Der erste Fall des neuartigen Coronavirus (SARS-CoV-2) wurde in Deutschland am 28. Januar in Bayern registriert. Bundesweit stieg die Zahl der Corona-Infektionen bis zum 16. April 2021 auf über 3,1 Millionen Fälle. Die Zahl der Todesopfer im Zusammenhang mit dem Virus beläuft sich aktuell auf rund 80.000.
Opfer der Pandemie
Menschen sterben. Doch das Sterben in außergewöhnlichen Zeiten wie in der aktuellen Pandemie stellt Hinterbliebene vor besondere Herausforderungen: An den Beerdigungen können nur wenige Menschen teilnehmen. Der Zugang zu Sterbenden im Krankenhaus ist manchmal begrenzt. Und auch auf die Bestattungsmodalitäten wirkt sich die Pandemie aus.
Die meisten Menschen sterben in Einrichtungen – wie zum Beispiel in Krankenhäusern und Altenheimen – und eher selten zu Hause. Durch die Besuchsverbote und hygienischen Einschränkungen, die die Verbreitung des Coronavirus eindämmen sollen, besteht die Problematik, dass es Angehörigen nicht möglich ist, sich von ihren geliebten Menschen zu verabschieden. Diese Besuchsverbote wurden immerhin – nach längerer Dauer der Pandemie – etwas gelockert, so dass inzwischen wenigstens die engsten Angehörigen (zwei Personen) den oder die Sterbenden besuchen dürfen.
Trauerfeiern im engsten Familienkreis sind zwar von der Kontaktsperre ausgenommen, aber die Regelungen sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, und es gab im Verlauf der Pandemie strenge Auflagen, die die Teilnehmerzahl begrenzten.
Das Beispiel Berlin
Der Berliner Senat erließ mit Wirkung zum 22. April 2020 eine überarbeitete Verordnung, aus der sich vorsichtige Lockerungen für private Zusammenkünfte ergaben. Wenn ein zwingender Grund vorlag – dazu zählten explizit Trauungen, Taufen und Trauerfeiern – durften bis zu 20 Personen zusammenkommen. Ab dem 4. Mai 2020 waren dann auch religiöse Veranstaltungen mit bis zu 50 Teilnehmern erlaubt, wenn die räumlichen Bedingungen es zuließen. Dies schloss neben Gottesdiensten auch Trauerfeiern mit ein.
Ob die Veranstaltung innerhalb des Gotteshauses oder in der Friedhofskapelle stattfinden konnte, wurde von der jeweiligen Gemeinde/Kommune bzw. dem Friedhof entschieden. Je nach den örtlichen Gegebenheiten musste die Einhaltung der Hygieneregeln unterschiedlich umgesetzt werden. Der Mindestabstand von 1,5 Metern ist immer noch zwingend einzuhalten, das Tragen einer Gesichtsmaske wird zurzeit lediglich empfohlen. Aber auch hier bestätigen Ausnahmen die Regel: Einige Friedhöfe machen das Tragen einer Gesichtsmaske in der Trauerkapelle zur Pflicht – Trauergäste ohne diese Bedeckung haben keinen Zutritt.
Tatsächlich kann eine Trauerfeier unter freiem Himmel ein würdevoller Abschied sein, der die Teilnehmer*innen emotional trägt. Problematisch für Teile der Bevölkerung wurde es jedoch, als ab dem 23.3.2020 45 evangelische Friedhöfe in elf Stadtteilen für die Öffentlichkeit geschlossen wurden. Der Grund: Offenbar hatten sich einige Personen auf den Friedhöfen unangemessen verhalten (Treffen in Gruppen, Fußball spielen, Grillen etc.). Für Menschen, die erst kürzlich einen Todesfall erlitten hatten, war diese – zeitweilige – Schließung besonders schwer erträglich, zumal die anderen Friedhöfe in Berlin durchgehend geöffnet blieben. Wenn Trauernde nicht bei der Beerdigung ihrer engsten Angehörigen dabei sein können, fehlt ihnen die Realität des wichtigen sozialen Akts des Abschiednehmens.
Bestattungsrituale und die Endgültigkeit des Abschieds
Den beruflich Tätigen im Bestattungs- und Friedhofswesen ist es ein wesentliches Anliegen, den Hinterbliebenen eine würdevoll gestaltete Bestattung zu ermöglichen. Doch wie kann man in Covid-19-Zeiten die Verstorbenen auf dem letzten Gang begleiten, wenn die meisten Angehörigen zu Hause bleiben müssen? Wie kann Anteilnahme gezeigt werden, wo Abstand gehalten werden muss?
Die derzeitigen Beschränkungen erfordern von Bestattern, Friedhofsverwaltungen, Friedhofsmitarbeitern, Geistlichen und betroffenen Angehörigen eine besondere Art von Empathie und Kreativität. Die vertrauten und üblichen gemeinschaftlichen Rituale haben einen tieferen Sinn. Sie sollen den Hinterbliebenen einen Abschied ermöglichen, der ihre Trauerarbeit positiv unterstützt. Die Betroffenen brauchen diese Erfahrung. Es ist wichtig, dass der Sarg bzw. die Urne nochmals aufgebahrt und anschließend bestattet/ beigesetzt wird. Wenn also Hinterbliebene in Folge der Kontaktsperre nicht bei einer Trauerfeier dabei sein können, fehlt ihnen dieser reale Akt des Abschiednehmens.
Beerdigungen, zu denen unter normalen Umständen mehr als fünfzig Menschen gekommen wären, müssen sich nun auf die Kernfamilie konzentrieren. Da keine weiteren An- und Zugehörigen, wie Nachbarn, Freunde und langjährige Wegbegleiter dazu kommen können, und da keine Restaurantbesuche möglich sind, fällt auch die Zusammenkunft zum Trauerkaffee oder "Leichenschmaus" meist aus, bei der man sich bei einer Tasse Kaffee austauschen, gemeinsam an den Verstorbenen erinnern und dann allmählich wieder im Alltag ankommen kann.
Die unterschiedlichen Covid-19-Regelungen sowohl innerhalb Deutschlands als auch innerhalb der Gemeinden und Städte erschweren die Orientierung. So gab und gibt es in Berlin, sowohl von Bezirk zu Bezirk, als auch je nach Trägerschaft des Bestattungsortes Unterschiede bezüglich der Offenhaltung von Friedhofskapellen und Trauerhallen. Bindend wurde nur die Einhaltung der Mindestabstände und die maximale Teilnehmerzahl bei den Trauerfeiern bezogen auf die benutzten Räumlichkeiten für alle Friedhöfe umgesetzt. Gerade diese Inhomogenität der Bestimmungen und Verordnungen bundesweit, aber auch innerhalb einer Stadt, wie z. B. Berlin, verkomplizieren die Arbeit für alle im Bestattungs- und Friedhofsbereich Tätigen zusätzlich.
Weiterhin gilt aktuell (April 2021), dass in den meisten kommunalen Friedhofs-kapellen max. 20 Personen zugelassen sind (je nach Kapellengröße ggf. weniger!), außerhalb im Freien können max. 50 Personen an einer Trauerfeier teilnehmen. Die kirchlichen Friedhöfe sind diesbezüglich etwas flexibler, da hier in der Regel der Mindestabstand maßgeblich ist. Auch die Öffnung von Warteräumen wird unterschiedlich gehandhabt: Auf vielen Friedhöfen sind diese permanent geschlossen, auf anderen durch die gesamte Pandemie-Zeit geöffnet.
Das Führen von Anmeldelisten, das Einhalten des Mindestabstandes von 1,5 m und das Tragen einer medizinischen Mund-Nase-Bedeckung (FFP-2-Maske bei Publikumskontakt auch in geschlossenen Räumen) sind neben den weiteren Hygieneregeln – auch im Freien – erforderlich. Allerdings waren – oder sind noch – wichtige notwendige Hygieneschutzmaßnahmen wie Desinfektion/Händewaschen auf den meisten Friedhöfen nicht umsetzbar. Toiletten sind oft aus "hygienischen Gründen" verschlossen, Desinfektionsmittel stehen vor Ort meist nicht zur Verfügung. Auch das Ausfüllen der Anwesenheitslisten wird nicht einheitlich gehandhabt. Zudem galt das Bestatterhandwerk lange nicht als systemrelevant. Das aber ist in einer solchen Krise zwingend erforderlich, und zwar einheitlich in allen Bundesländern. Nur so ist eine gleichmäßige Versorgung mit Desinfektionsmitteln, Mund-Nasen-Schutz, Schutzbrillen und Einweg-Infektionshandschuhen gewährleistet. Hier wären grundlegende Richtlinien für alle Friedhöfe nötig, damit sich sowohl die tätigen Dienstleister als auch die Hinterbliebenen auf eine örtliche Konformität verlassen können. Zu hoffen bleibt, dass in der dritten Corona-Welle nicht wieder Friedhofskapellen und Trauerhallen geschlossen werden und die Anzahl zugelassener Trauergäste nochmals beschränkt werden muss. Die sensible und sorgsame Unterstützung durch kompetente und erfahrene Bestatter wird dauerhaft noch unabdingbarer sein als ohnehin schon.
In Anlehnung an die Verordnungen für private Treffen gilt für individuelle Grabbesuche, dass diese aktuell mit Angehörigen eines weiteren Haushaltes mit einer Personenobergrenze von höchstens fünf zeitgleich anwesenden Personen zulässig sind (deren Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres werden nicht mitgezählt).
Doch wie können die Menschen, die nicht bei einer Trauerfeier dabei sein dürfen, trotzdem Abschied nehmen?
Immer wieder wird auf die Möglichkeit, die Abschiedsfeier auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, hingewiesen. Allerdings ist die Zeit, in der man innerlich auf diesen „letzten Schritt“, also die Trauerfeier, wartet, für die Trauernden oft sehr belastend. Mit der Abschiedsfeier wird dann ein erster wichtiger Haltepunkt gesetzt. Wenn man plant, die feierliche Urnenbeisetzung zu verschieben, könnte es für den Trauerprozess aller Beteiligten hilfreich sein, sich beim Krematorium zu erkundigen, an welchem Tag (ggf. auch um welche Uhrzeit) die Einäscherung stattfinden wird. Dann kann man sich als Trauergemeinschaft verabreden, so dass jeder zu diesem Zeitpunkt bei sich zu Hause eine Kerze anzündet, ein bestimmtes Lied hört, das für die Trauerfeier geplant war und vielleicht für sich ein paar Zeilen des Abschieds und der Erinnerung aufschreibt, die dann später, wenn man gemeinsam Abschied feiern kann, vorgelesen werden, oder aber gesammelt und als Grabbeigabe verwendet werden könnten.
Stephan Hadraschek M. A., Bestatter, Historiker, Berlin; ist Mitglied des Vorstands und des Beirats für Grundlagenforschung der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e. V.
Fotos: Stephan Hadraschek