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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Thorsten Benkel, Matthias Meitzler, Dirk Preuß: Autonomie der Trauer. Zur Ambivalenz des sozialen Wandels.

Nomos Verlag, Baden-Baden 2019, 220 S.

Die beiden Soziologen Thorsten Benkel und Matthias Meitzler haben zwischen 2015 und 2018 Menschen interviewt, die sich - entgegen dem in Deutschland geltendem Recht - die Asche ihrer verstorbenen Angehörigen aushändigen ließen, um sie nicht auf einem Friedhof zu bestatten, sondern in den eigenen Räumen aufzubewahren, im eigenen Garten beizusetzen oder in der Natur auszustreuen. Eine erste Auswertung ihrer Interviews legen sie zusammen mit dem Theologen Dirk Preuß in dieser Studie vor. Mit ihnen belegen sie einen Mentalitätswandel, in dem sich das öffentliche Image von Trauer und Trauern immer stärker ausdifferenziert.

Dirk Preuß stellt dazu über die Normen im Umgang mit Trauernden ethische Überlegungen an, deren Fazit ist, dass man Angehörigen nicht unbedingt empfehlen sollte, die Asche eines Angehörigen mit nach Hause zu nehmen und/oder sie außerhalb eines Friedhofs auszustreuen. Allerdings zieht er daraus nicht die Schlussfolgerung, dass man diese Mitnahme verbieten sollte. Als Alternative schlägt er vor, auf Friedhöfen kostenfrei Gräber anzubieten, die "im Sinne der Daseinsvorsorge z.B. steuerfinanziert sind". Dann würden bei der Freigabe der Urnen, diese nämlich nicht aus Kostengründen, sondern nur aus Überzeugung mit nach Hause genommen werden. Zudem könnte man sie dann später immer noch einem Friedhof übergeben.

Abschließend stellen die Autoren acht Vorschläge vor, wie dem von ihnen beobachteten Einstellungswandel begegnet werden könnte. Ihrer Meinung nach sind die bisherigen normativen Regelungen zu hinterfragen und zwar besonders deshalb, weil ihrer Meinung nach der Friedhof oft als Ort der Verbote wahrgenommen wird anstelle eines Ortes, an dem sich "Trauer frei und uneingeschränkt entfalten kann". Sie stellen die Einzigartigkeit der jeweiligen Trauer im Gegensatz zu einem kollektiv normierten Trauerverhalten heraus und glauben, dass die heute zu beobachtende Friedhofsflucht reversibel ist, wenn Friedhöfe eigene Alternativen zu den sogenannten alternativen Bestattungsformen entwickeln. Für die Aufbewahrung der Totenasche schlagen sie kluge "Interimslösungen" vor, die den Friedhofszwang einerseits nicht vollständig aufheben, andererseits aber eine längere Frist zum Abschiednehmen ermöglichen würde.

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Mensch-Haustier-Bestattungen (Februar 2020).
Erkunden Sie auch die Inhalte der bisherigen Themenhefte (1999-2024).