Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Januar 1933 erfolgte Zug um Zug eine zwangsweise Ausrichtung des öffentlichen und privaten Lebens auf eine idealisierte Volksgemeinschaft im Sinne der neuen Ideologie.
Auch der Friedhof Ohlsdorf blieb davon nicht verschont. Die ersten, die personelle Konsequenzen zu spüren bekamen, waren bekannte leitende Persönlichkeiten der hamburgischen Bauverwaltung, der Garten- und Friedhofsdirektor Otto Linne und der Oberbaudirektor Fritz Schumacher - Namen, die untrennbar mit dem Friedhof Ohlsdorf verbunden sind.
Als Linne noch über sein Pensionsalter hinaus wirken wollte, wurde er beruflich und politisch diffamiert. Hermann Koenig, ein freischaffender Gartenarchitekt und Fachgruppenleiter des Kampfbundes deutscher Architekten und Ingenieure, schaffte es mit niederträchtigen und antisemitischen Äußerungen, die zunächst vorgesehene Weiterbeschäftigung zu verhindern. Obwohl der Präses der Baubehörde für ihn eintrat, er schrieb im Juli 1933 u.a.: "Es liegt im höchsten Maße im staatlichen Interesse beide (Linne und Schumacher) weiter die Führung ihrer Dienstzweige zu belassen," und auch die Allgemeine Verwaltung sich zustimmend äußerte, dass "die Reorganisation der Behörde ohne L. schwieriger ist als mit ihm", musste Linne gehen. Nur einen Monat war er noch in der neuen Behörde für Technik und Arbeit bis Dezember 1933 tätig.
Ähnlich erging es Fritz Schumacher: Er wurde mit 63 Jahren entlassen und erhielt am 3. Mai 1933 die unkommentierte Mitteilung: "Der Senat beschließt den Übertritt des Oberbaudirektors Professor Dr. Ing. e.h. Dr. h.c. Dr. h.c. Fritz Schumacher in den Ruhestand." Für den Zuschnitt der Neugliederung des Bauwesens passte er nicht mehr in die Konstellation der dafür vorgesehenen Persönlichkeiten. "Die Machenschaften der verschiedensten Gegner waren groß." In einem Brief an seinen Bruder Hermann äußerte er sich sehr offen und schrieb von einer unanständigen Lügen-Polemik der Presse. Er nannte z.B. die Zuschreibung seiner Arbeit an andere Dienststellen und die Verfemung seiner Bauten als "Kulturbolschewismus". So hatte die Deutsche Bauhütte im Februar 1933 über das im Januar in Betrieb genommene Krematorium auf dem Ohlsdorfer Friedhof geschrieben: "Im ganzen wirkt alles wie neue kommunistische Bauweise Moskauer Richtung mit der absoluten Unterdrückung jeder religiöser Neigung."
Eine weitere Umbenennung erfuhr die von Linne eingeführte Grabmalgenehmigungs- und beratungsstelle des Friedhofs, erfolgreich geführt durch den Architekten Frank. Sie hieß nun Friedhofskulturdienst und wurde dem linientreuen Bildhauer und nunmehr Kunstwart Alfred Wittich unterstellt. In einer Fotoausstellung alter Grabmale wird er sich später wie folgt äußern: "Als Nationalsozialisten versuchen wir unser Wirken abzuleiten von dem der nationalsozialistischen Lebensanschauung gegebenen Gesetz. Diese erfühlt und begreift menschliches Leben als natürlichen, lebendigen Strom, der die Folge der Geschlechter unseres Volkes innig verbindet. Dieser Gedanke bestimmt auch unsere Vorstellung vom Friedhof."
- "Friedhofsmitarbeiter 1939" (Foto: Archiv Förderkreis)
Und wie sah es bei den Beschäftigten auf dem Friedhof aus? Ein Gruppenfoto aus jener Zeit beweist die äußere (zwangsweise?) Anpassung der Gartenmeister an das neue Regime: jeder trägt das Parteiabzeichen auf der Jacke. Was mögen sie wohl wirklich gedacht haben? Von den Kapellenwärtern wusste ein damals tätiger Friedhofspastor zu berichten, dass ihnen die ungebetenen NS-Besucher bei Trauerfeiern bekannt waren. Die Meldung der Anwesenheit der Gestapo nahm dann hinter vorgehaltener Hand seinen Lauf. So mancher "Verdächtigter" blieb unerkannt. Rote Nelken und rote Kranzschleifen, Zeichen des Widerstands, wurden nicht fortgeräumt. Die Geschichte des Friedhofs in jener Zeit ist noch nicht geschrieben, sie würde wohl Seiten füllen.
Literatur:
Elke von Kuick-Frenz, Otto Linne - Anwalt des sozialen Grüns, Hamburg 2000
Maike Bruhns, Fritz Schumachers Leben und Wirken nach 1933, Hamburg 1994