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OHLSDORF - Zeitschrift für Trauerkultur

Erinnerungstafeln: Reisenotizen aus Frankreich

Der Besucher aus Nordeuropa, der Friedhöfe in Frankreich besucht, stellt meistens schnell fest: Viel Stein, reihenweise und dicht beieinander flache Gräber und Grüfte, meist Kies dazwischen - dabei wenig Grünes oder Blumen, wenn, dann oft aus Kunststoff.

Stattdessen aber eine große Zahl von etwas, was man in Deutschland wenig kennt: Erinnerungstafeln, die wie Bilder schräg auf bzw. neben den flachen Grabsteinen stehen und, haltbarer unter den südlicheren und wärmeren Klimabedingungen, wohl oft unsere Kränze ersetzen.

Auch auf dem Ohlsdorfer Friedhof kann man übrigens (zwischen Kapelle 9 und Prökelmoorteich auf dem Grab Knauerhase/Jagomast in AD 44, 516-20) eine solche Erinnerungstafel entdecken: Darauf ist ein kleiner Strauß Immortellen vor schwarzem Hintergrund unter einer Kunststoffschicht zu sehen und, groß geschrieben, das Wort "SOUVENIR" - Erinnerung; dazu oben eine Versprechung "Je ne toublierai jamais" (Ich werde Dich nie vergessen) und unten eine Widmung "A notre camarade" (Unserem Kamerad), Zeugnis gemeinsamer Erlebnisse und einer treuen Freundschaft über allen Grenzen hinaus.

Diese Tafeln in kleinem Format (ab 20-30 cm breit, selten kleiner, gelegentlich größer und in allen möglichen Formen) werden aus verschiedenem Material hergestellt. Die wohl günstigsten sind aus Porzellan, z.B. als Buch oder Bonbonniere gestaltet, die meisten aber aus flachen Marmorplatten, oft mit Bronzezusatz oder anderen vielfältigen Bearbeitungstechniken. Neben Sprüchen, Bibeltexten, Weisheiten oder Gedichten, manchmal auch mit einem Portraitmedaillon des Verstorbenen, findet man darauf die unterschiedlichsten Motive: Einige christliche wie Kruzifix oder Christuskopf mit Dornenkrone und besonders in der Nähe von Lourdes vielfach eine Madonna; vor allem aber viele weltliche Dekorationsmotive, wie Rosen und Blumen, Vögel, Pferde, offene Fenster, eine verlassene Bank mit einem Mantel darauf - und dabei viel Kitsch.

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Beerdigungsinstitut in Orthez (Foto: Behrend)

Was in Ohlsdorf oft zu sehen ist, sowohl bei den Grabsteinen der 30er-Jahre als auch der heutigen Zeit - nämlich Beruf oder Lieblingsbeschäftigung des Verstorbenen - wird auch hier in Frankreich auf solchen Erinnerungstafeln dargestellt: Fußball und Fußballspieler, Noten und Flügel, Motorrad, Spielkarten ... Die geographischen Gegebenheiten spiegeln sich auch auf diesen Tafeln wider. So gibt es mitten im Ackerland einen pflügenden Trecker, woanders einen gepflegten Weinberg. In den Pyrenäen sind Bergdörfer, schneebedeckte Tannen oder Berggipfel und Berghintergründe besonders beliebt; solche bergische Profile (gegebenenfalls mit Hirten und Schafen) bilden manchmal den senkrechten Stein hinter dem Grab. Die runden Steine aus dem schnellen Bach können auch als Dekorationsmaterial von Nutzen sein. Angler und Forellen gehören ebenso zu den Berglandschaften des Südens (Pyrenäen) wie des Nordens Frankreichs (Ardennen).

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Erinnerungstafeln in Orthez (Foto: Behrend)

Insgesamt sind solche Erinnerungstafeln nicht billig: Im Sommer 2001 zeigten die Schaufenster eines Beerdigungsinstituts in Orthez (Südwestfrankreich) verschiedene Muster und gaben im Durchschnitt Preise zwischen 50 und 250 Euro an.

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Erinnerungstafeln auf einem Friedhof in Sedan
(Foto: Behrend)

So erklärt sich vielleicht die überraschendste Ansicht, der ich auf einem Friedhof im Nordwesten Frankreichs begegnete: In der Stadt Sedan sollen wohl gut abgeschlossene gläserne Gehäuse, die eher wie Duschkabinen wirken, die vielen Kunstblumen und teuren Erinnerungstafeln gegen Diebe schützen.

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Gläserne Gehäuse auf einem Friedhof in Sedan (Foto: Behrend)

Ist angesichts der zahlreichen Diebstähle, die uns leider auch in Norddeutschland bekannt sind, diese gläserne Perspektive vielleicht die Zukunft?

Auflistung alle Artikel aus dem Themenheft Zukunft der Friedhöfe (Februar 2002).
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