des Stadtteils Niendorf. Hamburg 2020.

Fotos: Veronika Janssen

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Der Alte Friedhof in Niendorf (Januar 2023).
Erkunden Sie auch die Inhalte der bisherigen Themenhefte (1999-2024).