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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Mechthild Schroeter-Rupieper: In Deiner Trauer getragen. Trost finden in Zeiten des Abschieds

Die Familien-Trauerbegleiterin Mechthild Schroeter-Rupieper hat mit diesem Buch einen Lebensbegleiter für die Zeit des Abschiednehmens und der Trauer verfasst. Anhand von bewegenden Geschichten aus ihrer Familientrauerarbeit greift sie auf konkrete Fragen und Ängste von Todkranken und Trauernden auf.

Sie möchte ein paar Hilfestellungen an die Hand geben, wie ein guter und richtiger Abschied gelingen kann. Dabei legt sie einen großen Wert auf den bewussten Abschied, der ein Heilungsprozess nicht nur für Sterbende, sondern auch für Angehörige ist. Zu Beginn des Buches erzählt sie von einem roten Holzherz, bestehend aus zwei Herzhälften. Dreht man das Herz um, hält man zwei blaue Tränen in der Hand, die die Trauer darstellen sollen. Sie schreibt, dass sich alles, was wir lieben, in unserem Herz befindet. Mit der Zeit bekommt das Herz kleine Risse, weil man etwas verloren hat und es fühlt sich nahezu so an, als ob das Herz zerbrechen würde.

Doch das gebrochene Herz ist nicht das Ende, sondern der Beginn der Trauer. Wenn wir die Trauer zulassen und nicht verdrängen, entsteht ein Gefühl der Dankbarkeit und der Liebe. Die zwei blauen Tränen werden wieder zu einem roten Herz. Was bleibt, ist die Liebe. All die schönen Erinnerungen, die geschenkt worden sind, bleiben für immer. Dass die Trauer auf die Liebe deutet, ohne die es keine Trauer geben würde, ist eine schöne Erkenntnis für die Hinterbliebenen. Damit weist Schroeter-Rupieper auf einen wichtigen Grundtenor der Trauerarbeit hin.

Der Titel macht deutlich, worum es in Krisenzeiten geht: Es geht darum, das Kind, den Jugendlichen und nahestehende Menschen in die Hand zu nehmen und ein Begleiter zu sein. So spricht Schroeter-Rupieper im gesamten Buch von der Wichtigkeit der Gespräche bei Trauer. Authentizität und das bewusste Zulassen von Gefühlen wie Angst, Wut, Schuldgefühlen und Traurigkeit sieht sie als unabdingbare Aufgaben des Abschiednehmens. Trauer gehört zum Leben, so die Grundaussage des Buches. Ein bewusster Umgang und das Gespräch über den Tod mit Kindern sei in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung. Es sei wichtig, den Kindern den Tod zu erklären und sie nicht außen vor zu lassen. Diese Informationen bringen Sicherheit. Kinder in Trauerzeiten sollen nicht vor Traurigkeit bewahrt werden. Sie sollen vielmehr unterstützt und begleitet werden und einen eigenen Ausdruck für ihre Gefühle entwickeln.

Zudem spricht die Autorin über den Tod, der als Teil des Lebens nicht verdrängt werden darf, und weist dabei auf den Gedanken des Memento Mori ("gedenke, dass Du sterben musst") hin. Schön in diesem Zusammenhang ist diese Aussage über das lebenslange Verabschieden: "Es ist wertvoll, Abschiede von Kindesbeinen an einzuüben: Sei es der Abschiedskuss und die Umarmung vor dem Schulweg, das Abschlusslied im Kindergarten, der Handschlag beim Auf-Wiedersehen-Sagen in einer Clique oder die Verabschiedung beim Begräbnis. Unser Leben lang müssen wir uns verabschieden: von Menschen, Orten, Berufen, Lebensphasen und vielem mehr. Und ganz am Ende müssen wir das Leben selbst loslassen. Wohl dem, der es bis dahin gelernt hat!"

Schroeter-Rupieper schreibt, dass Rituale beim Loslassen wichtig sind. Rituale kennen wir bereits aus unserer Kindheit. Sie geben uns Sicherheit und helfen in Stresssituationen. Sie bedeuten Heimat. Wir brauchen Rituale bei der Verabschiedung, um unsere Gefühlssituation zu strukturieren. Schroeter-Rupieper betrachtet Rituale auch als etwas Gemeinschaftsstiftendes – sie stärken das Wir-Gefühl. Wenn wir mit Familienmitgliedern, Freunden und Wegbegleitern gemeinsam trauern, uns austauschen und gegenseitig Rückhalt und Trost geben können, fühlen wir uns nicht so allein.

Eine zentrale Frage stellt die Autorin am Ende des Buches, nämlich, was uns Halt in unserem Leben gibt. Sie ist von entscheidender Bedeutung: Was würde passieren, wenn etwas davon wegfällt? Haben wir ausreichend andere Ressourcen, auf die wir zurückgreifen können, um einen möglichen Zusammenbruch verhindern zu können? [OR]

Verlagsgruppe Droemer Knaur, München 2020, 192 S.

Zur Person: Schroeter-Rupieper ist die Gründerin der Familientrauerarbeit in Deutschland und die Mitbegründerin der Familientrauerarbeit in Österreich und der Schweiz. Sie arbeitete u.a. als staatliche anerkannte Erzieherin und bietet seit fast 20 Jahren Fachvorträge und Seminare zum Thema der (akuten) Trauer- und Trennungssituation an. Im Institut für Familientrauerbegleitung LaVia betreute und unterstützte sie u.a. die Angehörigen vieler Toten einer Schulklasse aus Haltern am See, die 2015 bei dem tragischen Absturz der Germanwings durch den Co-Piloten ums Leben kamen.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Freitod (April 2021).
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