"Unser Friedhof soll von vielen Menschen als ‚ihr‘ Ort betrachtet werden", sagt Jörg Lelke, Verwalter des Evangelischen Friedhofes in Bad Oldesloe.
Der Begräbnisplatz zeigt eine Mischung aus Garten-, Park- und Waldcharakter und zählt mit seiner Vegetation, seinen Bodenmodellierungen, Wasserflächen und vielfältigen Grabanlagen zu den interessantesten Friedhöfen in Norddeutschland. Jörg Lelke leitet ihn seit 2005 und verwirklichte damit seinen Wunsch vom Traumberuf. Er stammt aus dem vorpommernschen Demmin, machte zunächst eine Ausbildung als Gärtner und studierte dann Gartenbau in Erfurt mit dem Abschluss als Diplom-Ingenieur.
Als Jörg Lelke vor 15 Jahren als einer von 60 Bewerbern ausgewählt wurde, war der Oldesloer Friedhof bereits in einem ausgezeichneten Pflegezustand und technisch wie auch personell sehr gut ausgestattet. Dennoch hat der neue Friedhofsverwalter auch eigene Konzepte umgesetzt. Dabei geht es zum Beispiel um die öffentliche Außenwirkung. Die Zahl der Eingänge und Pforten wurde erweitert, Informationstafeln zu besonderen Grabstätten aufgestellt. Zusätzlich zu den ohnehin vorhandenen Bänken sind in seiner Zeit noch einmal über 40 weitere hinzugekommen. So ist die Anlage auch ein Ort des Verweilens und der Erholung.
"Immer wenn Friedhofsflächen frei werden, überlegen wir uns ein neues Projekt", berichtet Jörg Lelke. Und weiter: "Manchmal kann ich gar nicht so schnell die Flächen umgestalten, wie sich die Kundenwünsche ändern.“
Zu den unter seiner Regie entstandenen Anlagen gehören Baumbestattungen, darunter ein Magnolien-Hain, eine Grabanlage für Kindersärge und einiges mehr. Auf dem Baumbestattungsareal wurden innerhalb von zehn Jahren rund 400 junge Bäume angepflanzt – die Nachfrage ist groß. Einfache Staudengräber wurden als kleine Einheiten mit 20 und 30 Einheiten in alte Abteilungen eingepasst und zum Teil mit historischen Grabsteinen versehen, um sie optisch aufzuwerten. Friedhofsverwalter Lelke: "Die Menschen haben eigene Vorstellungen, und wenn der Friedhof darauf eingeht, kann er etwas bewirken". Ein deutlicher Fokus wird auf christliche Symbolik gelegt. Das 1929 gestiftete Hochkreuz beispielsweise wurde freigeschnitten und damit besser sichtbar. An anderen Stellen blieben Grabmale mit christlicher Symbolik erhalten.
Eine besondere Rolle spielen Natur und Landschaft. Der Oldesloer Friedhof verfügt über insgesamt rund 1000 Bäume. Teils handelt es sich um sehr alten Baumbestand mit seltenen Gewächsen, darunter Mammutbaum, Goldregen, Lebkuchenbaum und Felsenbirne. Im April blüht der Magnolien-Hain mit seinen über 100 Bäumen. Verschiedene Gruppen, wie Naturschutzvereinigungen, kommen gern zu Führungen auf den Friedhof, der auch einen Obst-Hain umfasst. Ganz neu sind zwei gepresste Lehmwürfel, die künftig Insekten als Heimstatt dienen sollen. Sie wurden zusammen mit einer Oldesloer Kindergarten-Gruppe aufgestellt.
Von großer Bedeutung sind für Friedhofsverwalter Lelke die Bindungen zu unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, wie Hospiz, Feuerwehr u.a. Auf dem Friedhof liegen besonders viele Flüchtlinge und Vertriebene bestattet – Bad Oldesloe wie auch der gesamte Kreis Stormarn waren nach dem Zweiten Weltkrieg eine Hochburg der Zuwanderung. Rundgänge und Führungen veranstaltet Jörg Lelke auch mit der örtlichen Johannis-Loge, einem Freimaurer-Orden. Dabei werden Grabstätten von hier bestatteten Logen-Brüdern besucht. Auch die Religionsgemeinschaft der Mennoniten besitzt auf dem Friedhof ein Grabfeld.
Eine besondere Anlage ist den "Stormarner Werkstätten" gewidmet, in denen behinderte und nicht-behinderte Menschen zusammen arbeiten. Für die Behinderten, die häufig nicht mehr in familiäre Kreise eingebunden sind, bilden diese Werkstätten mit den angeschlossenen Wohngruppen einen neuen Lebensmittelpunkt. Aber auf Grund ihrer prekären finanziellen Lage hätten viele von ihnen nach dem Tod nur eine anonyme Sozialbestattung bekommen. Auf der Grabanlage des Oldesloer Friedhofs aber wird jeder Verstorbene auf einem zentralen Gedenkstein namentlich genannt. Wie Jörg Lelke berichtet, sind die Trauerfeiern oft ergreifend, und die einzelnen Gräber werden nach der Bestattung häufig besucht.
Der Oldesloer Friedhof weist auch einige Prominentengräber auf: Von überregionaler Bekanntheit sind der Schauspieler Raimund Harmstorf, der Komiker Heino Jaeger und der Unternehmer Tyll Necker. Im frühen 20. Jahrhundert spielte der Oldesloer Unternehmer Friedrich Bölck mit seinen reformorientierten Ansätzen in Vertrieb und Kundenbindung eine wichtige Rolle im Wirtschaftsleben. Er wurde ursprünglich auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg bestattet, nach Ablauf der Ruhezeit wurde sein Grabstein nach Oldesloe transloziert (siehe "Ohlsdorf – Zeitschrift für Trauerkultur" Nr. 147).
Grabsteine erzählten häufig ganz eigene Geschichten. So wurde auf dem Oldesloer Friedhof eine Frau aus Vietnam bestattet, die zu den Boatpeople zählte – also übers Meer geflüchtet war. Mit einer Erläuterungstafel weist Jörg Lelke an ihrer Grabstätte auf die heute fast vergessene Tragödie dieser Flüchtlinge hin, die in den 1970er- und 1980er-Jahre versuchten, über das Südchinesische Meer zu fliehen.
Tragisch ist die Geschichte von Hans Wöltje. Als bekennender Anhänger der Zeugen Jehovas, einer von der nationalsozialistischen Diktatur verfolgten religiösen Gemeinschaft, wurde er ins KZ Dachau deportiert und kam dort ums Leben. Im Gegensatz zu den zahllosen namenlos verscharrten KZ-Opfern konnte Wöltjes Vater dafür sorgen, dass die Asche des Gläubigen im Oldesloer Familiengrab bestattet wurde. Eine Informationstafel erläutert das Schicksal von Hans Wöltje, der auch einen "Stolperstein" vor seinem letzten frei gewählten Wohnsitz in Bad Oldesloe erhielt.
Im Jahr 2015 bekam Friedhofsverwalter Jörg Lelke Besuch aus Russland. Anlass war die Neugestaltung der Anlage für russische Kriegsgefangene. Dies geschah in einer deutsch-russischen Kooperation von Ehrenamtlern, die eine Woche lang – mit finanzieller Unterstützung der Landesregierung – an der Anlage arbeiteten.
Natürlich belastete die in den ersten Monaten des Jahres 2020 ausgebrochene Corona-Pandemie auch den Friedhof und die Trauerfeiern. Jörg Lelke berichtet, dass seitdem der letzte Abschied fast immer unter freiem Himmel stattgefunden hat und höchstens 25 Trauernde teilnehmen konnten. Früher gab es durchschnittlich 60 Gäste, in vielen Fällen über 100. Besonders bedauert der Friedhofsverwalter, dass die Kapelle als "schützender Raum" – so Lelke wörtlich – nicht mehr in Anspruch genommen werden kann.
Auf künftige Perspektiven angesprochen, nennt Jörg Lelke die Weiterentwicklung von kulturellen Veranstaltungen auf dem Friedhof und den Zugang zu weiteren gesellschaftlichen Gruppierungen. Der hohe Pflegestandard soll gehalten werden. Auch die Biodiversität ist ihm ein Anliegen. Auf das Grabstättenangebot angesprochen, fasst der Friedhofsverwalter sein Programm wie folgt zusammen: „Einen eigenen Weg mit Augenmaß zu gehen, ist mir ein Anliegen.“
Fotos: Norbert Fischer